J. F. Lampes barocke Gags und Slapstick-Witzeleien sorgen für allerbeste Publikumsbelustigung

Musikfest Bremen: „The Dragon of Wantley“  Oldenburgisches Staatstheater, 24. August 2025

BEMF Vocal Ensemble © Patric Leo

Musikfest Bremen: „The Dragon of Wantley“  („Burlesque Opera“ von  John Frederick Lampe in 2 Akten, halbszenische Aufführung)

Boston Early Music Festival: Vocal Ensemble, Chamber Ensemble und Dance Company

Teresa Wakim (Margery) Sopran
Hannah De Priest/Tessan-Maria Lehmussaari (Mauxalinda) Sopran
Aaaron Sheehan (Moore) Tenor
Douglas Ray Williams (Gubbins) Tenor
John Taylor Ward  (Dragon) Bass-Bariton

Stephen Stubbs und Paul O’Dette Erzlaute, Barockgitarre und Leitung

Gilbert Blin Regie

Oldenburgisches Staatstheater, 24. August 2025

 von Dr. Gerd Klingeberg

Die Ouvertüre, im schwungvollen Gute-Laune-Metrum angestimmt, könnte glatt aus einer veritablen Händel-Oper stammen. Ist auch nicht allzu weit gefehlt: John Frederick Lampe, der mutmaßlich in Braunschweig gebürtige, später in London tätige Schöpfer von „The Dragon of Wantley“, hat sich reichlich kompositorischer Techniken seines berühmten Zeitgenossen und Musikerkollegen bedient.
Doch bereits der wuselige gemeinsame erste Auftritt der Akteure im wunderschönen Ambiente des Oldenburgischen Staatstheaters lässt erahnen, dass es sich bei diesem fast vergessenen Werk, das bereits bei der Uraufführung am 17.5.1737 im Haymarket Theatre in London für begeisterte Publikumsresonanz sorgte, nicht um eine Oper seria handelt, sondern um einen hochbarocken Jokus, eine „Burlesque Opera“, die vergnüglich alles verspottet und parodiert, was eine nach typischem italienischem Stil konzipierte Oper gemeinhin ausmacht.

Englisch-humoriger Klamauk und klangvolle Arien

Nach einigen selbstredend ungemein wichtigen und mit augenzwinkerndem Ernst proklamierten Vorab-Erläuterungen für das hochverehrte Publikum gibt es tatsächlich keinen ruhigen Moment mehr auf der Bühne. Die überaus aufwändig barock-stylish kostümierten Darsteller sind ausnahmslos in ständiger Bewegung, fast durchweg übertrieben gestikulierend und überkandidelt palavernd.

Beim gelegentlich fauchend vorbeihuschenden, mit starken Krallen um sich greifenden Drachen reißen alle höchst erschrocken die Augen weit auf, fallen aufseufzend beinahe in Ohnmacht, wobei sich jeder dennoch irgendwie in den Vordergrund drängen möchte. Englisch-humoriger Klamauk vom Feinsten ist das, gespickt mit reichlichem Wortwitz, teils knittelversig überspitzten Reimereien und Albernheiten des englischen Textes, die auch in der deutschen Übersetzung (sie wird als Übertitel eingeblendet) bestens zum Ausdruck kommen.

BEMF Vocal Ensemble © Patric Leo

Dabei hat diese wahrhaft komische Oper alles, was auch ihr seriöses Vorbild ausmacht: Rezitative, lange, sehr klangvolle Arien, Duette, Trios, dazu eine überaus kunstvoll strukturierte Instrumentalbegleitung im Bühnenhintergrund, die man bei den angeregten schauspielerischen Aktionen dieser halbszenischen Aufführung fast nur noch wie nebenbei wahrnimmt, die aber punktgenau die Atmosphäre und die jeweilige Stimmung des Geschehens mitprägen.

