Foto: © Matthias Creutziger – Christian Thielemann
„Erschöpft und mit einem Gänsehaut-Feeling verließ ich das Festspielhaus und bin mir sicher, Herr Thielemann ist der beste Wagner-Dirigent und so einen Parsifal werde ich wohl nie wieder erleben.“
Bayreuther Festspiele, 10. August 2021
„Parsifal“, Aufführung in konzertanter Form
von Olaf Barthier
Als ich diese Ankündigung im Spielplan der diesjährigen Festspiele gelesen habe, dachte ich, das wird anstrengend. Wie soll das in Bayreuth funktionieren? Stellt man, wie andernorts, eine Konzertkulisse auf die Bühne und platziert links und rechts vom Dirigenten die Solisten. Was ist dann mit der besonderen Bayreuther Akustik?
Aber ich war überrascht, es kam ganz anders. Ich bin kein großer Freund von konzertanten Aufführungen, aber das, was ich gestern Abend hier in Bayreuth erlebt habe, war etwas Überwältigendes. Christian Thielemann stand, wie üblich, in Wagners Graben, für das Publikum unsichtbar, und hat zusammen mit dem Orchester einen exorbitanten Klang erzeugt. Ich glaube nicht, dass das noch übertroffen werden kann.
Im 3. Aufzug, bei der Amtsübergabe an Parsifal, verwandelte Thielemann den Bayreuther Festspielsaal in einen sakralen Raum, wo man mit Demut und Ehrfurcht den Tönen lauschte und das Gefühl hatte, man wird ein zweites Mal getauft.
Die großartigen Solisten waren Michael Volle als Amfortas, Günther Groissböck als Titurel, Georg Zeppenfeld als Gurnemanz, Stephen Gould als Parsifal, Derek Welton als Klingsor und Petra Lang als Kundry. Alle Herren im Frack, Amfortas und Parsifal im Gehrock, Kundry und Blumenmädchen im Abendkleid – typisch für konzertante Aufführungen. Nur im Hintergrund wurden verschiedene Bilder eingeblendet, vor denen die Protagonisten in minimalistischem Spiel agierten.
Trotz fehlendem Bühnenbild und ohne Kostüme entstand eine intensive Atmosphäre der Handlung. Dieses wurde noch einmal unterstrichen durch die herausragende Leistung der Solisten, alle haben sich ausgezeichnet durch eine gute Textverständlichkeit und hohe Kondition bis zur letzten Note.
Am Ende war kurz absolute Stille – dann brach das Publikum im Festspielhaus in einen gefühlt 20-minütigen Applausrausch aus. Mit stehenden Ovationen, rhythmischem Klatschen, donnerndem Fußgetrampel und Bravo-Rufen wurden die Solisten, der Chor, das Orchester und Herr Thielemann gefeiert.
Erschöpft und mit einem Gänsehaut-Feeling verließ ich das Festspielhaus und bin mir sicher, Herr Thielemann ist der beste Wagner-Dirigent und so einen „Parsifal“ werde ich wohl nie wieder erleben.
Olaf Barthier, 11. August 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Lieber Herr Barthier,
ich habe Thielemann mit Parsifal in Wien erlebt: da war T. noch kein „Parsifal-Dirigent“ wie Kna, Eschenbach oder Levine. Trotzdem Kompliment zu Ihrer Kritik !