© Dr. Charles Ritterband
Gran Teatro La Fenice – nach dem verheerenden Brand vor 20 Jahren in einer bis ins allerletzte Detail originalgetreuen Rekonstruktion wiedereröffnet –ist die venezianische Oper zweifellos wieder eines der schönsten Opernhäuser weltweit. Eine Vielzahl von Werken – namentlich aus der Feder von Giuseppe Verdi – wurde in dem prachtvollen Haus uraufgeführt. Mascagnis „Cavalleria rusticana“ (die 1890 in Rom erstmals auf die Bühne kam) gilt als die erste Oper des italienischen „Verismo“; das „Fenice“ brachte den berühmten Einakter in höchster Perfektion – in Musik umgesetzte Leidenschaft pur.
Gran Teatro La Fenice, 27. August 2023
Pietro Mascagni
Cavalleria rusticana
Dirigent: Donato Renzetti
Regie: Italo Nunziata
Bühne und Kostüme: Scuola di Scenografia e Costume dell’Accademia di Belle Arti di Venezia
Orchester und Chor des Teatro La Fenice
Chormeister: Alfonso Caiani
Santuzza: Silvia Beltrami
Lola: Martina Belli
Turiddu: Jean-François Borras
Alfio: Dalibor Jenis
Lucia: Anna Malvasi
von Dr. Charles E. Ritterband
Jean-François Borras in der Rolle des Turiddu zu hören ist ein Erlebnis, das man so schnell nicht wieder vergisst: Der französische Sänger Borras gilt als einer der führenden Spinto-Tenöre unserer Zeit und dieses Urteil ist kaum zu hoch gegriffen. Er mobilisiert Kraft und Leidenschaft, und zugleich feinste Subtilität und tenoralen Schmelz.
Ebenfalls in der Spinto-Kategorie zuzurechnen ist die hervorragende, aus Rom stammende Mezzosopranistin Silvia Beltrami als berührende Santuzza – ihre Stimme faszinierte mit vollem, weichem Klang. Der slowakische Bariton Dalibor Jenis gab einen überragenden Alfio mit sonorer Stimme, die in Mantua geborene Mezzosopranistin Anna Malvasi verkörperte glaubhaft Turiddus Mutter Lucia und als dritte Mezzosopranistin überzeugte die italienische Sängerin Martina Belli als verführerische Lola.
Das Orchester des Fenice unter dem namhaften italienischen Dirigenten Donato Renzetti entwickelte einen gewaltigen, herrlichen Sound, gegen den die Sängerinnen und Sänger bisweilen geradezu anzukämpfen hatten. Auch hier: Leidenschaft und Präzision. Der Chor entfaltete beeindruckende Musikalität. Für mich war dies zweifellos die musikalisch mit Abstand beste Aufführung, die ich je im „Fenice“ erleben durfte.
Das ausdrucksstarke Bühnenbild (Scuola di Scenografia e Costume dell’Accademia di Belle Arti di Venezia) und die konsequente Regie (Italo Nunziata) beschränkten sich auf unprätentiöse Bilder und die gradlinige Abwicklung der dramatischen Handlung. Die Kulissen sprechen von vergangener Größe, dem Zahn der Zeit, dem unaufhaltsamen Zerfall preisgegeben: Ruinen eines sizilianischen Dorfes als Metaphern für die dem Untergang geweihte Lebenswelt der Protagonisten.
Dr. Charles E. Ritterband, 27. August 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giuseppe Verdi, “I Lombardi alla prima Crociata”, Gran Teatro La Fenice, 5. April 2022
Gaetano Donizetti, L’Elisir d’Amore, Teatro La Fenice, Venezia, 19. Februar 2020