Konzerthaus Freiburg, 10. April 2018
Dmitri Schostakowitsch Festouvertüre op. 96
Jan Järvlepp Garbage Concerto
Ernest John Moeran Sinfonie in g-Moll
Philharmonisches Orchester Freiburg
Dirigent Simon Gaudenz
Solisten Tilmann Collmer
Alexander Lang
Klaus Motzet
Thomas-Anton Varga
von Leah Biebert
So unterschiedlich klingt die Musik des 20. Jahrhunderts! Mit Schostakowitschs Orchesterfeuerwerk, mitreißenden Rhythmen aus Recycling-Müll und einer vom englischen Volkslied beeinflussten Sinfonie bot das Philharmonische Orchester Freiburg am Dienstagabend wieder einmal eine herausragende Leistung, die das Publikum mit angemessenem Beifall bedachte.
In nur wenigen Tagen soll Dmitri Schostakowitsch seine Festouvertüre geschrieben haben. In der Breisgauer Studentenstadt sind kurzfristige Arbeiten keine Seltenheit, doch ist es eher nicht üblich, dass dabei ein solch funkensprühendes Werk entsteht. Das Philharmonische Orchester meisterte den glänzenden Bläsereinsatz mit Bravour. Die schnellen Läufe der Bläser und die flinken Streicher vermochten es, den Hörer mitzunehmen auf eine sechsminütige Achterbahnfahrt, im Crescendo heranpreschend bis hin zum Euphorisch-Triumphalen.
So viel ungewohnter dann aber das Stück Jan Järvlepps: Konservendosen, Farbeimer, Bierflaschen von der lokalen Brauerei. Eine umgedrehte Regentonne. In Warnwesten gekleidet betraten fünf Solisten, Schlagzeuger des Philharmonischen Orchesters, die Bühne. In leuchtenden Farben hoben sie sich von den schwarzgekleideten Orchestermusikern ab, so als hätte man sie direkt von der Straße in den Konzertsaal geholt. Und der Müll auf der Bühne? Der wurde mitnichten getrennt entsorgt. Sondern als Schlagwerk für Järvlepps Garbage Concerto genutzt.
Dumpfe Schläge, helles Klirren: Im Müll-Konzert stand der Rhythmus im Vordergrund. Das Philharmonische Orchester bot eine souveräne Grundlage, auf der sich die Solisten austoben durften. Klopfen, Trommeln, Rasseln, Scheppern: Den Zuschauern machte es sichtlich Spaß, die verschiedenen Klänge des Hausmülls im Konzert zu erkunden und in mitreißenden Rhythmen erleben zu dürfen. Und auch die Solisten wirkten viel eher wie eine Straßencombo, die spontan die vielfältigen musikalischen Möglichkeiten der Haushaltsgegenstände erkundete, inspiriert von afrikanischen und südamerikanischen Rhythmen. Und am Ende des ersten Satzes brachten sie auch noch einen Luftballon zum Platzen.
Aber auch leise Töne vermochten sie den mit Wasser gefüllten Flaschen zu entlocken. Eine tolle Leistung des Orchesters, den Hintergrund so ruhig und verhalten zu gestalten, dass die luftigen Klänge der Flaschen ihre Wirkung entfalten konnten. Unglaublich atmosphärisch gelang der zweite Satz des Garbage Concertos: Schloss man die Augen, so wähnte man sich in tiefster Nacht und vor mal sanftem, mal bedrohlich rauschendem Wind schien eine Turmuhr zu schlagen. Manchmal konnte dem Publikum das Flaschenblasen der Solisten fast ein wenig willkürlich erscheinen. Doch die aufmerksame Konzentration der Schlagzeuger auf ihre Noten sowie auf den Dirigenten Simon Gaudenz verriet, dass sie ganz genau wussten, was sie da taten. Und das wurde vom Publikum mit stürmischen Applaus belohnt.
Noch vor dem letzten Stück stellte sich das 5. Sinfoniekonzert als Erfolg heraus. Ernest John Moerans kontrastreiche Sinfonie in g-Moll hätte es nicht mehr unbedingt gebraucht: Das Freiburger Publikum schien schon nach dem Garbage Concerto voll und ganz zufrieden mit dem Konzertabend. Die Vielseitigkeit des langwierigen Stücks arbeitete das Philharmonische Orchester dennoch bravourös heraus. Melodische Partien wechselten sich ab mit chromatischen Läufen, der statische Charakter wurde abgelöst von treibenden Rhythmen. Dumpfe Paukenschläge begleiteten hell tönende Bläser. Bei leisen Passagen beugte sich Dirigent Gaudenz vor, als würde er lauschen. Dann wieder richtete er sich auf, um der Musik für die breiten Passagen möglichst viel Raum zu geben.
Man könnte das Freiburger Konzertpublikum geradezu verwöhnt nennen, denn jedes Mal begeistert das Philharmonische Orchester mit viel Spiel- und Experimentierfreude sowie einer gesunden Portion Lokalkolorit aufs Neue. Das steckt an: In den nächsten Tagen wird aus den offenen Fenstern der Freiburger Wohnungen sicherlich ganz viel Hausmüll-Musik zu hören sein. Mal eine andere Art des Upcyclings!
Leah Biebert, 11. April 2017, für
klassik-begeistert.de
Foto: Wikipedia