Opern-Air-Konzert im Burggarten begeistert alte und neue Opernfreunde

Opern-Air-Konzert  Sonntag, 7. SEPTEMBER 2025, Burggarten, Wien

Foto: OpernAir, DE BILLY/ORCHESTER/CHOR (c) Martina Berger

Man könnte es als die erste Premiere der Saison bezeichnen, als Uraufführung. Im Herbst 1955 stieg die Wiener Staatsoper, das Haus am Ring, wieder aus der Asche. Ist 70 eine magischere Zahl als 75? Jedenfalls könnte hier eine neue Tradition am Anfang jeder neuen Saison entstehen. Wie Direktor Bogdan Roščić betonte, Opern air assoziiert als Wortspiel mit open, mit sich öffnen. Werbung für die Kunstform Oper. Das Publikum war zahlreich vorhanden.

Opern Air Konzert
Ein Galakonzert unter freiem Himmel bei kostenlosem Eintritt

Sonntag, 7. SEPTEMBER 2025, Burggarten, Wien


von Lothar und Sylvia Schweitzer

Prof. Viktor Frankl hat einmal die Frage der Konditionierung angesprochen. Was macht einem zum Liebhaber zum Beispiel des Bergsteigens? Das kann sehr unterschiedliche, fast gegensätzliche Ursachen haben. Wir verweisen auf den Klassik begeistert-Artikel „Mein Weg zum Opernliebhaber war unorthodox“. Deshalb kann Opernmusik auch ohne Bühne durchaus zum sprichwörtlich springenden Funken werden.

Interessant war, dass das Konzert nicht etwa mit der teilweise zündenden, temperamentvollen Carmen-Ouvertüre seinen Auftakt nahm, sondern mit dem eher getragenen Einzug der Gäste aus „Tannhäuser“. Man wählte also gleich am Anfang eine orchestrale und chorgesangliche Einleitung.

Auch die zwei nächsten Arien waren nicht aus dem gängigen Repertoire. Jonas Kaufmann sang „Cielo e mar“ aus „La Gioconda“ von Ponchielli und darauf Elīna Garanča „Acerba voluttà“ der Rivalin von Adriana aus Cileas „Adriana Lecouvreur“. Schon im Laufe dieser Arien dachten wir an die Problematik nicht wenigstens halbszenischer Aufführungen. Der erfahrene Liedinterpret Hans Hotter war der Auffassung, bei rein gesanglichen Darstellungen sei eine theatralische, untermalende Gestik unangebracht.

So leid es uns tut, dass „unsere Iolanta“ Sonya Yoncheva absagen musste, so schön können Improvisationen sein. Benjamin Bernheim sang sein Duett aus Massenets „Manon“ mit Sandra Hamaoui.

Opern Air, BERNHEIM, HAMAOUI, DE-BILLY, ORCHESTER, CHOR (c) Martina Berger

Zu viele aufeinanderfolgende Arienhöhepunkte sollen vermieden werden. Deswegen folgte nun die Ouvertüre zu „Le nozze di Figaro“. Wir persönlich hätten das Vorspiel zu „Cosi fan tutte“ vorgezogen, denn im Anschluss daran folgte ein Terzett aus dieser Oper mit Mitgliedern des Opernstudios der Wiener Staatsoper, das für dieses Ensemble uns um eine Nummer zu groß erschien. Da wusste sich die Opernschule der Wiener Staatsoper, einmal allein und einmal mit dem Staatsopernchor mit Ausschnitten aus „Carmen“ besser zu profilieren.

Opern Air, OPERNSCHULE, DE-BILLY, ORCHESTER, CHOR (c) Wiener Staatsoper MichaelP oehn

Die Rezensionen werfen Jonas Kaufmann vor, dass durch den dunklen Klang seines Tenors bei seinem Duett mit Rodrigo der Kavaliersbariton von Boris Pinkhasovich nicht zur Geltung kam.

Das stimmt. Pinkhasovichs Bariton verlor im Duett an Schönheit. Wir hörten das letzte Mal „Don Carlos“ mit Jonas Kaufmann und Igor Golodenko, der nicht der feinsinnige Freund der beiden Rivalen Vater und Sohn war. Die Wesensmerkmale seiner Stimme waren Mächtigkeit und Durchschlagskraft. Der Zusammenklang dieser Stimmen klang gut, war aber nicht im Sinn der Charakterisierung von Rodrigo. In diesem Ausschnitt kam am Schluss zu Kaufmann und Pinkhasovich noch der Bassist und Comprimario-Spezialist Dan Paul Dumitrescu als mysteriöser Mönch hinzu.

