Foto © Monika Rittershaus
Osterfestspiele Baden-Baden, 23. März bis 1. April 2024
Wagner-Gala mit den Berliner Philharmonikern
Richard Wagner
Tannhäuser-Vorspiel und „Venusberg“-Szene
Die Walküre, Erster Aufzug
Festspielhaus Baden-Baden, 25. März 2024
von Dr. Bianca Maria Gerlich
Bei den Osterfestspielen Baden-Baden stand am 25. März 2024 eine zweistündige Wagner-Gala auf dem Programm. Kirill Petrenko dirigierte seine Berliner Philharmoniker und der erste Teil gehörte nur ihnen, nämlich das Vorspiel aus „Tannhäuser“ mit anschließendem Venusberg-Bacchanal.
Wie so schön dezidiert im Programmheft beschrieben: Beim ersten Einsatz des Triangels kann man die Schnittstelle zwischen dem 1845 komponierten Vorspiel und dem 15 Jahre später hinzu komponierten Bacchanal hören, das erforderlich wurde, um den „Tannhäuser“ in Paris auf die Bühne bringen zu können.
Den Übergang konnte man bei Petrenko wirklich wunderbar heraushören: zunächst religiöse Erhabenheit und Hingabe und dann ausgelassener Tanz im Venusberg. Petrenko holte insgesamt einen schönen, sehr transparenten Klang aus seinem Orchester, der fast schon leicht anmutete. Kleinere Probleme beim Blech taten dem Klang keinen Abbruch. Spannend war es allemal, bei so einem Konzert beobachten zu können, wann welches Instrument und welche Instrumentengruppe zum Einsatz kommt.
„Sündige Idyllen“ lautete die Überschrift zu den Werken des Abends – das traf natürlich auf beide Teile zu. Im Venusberg liegt diese für im Mittelalter lebende Menschen sündige Welt auf der Hand in der Verkörperung der Venus und ihrem Anhang und das Bacchanal hat das auch wunderbar zum Ausdruck gebracht. Schwungvoll rasselnd ging es da zur Sache.
Sündig im zweiten Teil des Abends ist die verbotene Liebe einer armen verschleppten Frau, die gleichzeitig Ehebruch und Inzest begeht und die dennoch Teil eines Liebespaars bei Wagner ist, dessen aufkeimende Liebe für manchen Hörer fassbarer, also greifbarer und ergreifender sein mag als jene zwischen „Tristan und Isolde“, seinem Hauptwerk der Liebe.
Der erste Aufzug der „Walküre“ gehört dieser Liebe zwischen Sieglinde und Siegmund, und hier gelang es Orchester und Sängern, die überbordende Wonnemond-Frühlingsstimmung auf das Publikum überschwappen zu lassen. Petrenko schaffte es wiederum, die Essenz dieses Aktes hervorzubringen – mit allen gebotenen Mitteln, nämlich lyrisch und dramatisch, hingebungsvoll und aufbegehrend. Die Musik erzählte uns, dass Liebe alles ist und gesellschaftliche Tabus aushebeln darf.
Hier waren nun drei Solisten im Einsatz, nämlich als Sieglinde Vida Miknevičiūtė, die mit sehr schöner Stimme eine solide Sieglinde sang, nur manchmal ein wenig zu viel Vibrato einsetzte. Auch ihre im Piano gestalteten Stellen wurden manchmal vom doch eigentlich sehr rücksichtsvoll spielenden Orchester überdeckt. Doch es war auch etwas schwierig für sie, denn sie hatte den Meister des souveränen Piano-Singens an ihrer Seite.
Klaus Florian Vogt war kurzfristig für den erkrankten Brandon Jovanovich eingesprungen. Nun steht in dieser laufenden Saison für Vogt eigentlich gar kein Siegmund an, nur im kommenden August wird er lediglich einen kurzen Ausschnitt aus der „Walküre“ in Graz singen. Seine gedanklichen Welten umfassen derzeit vermutlich Siegfried und Tristan, und natürlich in der Fastenzeit mehrmals den Parsifal, den er gerade einen Abend zuvor in Dornach bei Basel gesungen hatte und nun mit seinem Wohnmobil nach Baden-Baden geeilt war.
Umso erstaunlicher, dass Vogt insgesamt den Siegmund sehr souverän sang, Textpatzer seien ihm verziehen. Vogt sang dabei nicht nur, wie oft vorgeworfen, lyrisch-schön, sondern bewusst auch rau und grob, um der Rolle Ausdruck zu verleihen, so in den Passagen, in denen Siegmund von seiner leidvollen Vergangenheit berichtet. Seine stimmlichen Gestaltungsmöglichkeiten verblüffen immer wieder. Es war eine Freude, die Gefühlsachterbahn des Siegmund aus Vogts Kehle zu hören.
Vor allem aber gestaltete das Wälsungenpaar die Rollen. Sie standen nicht an der Rampe, sondern spielten ihre Rollen im Rahmen der Möglichkeiten.
Nach dem orchestralen Gewitter kam Vogt erst im letzten Moment hereingewankt mit „Wes Herd dies auch sei, hier muss ich rasten“, und auch Miknevičiūtė spielte sehr glaubwürdig eine von ihrem Ehemann eingeschüchterte, aber sich sichtbar zu Siegmund hingezogen fühlende Frau. Beide performten auf der linken Seite, vom Publikum aus gesehen.
Die rechte Seite gehörte Hunding, gesungen von Kwangchul Youn. Die sonore Stimme passte zu der Rolle, er gestaltete zwar deutlich weniger als das verliebte Paar auf der anderen Seite des Dirigenten, aber auch souverän – kurz und bedrohlich.
Als Siegmund dann das unsichtbare Schwert aus der unsichtbaren Esche gezogen hatte und der letzte Ton verklungen war, umarmten sich Miknevičiūtė und Vogt sofort, und man merkte die Erleichterung auf beiden Seiten an. Das war ein last minute step in von Vogt, für alle sicherlich eine Herausforderung, aber ein hervorragender Ersatzmann, befand das Publikum.
Lang anhaltender Applaus für alle, das war eine wirklich gelungene Wagner-Gala im Festspielhaus Baden-Baden!
Dr. Bianca Maria Gerlich, 28. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Ring-Zyklus I, Das Rheingold und Die Walküre Staatsoper Unter den Linden, 18. und 19. März 2024
Der Fliegende Holländer, Richard Wagner Hamburgische Staatsoper, 1. November 2022
Richard Wagner, Parsifal, Tannhäuser Bayreuther Festspiele, 27. & 28. August 2023