Foto: Stephen Ellery, https://dossantos-entertainment.com/portfolio/dirigent,kuenstler/stephen-ellery
Musiker und Solisten der Cinema Festival Symphonics
Stephen Ellery, Dirigent
Justyna Ilnicka, Sopran Adriana Grochowska, Alt
Grzegorz Rozkwitalski, Bass
Howard Shore – Musik aus „Der Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“
Tonhalle Düsseldorf, 13. Februar 2024
von Daniel Janz
So, wie die großen Sinfoniker ihrer Zeit unsere Kultur geprägt haben, tun es heute Film und Fernsehen. In Düsseldorf ist man sich dessen bewusst und lässt deshalb regelmäßig jene Komponisten erklingen, deren Musik man aus den bekannten Filmen der letzten 80 Jahre kennt. Das alles kombiniert mit fähigen Musikern, die sich in ihrer Materie auskennen – eigentlich ist damit ein großartiges Erlebnis garantiert. Wie man es sich trotz fabelhafter Grundlage schwer machen kann, erzählt dieses Konzerterlebnis vom letzten Dienstag aus der Düsseldorfer Tonhalle.
Nur wenige Filmreihen sind so berühmt und erfolgreich, wie die „Herr der Ringe“-Trilogie. Wie auch der Trilogie „Der Hobbit“ liegen diesen Filmen die Romane von Professor J. R. R. Tolkien (1892 – 1973) zugrunde. Beides adaptierte der talentierte und dafür gefeierte Regisseur Peter Jackson. Seine Werke gingen um die Welt und damit auch deren von Howard Shore komponierte Filmmusik. Heute zählt sowohl die Musik zu „Herr der Ringe“, als auch „Der Hobbit“ zu den absoluten Klassikern unserer Zeit, obwohl die zweite Trilogie nie dieselbe Qualität erreichte, wie das ursprüngliche Epos von 2001 – 2003.
Es ist also kein Wunder, dass diese Musik auch im Konzertsaal immer wieder zu finden ist. Zu eingängig sind die Hauptthemen aus „Der Herr der Ringe“ – gefühlt kennt man sowohl die Filme als auch die Musik in- und auswendig. Und trotzdem kann man selbst bei diesen Welthits immer noch Neues entdecken. Beim Besuch des Konzerts war sich der Rezensent im Vorfeld jedenfalls sicher, sowohl die Filme als auch die Musik dazu gut zu kennen. Aber das Konzert hat ihn eines Besseren belehrt!
Dabei entfällt die Verantwortung ein Stück weit auch auf die Akteure des Abends: Es liegt kein Programm aus, trotz riesiger Videoleinwand wird keiner der gespielten Titel angezeigt, auch die Solisten bleiben bis zur schriftliche Nachfrage beim Management ungenannt. Und dann ist da die moderne Mediennutzung. Die Lichtshow verdient Würdigung, immerhin unterstreicht sie das Geschehen. Die Landschaftsaufnahmen aber, die im Hintergrund zu der Musik gezeigt werden, sollen wohl die Stimmung untermalen. Doch sie zeigen keine Szenen aus den Filmen und wirken teilweise sogar aus dem Zusammenhang gerissen. Das lenkt ab! Ab der zweiten Hälfte des Konzerts nerven sie den Rezensenten sogar.
Natürlich sind Filmszenen an Vermarktungsrechte gebunden, die wahrscheinlich teuer und aufwendig zu erwerben sind. Aber warum hat man sich nicht auf das Wesentlichere konzentriert? Hätte man nicht wenigstens die Titel einblenden können, um ein wenig Orientierung zu schaffen? Vielleicht wäre es besser gewesen, in dieser Form auf die Diashow im Hintergrund zu verzichten.
Die Folge ist: Wenn nicht gerade eines der Leitthemen aus den Filmen erklingt, fühlt man sich in der Abfolge der ungenannten gespielten Stücke verloren. Durch das fehlende Programm wirkt das alles wie ein buntes Potpourri. Wie ein Best-of und nicht wie ein durchgeplantes Konzert. Erst die Rückfrage beim Management schafft hier Klarheit. Schade, denn mit ein paar einfachen Änderungen hätte man diesen ungünstigen Anfangseindruck vermeiden können. So stellt sich das Ringen um die Gunst des Publikums für das Orchester aber eine Zeit lang wie ein Kampf bergauf dar: Unnötig anstrengend und ungünstig konzipiert. Es wundert nicht, dass dem Rezensenten der Applaus zu den ersten Stücken doch etwas verhalten vorkommt.
Dass es den Musikern trotzdem gelingt, das Publikum mitzunehmen, ist vor allem auf die Qualität des Ensembles zurückzuführen. Man merkt, die Cinema Festival Symphonics haben sich unter ihrem versierten, in London tätigen Dirigenten Stephen Ellery auf solche Musik spezialisiert. Denn obwohl die (geschätzt) 40 Musiker auf der Bühne plus gemischten Chor kaum die Epik der Filme annehmen lassen, liefern sie doch über weite Strecken des Abends klangliches Gold. Die Streicher bieten kontinuierlich einen idealen Klangteppich. Das Schlagzeug spielt zwar über den Abend hinweg immer wieder dasselbe, das aber mit viel Wucht und Rhythmusgespür. Und was von den Bläsern kommt, überzeugt auch über weite Strecken.