Gesanglich sticht Teresa Wakim in der Rolle der Margery klar hervor. Koloraturstark und geschmeidig präsentiert die Sopranistin ihre Partien, sicher bis in höchste Lagen, egal in welcher aufgeregten oder verzwickten Lage sie sich gerade darstellend auslässt. Und selbstverständlich verleiht sie dabei ihrem Gesang auch gleich noch die nötige witzige Überspanntheit. Ob Hannah De Priest, die als Verkörperung der Mauxalinda schauspielerisch bestens mithalten kann, auch stimmlich mit Wakim konkurrieren könnte, bleibt offen an diesem Abend: Die in verschiedenen Sparten erfahrene Sängerin ist leider indisponiert und muss quasi per Karaoke agieren; denn für sie singt die finnisch-schwedische Sopranistin Tessan-Maria Lehmussaari seitlich von der Bühne aus. Das klappt recht gut; allerdings ist Lehmussaari allein schon aufgrund ihrer Position im Hintergrund etwas  benachteiligt und daher nicht immer ausreichend durchsetzungsstark.

BEMF Vocal Ensemble © Patric Leo

Zickenkrieg, Liebesbeteuerungen und ein Tritt in den Drachenhintern

Der spätere Zickenkrieg der beiden ach so vornehmen Damen, die sich im Hin und Her um die Gunst des Drachentöters Moore verbal bis handgreiflich in den prunkvollen Haaren bzw. Perücken liegen, ist dennoch ein slapstickmäßiger Hochgenuss.

Moores großspuriges, angeberisches Auftreten, das Tenor Aaron Sheehan genussvoll zelebriert, kommt gleichermaßen gut an beim Publikum. Er genießt die schmachtenden Blicke, die Liebesbeteuerungen und frivolen Anzüglichkeiten der beiden Frauen, die ihn mit allen Raffinessen becircen, und verspricht lauthals, den Drachen ganz ohne Waffen zu besiegen; allein ein gehöriges Quantum an Bier reiche ihm aus. Dass er sich dann vor lauter Angst gerade noch einigermaßen dezent (nur angedeutet!) in einen Nachttopf erleichtern kann, sorgt prompt für etliche Publikumslacher.

Erfolgreich ist diese ziemlich schräge St. Georg-Persiflage einer Drachentötung dennoch; denn mittels eines mehr oder weniger gezielten Fußtritts mit unangenehm spitzem Zeh in den Allerwertesten des wilden Untieres, das zuvor noch mit dem selbst hinter dem Mundschutz des Kostüms noch satt-sonoren Bass von John Taylor Ward imponierte, ist die kühne Tat auch schon getan.

BEMF Vocal Ensemble © Patric Leo

Hellauf jubelt die ganze Truppe: die drei Protagonisten, Margerys Papa Gubbins (Douglas Ray Williams) sowie Zofe und Kammerdiener, die als echte Hingucker mit pantomimischen Tänzereien und possentreibendem Gehabe den Ablauf des kurzweiligen Geschehens zusätzlich garniert und bereichert haben. Patriotischer Pflicht gehorchend, wird über dem endlich gemeuchelten, regungslos daliegenden Drachen der Union Jack geschwenkt – genau der, den Moore zuvor schon wie eine Torero-Capa beim Drachenkampf eingesetzt hatte. Im Dörfchen Wantley ist alles wieder im Lot.

Der finale heroisch-pathetische Tutti-Chorus reißt das rundum begeisterte Oldenburger Auditorium zu Standing Ovations von den Sitzen: Zwei grandios choreografierte (Melinda Sullivan), prallvoll mit jeder Menge Witz, Klamauk, Clownerien und absurder Komik, dazu gleichwohl großartiger instrumentaler, gesanglicher und schauspielerischer Darbietungen angefüllte Stunden sind gefühlt deutlich schneller – und leider viel zu schnell zu Ende gegangen.

Dr. Gerd Klingeberg, 25. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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