Alte Musik und doch modern: Philippe Herreweghe dirigiert Beethoven und Cherubini

Orchestre des Champs-Élysées Collegium Vocale Gent/Philippe Herreweghe  Philharmonie Berlin, 5. September 2025

250905 Orchestre des Champs-Élysées, Collegium Vocale Gent, Herreweghe © Fabian Schellhorn

Beide Teile des Konzertes erhielten herzlichen Applaus. Ein leiser Abend, der wegen der Zwischentöne in Erinnerung bleiben wird.

Orchestre des Champs-Élysées
Collegium Vocale Gent

Philippe Herreweghe / Dirigent

Maria van Nieukerken / Choreinstudierung

Ludwig van Beethoven (1770-1827) / Symphonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“

Luigi Cherubini (1760-1842) / Requiem c-Moll

Philharmonie Berlin, 5. September 2025

von Julian Führer

Napoleon Bonaparte galt als Friedensbringer und Befreier, hatte er doch die Exzesse und die Unsicherheit der Französischen Revolution beendet und eine Modernisierung der Gesellschaft versprochen. Auch Beethoven war begeistert von ihm, aber als der ehrgeizige Korse sich zum Kaiser der Franzosen krönte, strich der Komponist wütend die geplante Widmung der Es-Symphonie wieder aus.

Diese „Eroica“ wirkte auf das an die Werke Haydns und Mozarts gewöhnte Publikum hochgradig irritierend. Beethoven hält sich an klassische Formen, überschreitet aber auch Konventionen und experimentiert mit harmonischen Wendungen und mit Dissonanzen, die bei seinen Vorgängern als unmöglich galten.

Das Orchestre des Champs-Élysées spielte in einer schlanken Besetzung auf historischen Instrumenten und näherte sich damit einem Klangerlebnis von vor reichlich 200 Jahren an. Philippe Herreweghe akzentuierte dabei nicht noch einmal extra die vielen Kanten des Stücks, sondern ließ die Musik in einem nicht zu schnellen Tempo organisch fließen. Ohne Taktstock und mit sparsamen Gesten zeigte er aber die zahlreichen Details auf, die Beethoven von seinen Vorgängern so stark unterscheiden.

250905 Orchestre des Champs-Élysées, Collegium Vocale Gent, Herreweghe © Fabian Schellhorn

Beeindruckend war die Spielkultur des Orchesters auf den nicht immer einfach zu handhabenden Instrumenten. Der zweite Satz, als Trauerkondukt in c-Moll geschrieben, gewann etwas ganz leicht Federndes, die Wendungen nach Dur hatten aber nichts Heroisches an sich, die Umsetzung blieb in der Dynamik stets diskret. Die Schroffheiten gerade des vierten Satzes fielen auf, aber ohne mahnenden Zeigefinger und ohne Habt-ihr-das-gehört-Gestus. Eine Interpretation aus einem Guss.

Nach der Pause gab es einen anderen Frankreichbezug. In der Französischen Revolution hat es viele Tote gegeben, und der prominenteste Kopf, der fiel, war der des Königs. Am 21. Januar 1793 starb er unter der Guillotine, und die Leiche dieses wohl gar nicht so unsympathischen Menschen (bei Stefan Zweig nachzulesen) landete im Massengrab. Nach Ende der Revolution und der Herrschaft Napoleons bestieg ein Bruder des Hingerichteten wieder den Königsthron in Frankreich und ließ die 1793 ausgefallene Trauerfeier am Todestag Ludwigs XVI. in der Königsgrablege Saint-Denis nachholen. Das Requiem als musikalischen Rahmen bestellte man bei Luigi Cherubini.

250905 Orchestre des Champs-Élysées, Collegium Vocale Gent, Herreweghe © Fabian Schellhorn

Inhalt und Grundstimmung eines Requiems sind natürlich der religiöse Rahmen einer Totenmesse, und Cherubini lieferte das, was man von ihm als berühmtem Komponisten erwartete. Im Dies irae setzt er allerdings einen Gongschlag ein, den Giuseppe Verdi sicherlich gekannt haben wird. Die Hauptrolle in diesem Stück, das ohne Solisten komponiert ist, hatte das fabelhaft einstudierte Collegium Vocale Gent. Die Flexibilität und Homogenität dieses Chores waren stupend. Das Orchester, von Philippe Herreweghe mit noch größerer Zurückhaltung als beim vorangegangenen Beethoven geleitet, hat einen Begleitpart praktisch ohne große Einzelmomente. Stark war diese Darbietung aber dennoch in der Zusammensetzung allein schon des Schlussakkordes oder in der Abstimmung der Instrumentengruppen untereinander.

Beide Teile des Konzertes erhielten herzlichen Applaus. Ein leiser Abend, der wegen der Zwischentöne in Erinnerung bleiben wird.

Julian Führer, 7. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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