Nicht ganz unschuldig an diesem Eindruck dürfte auch die live-Elektronik sein, die für das Orchester gleichfalls das Problem der schlechten Akustik in der Tonhalle löst. Da klingen zwei Hörner eben auch mal wie 8 oder das eine einsame Fagott wie 4. Und dass Harfen-, Lauten- und Klavierklänge allesamt von ein und demselben Keyboard kommen, ist auch ein Kniff, an den man sich gewöhnen muss. Wie authentisch das ist, sei mal dahingestellt – eingefleischte Klassikfans dürften wohl die Nase rümpfen.
Wichtig ist aber: Orchester, Chor und Tondesign erreichen eine brillante Klangwucht und bewegen dadurch. Besonders gut gelingt es da, wo – trotz fehlendem Programm – die aus den Filmen bekannten Leitmotive erklingen. Ab dem vierten Stück – dem „Council of Elrond“ – stechen Motive, wie das häufig von der fabelhaft spielenden Flöte vorgetragene Thema des Auenlandes hervor. Oder die Hornfanfare, die wohl am meisten mit dem Ansturm der Rohirrim-Reiter auf das Heer der Ork vor Minas Tirith im dritten Film assoziiert wird. Auch Themen, wie die Schmieden des dem Bösen verfallenen Zauberers Saruman, das Thema der Nazghul oder das Hauptmotiv der Herr der Ringe-Trilogie entfalten ihre Wirkung.
Wirkungsvoll auf die eine oder andere Weise sind auch die Solisten des Abends. Die Sopranistin Justyna Ilnicka aus Polen singt nach Meinung des Rezensenten am stärksten, auch wenn ihr gegen Ende die Kräfte auszugehen scheinen. Dennoch überzeugt sie den Abend hindurch mit Klarheit in der Stimme und einer deutlichen Aussprache, die selbst die größtenteils in Elbisch vorgetragenen Gesänge wie eine Offenbarung wirken lassen. Ob zur lyrischen Begleitung des insgesamt sehr souveränen Chors oder a cappella bei „Twilight and shadow“ – es ist eine Freude, ihr zuzuhören. Gerade auch in der Höhe verzückt sie mit ihrem silbrigen Timbre.
Siegerin der Herzen dürfte indes die ausgebildete Jazzsingerin Adriana Grochowska aus Stettin, ebenfalls Polen, sein. Beim ersten Ton wirkt sie noch etwas wackelig, steigert sich über den Abend aber phänomenal in ihre mystisch/ausdrucksstarke Altlage hinein. Gegen Ende bei „Into the West“ kann sie das Publikum sogar so verzaubern, dass viele ihre Handys zücken und wie ein Kerzenmeer hin- und herbewegen. Als hätten sie sich den Filmen gleich zu einer Gefolgschaft vereint – diesmal nur nicht, um einem Ring zu folgen, sondern um Grochowskas Stimme zu bewundern. Als sie dann im – konzeptionell wunderbar als Zugabe gesetzten – „I see fire“ von Ed Sheeran auch noch richtig lospfeffert, gibt es kein Halten mehr. Das hat Temperament! Generell überzeugt sie durch ihre swingend inbrünstige Stimme.
Einzig Grzegorz Rozkwitalski (37) aus Danzig, Polen, stellt sich für den Rezensenten eher als Schwachpunkt dar. Über den Abend verteilt hat er zwei Einsätze – drei, wenn man die Zugabe mitzählt. Bei allen überzeugt er nicht. Sein erster Einsatz bei „The last goodbye“ wirkt wackelig und unsauber. Bei „The misty mountains cold“ kann er zwar mit seinem vollen Bass losdröhnen – hier merkt man sein Talent. Aber es stimmt die Gewichtung nicht – er legt so viel Kraft in den Gesang, dass das Gefühl zu kurz kommt. Mehr Empfindsamkeit und weniger Pressen wäre hier das Mittel der Wahl gewesen. Und auch in der Zugabe liegt er gefühlt immer wieder daneben. Vielleicht war das einfach ein schlechter Tag? Oder seine langen Pausen zwischendurch haben es erschwert, frisch in der Stimme zu bleiben? Souverän wirkte es jedenfalls nicht.
Insgesamt darf man doch anmerken, dass das Konzert trotz selbstauferlegter Schwierigkeiten am Ende zu einem Erfolg wurde. Spätestens ab dem Zeitpunkt, wo die bekannten Motive aus den Filmen erklangen, war auch das Publikum erreicht, was sich in immer ausdauernderen Applausschüben zwischen den einzelnen Stücken zeigte.
Gegen Ende klatschten alle zur Zugabe sogar den Rhythmus mit und krönten anschließend ein im Grunde gutes Konzerterlebnis mit stehenden Ovationen. Wo also der Einstieg noch etwas zäh war, haben es Orchester, Chor und Sänger doch über viel Einsatz geschafft, alle mitzunehmen und zu begeistern. Ein paar kleine Anpassungen und dieses Format verspricht, in Zukunft noch größere Erlebnisse zu liefern.
Daniel Janz, 15. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at