Opern Air, DUMITRESCU, PINKHASOVICH, KAUFMANN, ORCHESTER (c) Martina Berger

Zur Auflockerung sang nach diesem ernsten Stück der Chor der Wiener Staatsoper den „Matrosenchor“ aus dem Fliegenden Holländer“.

Benjamin Bernheim ließ uns schon am 23. November 2018 als Rodolfo in Puccinis „La Bohème“ besonders aufhorchen. Er war bisher leider ein seltener Gast im Haus am Ring. In der letzten Spielzeit nur dreimal als Romeo in Charles Gounods „Romeo e Juliette“. Dafür sang er jetzt eine Arie aus diesem Werk.

Unmittelbar darauf stand wieder das Faust-Thema am Programm. Diesmal sang Elīna Garanča eine Arie aus „La damnation de Faust“ von Hector Berlioz. Wegen der Lettin sind wir ihr vor Jahren nach Genf nachgeflogen, weil wir sie als Marguerite hören wollten.

Gewiss eine besondere Rarität, aber wäre die berühmte Arie der Dalila aus „Samson und Dalila“ von Camille Saint-Saëns nicht wirkungsvoller gewesen?

Für Sonya Yoncheva sprang als Floria Tosca Camilla Nylund ein. Sie hat seit 2023 bei uns kein italienisches Fach gesungen und für die nächsten zwei Jahre ist im italienischen Repertoire bloß Puccinis „Turandot“ geplant. So ist sie nicht daran eine Italianità aufzubauen. Aber bei einem so kurzfristigen Einspringen konnte das Orchester nicht umdisponieren. Yoncheva sang noch am Abend zuvor die Iolanta!

Im Strauß-Jubiläumsjahr durfte ein Werk dieses Komponisten nicht fehlen. Man wählte die Operette „Die Fledermaus“ und zuerst einmal „Brüderlein, Brüderlein und Schwesterlein“. Tonangebend war Clemens Unterreiner als Dr. Falke. Unglücklicherweise sind einige interessante Solistinnen und Solisten der Staatsoper im Ensemble untergegangen und konnten auf diese Weise nicht auf sich neugierig machen.

Es folgten Benjamin Bernheim mit einer Arie aus Bizets „Les pêcheurs de perles“ und Jonas Kaufmann mit „E lucevan le stelle“ aus dem 3. Akt von „Tosca“. Bizets seltener gespielte Oper hat im Frühjahr 2026 hier Premiere. Aber in keiner der ersten sechs Vorstellungen wird Bernheim auf der Bühne agieren.

Außergewöhnlich der „Abendsegen“ aus Humperdincks Märchenoper mit Elīna Garanča als Hänsel und Camilla Nylund als Gretel. Die tapfere Einspringerin Camilla Nylund las nahezu a prima vista bravourös vom Notenblatt.

OpernAir GARANCA, NYLUND, DE-BILLY, ORCHESTER, CHOR (c) Wiener Staatsoper Michael Poehn

Pompös klang Wagners „Walkürenritt“. Das Finale bildete dann „Im Feuerstrom der Reben“ aus der „Fledermaus“ mit Elīna Garanča, Camilla Nylund, Benjamin Bernheim, Jonas Kaufmann, Boris Pinkhasovich und dem Chor der Wiener Staatsoper.

Leider wurden in der ganzen Sendung die Sängerinnen und Sänger nur am Anfang  mündlich vorgestellt. Einblendungen während ihres Auftritts fehlten.

Ein Arienabend bietet gleichsam nur Momentaufnahmen. Bei „Manon“ und „Così fan tutte“ ist dies für das Verstehen sehr von Nachteil.  Aber wir können uns vorstellen, dass diese „Premiere“ neue Opernfreunde gewinnt.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 10. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Das Kon­zert wird da­nach drei Mo­na­te auf ORF.ON nach­zu­se­hen sein.

Ab dem 18. Sep­tem­ber ist das kom­plet­te Kon­zert für rund ein Jahr auf arte.tv ver­füg­bar. Ei­ne leicht ge­kürz­te Fas­sung wird am 12. Ok­to­ber auf ARTE aus­ge­strahlt.

Serie Neu: Mein Weg zum Opernliebhaber war unorthodox klassik-begeistert.de, 12. April 2024

Serie Neu: Meine ersten musikalischen Erfahrungen  klassik-begeistert.de, 11. April 2024

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