Kent Nagano © Felix Broede
Matinee Elbphilharmonie, 31. Dezember 2023
Silvesterkonzert
Kent Nagano
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Fabian Otten Schlagzeug
Matthias Schurr Schlagzeug
Bundesjugendballett
PROGRAMM
Aziza Sadikova
Vier Stücke für Schlagzeug solo für Dieter Rexroth
- Der Barocke Traum von Bach
- Zeitreise mit Alter Musik
- Der ferne Spiegel von Brahms
- Anklänge an Mozarts Brief
Johann Sebastian Bach
Orchestersuite Nr. 3 D-Dur BWV 1068
Igor Strawinsky
Ragtime
Johann Strauß (Sohn) / Arnold Schönberg
Kaiser-Walzer op. 437
– Pause –
Wolfgang Amadeus Mozart
Sinfonie C-Dur KV 551 »Jupiter«
von Harald Nicolas Stazol
Teil I: Der Morgen:
Wenn um 11.30 MEZ auf der Bühne Adonis, nein, Apoll erscheint, zur „Air“ aus Bachs 3. Orchester Suite, und dann Aphrodite, und einen Pas de deux tanzen, dass man wieder an Engel glaubt, dann geht die Morgensonne auf – es dürfte im Übrigen das erste und einzige Mal sein, dass ein Mann mit freiem Oberkörper in der Ehrwürdigen Elbphilharmonie posiert, aber warten wir mal den Sommer ab (Muscle-Shirt hatte ich schon mal gesichtet).
Man sieht Kent Nagano vor Beginn der Morgengala lachend mit einzelnen Musikern, er erklärt offenbar auch noch einmal, was und wie er es haben möchte, und so ist die Stimmung gelöst, der Geruch von frischem Kaffee duftet durchs Foyer, auch ein früher, eiskalter Champagner perlt hier und dort, es ist Silvester, und das Staatsorchester spielt auf, und tout Hambourg gibt sich ein Stelldichein!
Man beginnt mit einer Uraufführung: „Vier Stücke für Schlagzeug solo für Dieter Rexroth“, der 1978 geborenen Komponistin Aziza Sadikova, und es ist nicht nur höchst erstaunlich, wieviel Schlagwerk es gibt, und wie man es einsetzen kann, dort wird sanft der große Gong leise gestrichen, hier, das Xylophon zärtlich angeschlagen, mit diesen vier Schlägeln, zwei in rechter wie linker Hand dieses trommelnden Virtuosen, die mich immer noch wundernehmen, wie man da auch noch die richtigen Hölzer trifft, tja, wir sprachen ja schon Gaben der Götter.
Dann der Bach, Kent Nagano mit erstaunlichen Geschwindigkeiten, im Wechsel von Violinen, Bratschen und wirklich tollen Trompetern, drei an der Zahl, die ja beim Thomaskantor immer wichtig in Erscheinung, und dann eben: Auftritt der Götter – mir völlige Überraschung, das kleine Mädchen mit Vater neben mir, Mama sitzt hinter uns, – nun, sie weiß es, als kleine Geheimnisträgerin der Saalordner – mich nahm nur die seltsame Anordnung des Orchesterpulkes Wunder, diagonal im 30 Gradwinkel zur Bühne, die ja zur Überraschung des Publikums plötzlich vom Bundesjugendballett auf das Entzückendste von lauter schon brillanter Nachwuchs-Élèven betanzt wird.
Strawinskis wie immer revolutionierende „Ragtime“ etwa versetzt uns choreographisch in ein Speakeasy im East Village der amerikanischen 20er, der obligatorische Kaiser-Walzer in ein moderneres Wien, wahre Freude – und ich wusste nicht, dass man ein Ballett-Fräulein kopfüber in den Armen eines Mannes von rechts nach links über den Saal heben kann, auf Spitze.
Und dazwischen geschnitten die Vier Sätze für Schlagzeug, ein Werk, das ja vom ersten Takt an meine anfängliche Skepsis überwindet, als ich die Uraufführung im Heft sehe, habe ich mal wieder Muffe vor der Moderne.
Heute Morgen völlig unbegründet, das finde ich schön, und ich nehme mir für 2024 vor, vielleicht auch zum spannenden Vergnügen des werten Leserkreises, offener auf Kompositionen des 21. Jahrhunderts zuzugehen, und ihnen zuzuhören.
In der Pause doch recht soigniert, einige Bourgeois doch schon im Smoking, Hamburg weiß eben, was sich gehört, „Kann ich Dir einen Gefallen tun“, fragt mein junger Freund Benjamin hinter der Bar, „gut siehst Du wieder aus!“ – und ich danke, „wollte nur ’nen guten Rutsch wünschen, heute gibt’s noch genügend Schampus! Bist Du heute Abend da?“ Und er schüttelt mit dem Kopf:
Aber ich.
Mozarts „Jupiter“ in Leistung und Durchführung 1 zu 1 zu jener, die Nagano neulich Abend schon dirigierte, ein müheloses Glanzstück im Repertoire des Hamburger Staatsorchesters, das immer wieder erfreuen kann und erfreut. Man darf stolz sein.
Harald Nicolas Stazol, 1. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Maxim Vengerov, Violine, Roustem Saïtkoulov, Klavier Elbphilharmonie, 20. Dezember 2023
Avis Gretes, Dirigent, Francesco Piemontesi, Klavier, NDR EO Elbphilharmonie, 15. Dezember 2023
Klein beleuchtet kurz 6: Teodor Currentzis in der Elphi Elbphilharmonie, 12. Dezember 2023