Tschaikowskij an der Deutschen Oper Berlin: Mit dieser Inszenierung bleibt die „Pique Dame“ jeglichen Trumpf schuldig

P.I. Tschaikowskij, Pikowaja Dama/ Pique Dame  Deutsche Oper Berlin, 15. März 2024

Deutsche Oper, Pique Dame, Muehle, Soffel © Marcus Lieberenz

P.I. Tschaikowskij
Pikowaja Dama/ Pique Dame

Hermann, ein Offizier  Martin Muehle
Lisa  Maria Motolygina (eingesprungen für Sondra Radvanovsky)
Gräfin  Doris Soffel
Tomskij  Lucio Gallo

Musikalische Leitung  Sebastian Weigle
Inszenierung  Sam Brown
Bühne, Kostüme  Stuart Nunn
Choreografie  Ron Howel

Deutsche Oper Berlin, 15. März 2024

von Peter Sommeregger

Diese Produktion war ursprünglich bereits für die Saison 2020/21 vorgesehen, fiel aber den Einschränkungen während der Corona-Pandemie zum Opfer. Tragischerweise wurde der vorgesehene Regisseur Graham Vick selbst tasächlich Opfer dieser Krankheit. Ein Freund Vicks, Sam Brown, wurde nun beauftragt, die begonnene Arbeit des Verstorbenen zu vollenden.
Bühnenbilder und Kostüme Stuart Nunns existierten wohl bereits, die Choreographie übernahm wie vorgesehen Vicks Ehemann und Witwer Ron Howell. Damit ist viel vom Stil Vicks in Browns Arbeit eingeflossen, was sich im Resultat eher als Hypothek erweist. Die Bühnenbilder sind wechselweise historisierend, dann wieder zeitgenössisch, auch die Kostüme folgen diesem unsinnigen Trend. Als Regisseur beweist Brown eigentlich schon in der ersten Szene seine Unfähigkeit, eine größere Zahl von Personen auf der Bühne zu bewegen, alle Gänge und Positionen sind einfach nicht stimmig und gestelzt.

Für die hässlichsten Momente des Abends sorgt die geschmacklose Choreographie Ron Howells. Dass die feine Petersburger Gesellschaft beim Tanz Stühle über den Kopf hebt, überzeugt nicht. Und das Travestie-Ballett im letzten Bild ist einfach nur peinlich, das kann man an der Komischen Oper besser.

Lisa als pummeliges, bebrilltes Mädchen zu zeigen, macht keinen Sinn, erweckt sie doch bei gleich zwei Männern der Handlung leidenschaftliche Gefühle. Auch Hermann wird betont mausgrau ausgestattet, den anderen Protagonisten ergeht es nicht viel besser. Optisch ist die gesamte Produktion nichts weniger als ansprechend.

Deutsche Oper, Pique Dame, Muehle, Radvanovsky © Marcus Lieberenz

Auch die Personenführung tendiert zu seltsamen Einfällen. So fällt Hermann auf dem großen Ball die erscheinende Zarin brutal an, er sieht in ihr wohl die alte Gräfin. In deren Schlafzimmer erscheint Hermanns Auftauchen diese gar nicht zu erschrecken, vielmehr macht sie dem Eindringling mehr als deutliche erotische Avancen. Als sie später als Geist Hermann erscheint, trägt sie Kostüm und Brille Lisas, der sterbende Hermann liegt am Ende des letzten Bildes in ihrem Schoß. Das alles erinnert doch sehr an den Spätstil Graham Vicks.

Sehr bedauerlich ist das Weglassen der Schäferszene während des großen Balles, denn abgesehen von ihrem musikalischen Reiz ist sie auch dramaturgisch nicht unwichtig, erkennt Hermann darin doch symbolisch die Möglichkeit, sich mit echter Liebe gegen Reichtum durchzusetzen.

Die Hypothek unsinniger Regie und unschöner Optik lastet schwer auch auf der musikalischen Realisierung. Sebastian Weigle, hoch seriöser Kapellmeister, führt Chor, Solisten und Orchester sicher durch Tschaikowskijs geniale Partitur. Die Leidenschaft, Spannung und Dramatik, die in ihr angelegt ist, bleibt er allerdings schuldig.

Deutsche Oper, Pique Dame, Radvanovsky, Mühle, Soffel © Marcus Lieberenz

Einzig Martin Muehle als Hermann gelingt es, seine gebrochene Figur glaubwürdig auf die Bühne zu bringen. Sein kräftiger, groß dimensionierter Tenor ist der Glücksfall der Besetzung. Die souveräne Doris Soffel gibt der alten Gräfin stimmliches Profil, als Figur wird sie Opfer unsinniger Regieeinfälle. Luxuriös die Besetzung des Tomskij mit Lucio Gallo, der dessen große Arie zu einem Highlight macht. Sehr ansprechend auch die Pauline von Karis Tucker, sowie die kleinen Rollen, die gut aus dem Ensemble besetzt sind.

Die kurzfristige Absage Sondra Radvanovskys bescherte dem jungen Ensemblemitglied Maria Motolygina die Chance, als Lisa ohne Probe in die Produktion einzusteigen. Eigentlich ein Himmelfahrtskommando, das die junge Russin aber zu einem eindrucksvollen Rollendebüt nutzte. Ihr tragfähiger, technisch gut gebildeter Sopran konnte sich in dieser schwierigen Partie optimal entfalten.

Das Publikum dankte ihr den Einsatz mit donnerndem Applaus, der am Ende alle Beteiligten einschloss, aber auffällig kurz ausfiel.

Peter Sommeregger, 16. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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