Hosokawas Matsukaze: Wenn ich mich doch eher hätte treiben lassen können vom Wind in den Kiefern

Operninstallation mit  Matsukaze  Utopia, München, 3. Mai 2025

Oper Matsukaze © Geoffroy Schied

Ich erkenne Personen, die mir im Raum begegnet sind und sich jetzt als Teil der gestaltenden Truppe zeigen. Wir haben uns alle in demselben Raum bewegt. Es bestand keine Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum. Wir waren eins.

Operninstallation mit
Matsukaze
Oper in einem Akt (2011)

Komposition Toshio Hosokawa

Libretto von Hannah Dübgen nach dem gleichnamigen Noh-Spiel von Motokiyo Zeami

Musikalische Leitung   Alexandre Bloch
Inszenierung   Lotte van den Berg, Tobias Staab

Münchner Kammerorchester
VOCES Stuttgart

Utopia, München, 3. Mai 2025

von Frank Heublein

An diesem Abend wird die zweite Premiere des Ja, Mai Festival 2025 mit Toshio Hosokawas Oper Matsukaze im Utopia in München gefeiert. Die Oper wurde am 3. Mai 2011 vor genau vierzehn Jahren im Théâtre Royal de la Monnaie in Brüssel uraufgeführt.

Aber wahrscheinlich nicht so. Denn die Inszenierung in München im Utopia, der Raum war früher eine Reithalle, ist eine ohne festen Zuschauerplätze. Das Publikum soll und darf durch den Raum, sogar auf ausgewählten Routen durch das Orchester laufen. Im Raum stehen Installationen von Alicja Kwade. Manche Seiten ihrer Bauten sind Spiegel. Sie ergeben eine interessante Sicht auf Wirklichkeit und der gespiegelten Illusion.

Oper Matsukaze © Geoffroy Schied

Ich als Teil des Publikums bin Teil der Aufführung. Vom Moment an, in dem ich den Raum betrete. Kiefernwipfelrauschen umfasst mich, es kommt von der Harfe? den Glöckchen? vom Soundartist Mieko Suzuki? Einzelne Stimmeneinwürfe. Es fällt mir schwer, die Herkunft der Töne zuzuordnen, die durch den Raum gleiten. Meine Position im Raum, mein Ohr gleicht einer Angel, die ich auswerfe. Ständig fange ich etwas, doch nicht das von mir Erwartete. Ich erspüre den Klang und den Raum. Komme aber zu keinem Ergebnis der Zuordnung.

Im Konzept der Inszenierung von Lotte van den Berg (sie erkenne ich am Ende als Mitläuferin im Publikum wieder) und Tobias Staab laufen auch die Protagonisten im Raum umher. Egal wie ich es anstelle, mir entgeht, wohin sich die von mir beobachtete Figur bewegt. Einen Moment abgelenkt von anderer Aktion und schwupps! haben sich die Figuren im Publikum verloren. Zumal die Figuren doppelt besetzt sind, jeweils eine Performerin und Sängerin und ein Performer und ein Sänger plus Performer Corey Scott-Gilbert, der in Größe und Muskulosität einen ausladenden Baum und auch den von den zwei Schwestern Matsukaze (Wind in den Kiefern) und Murasame (Herbstregen) geliebten Yukihira in physischer Bewegung interpretiert.

Oper Matsukaze © Geoffroy Schied

Ein Mönch schläft unter einer Kiefer ein und träumt von zwei Geisterwesen, den Schwestern Matsukaze und Murasame, die beide den Edlen Yukihira lieben. Doch der musste in die Hauptstadt und stirbt dort. Die Liebe der Schwestern dauert über den Tod hinaus. Die Geschichte Matsukaze ist eine der bekanntesten des mugen nō (wörtl.: „Traum-Noh“) Theaters, das im 14. und 15. Jahrhundert im japanischen Reich, das von Shogunen regiert wurde, etabliert und zu einer ersten Blüte geführt wurde.

Flirrende Streicher -Töne, Lufttöne, viel Schlagwerk, in der Höhe und Tiefe extreme Holzbläser. Das nehme ich vom Orchester zentral wahr. Das Schlagwerk treibt, ist das Auswirkung der Nähe zu meiner Position? Trommeln, Glöckchen, die Atmosphäre der liebessuchenden Schwestern pointiert das Schlagwerk.

Oper Matsukaze © Geoffroy Schied

Matsukaze singt Sopran Seonwoo Lee, Murasame Mezzo Natalie Lewis und Mönch Bass Paweł Horodyski. Eindringlich gerade durch eher flache Gesangslinien. In mir verstärkt sich dadurch der spektrale träumerische Eindruck. Am Ende finden die Schwestern den Geliebten, in der Aufführung verschwinden die Performerinnen Yumiko Yoshioka und Yuko Kaseki unter dem Astbehangenen Mantel Yukihiras.

Ich habe ohne Erfolg in der Aufführung eine Zuordnung beständig gesucht. Eindrücke, Impulse, Gefühle – das klappt für mich im Nachhinein erstaunlich gut ohne Zuordnung. Zugleich ordne ich durch mein Bewegen die fluente Form der Akteure und Rezipienten beständig neu. Die Bewegung ist die Ordnung. Wind in den Kiefern.

Die Ausführenden werden mit großem Applaus bedacht. Ich erkenne Personen, die mir im Raum begegnet sind und sich jetzt als Teil der gestaltenden Truppe zeigen. Wir haben uns alle in demselben Raum bewegt. Es bestand keine Trennung zwischen Bühne und Zuschauerraum. Wir waren eins.

Frank Heublein, 4. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung

Matsukaze   Seonwoo Lee (Sängerin) / Yumiko Yoshioka (Performerin)
Murasame   Natalie Lewis (Sängerin) /  Yuko Kaseki (Performerin)
Mönch   Paweł Horodyski (Sänger) / Thomas Schmauser (Performer)
Fischer   Bruno Khouri (Sänger) / Mieko Suzuki (Performerin)
Der Baum / Yukihira   Corey Scott-Gilbert (Performer)

Thomas Larcher, Das Jagdgewehr Cuvilliés-Theater, München, 2. Mai 2025

Requiem(s), Angelin Preljocaj Haus für Mozart, Salzburg, 17. April 2025

Thomas, Georg Friedrich Haas, Madrigal Lamento d’Arianna, Claudio Monteverdi Utopia, München, 23. Mai 2022

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