Harish Shankar GMD SH Landestheater/Flensburger Orchester © Neda Navaee
Getreu dem Motto „Klassik begeistert“ gelingt es dem seit der vergangenen Spielzeit als Generalmusikdirektor des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters und Sinfonieorchesters wirkenden Dirigenten Harish Shankar, mit seinem Flensburger Orchester ein prägnantes künstlerisches Profil zu entwickeln.
Flensburg, 4. Oktober 2025
von Marc Rhode
Die Besucherzahlen bei den Sinfoniekonzerten im Deutschen Haus steigen seit Shankars Amtsantritt stetig an. Das klingt phänomenal, zumal andernorts das Publikum schwindet, doch Shankar ruht sich auf diesem Erfolg nicht aus. Das Orchester spielt nicht nur in Flensburg, sondern bringt sinfonische Erlebnisse in zahlreiche Gemeinden des nördlichsten Bundeslandes, darunter Schleswig, Rendsburg, Husum, Heide, Neumünster, Itzehoe und Brunsbüttel.
Bislang bleiben immer noch so viele Plätze frei, dass Harish Shankar noch mehr Menschen in die Konzerte locken möchte. Dafür hofft der Dirigent, dass Besucher noch stärker im Bekanntenkreis von ihren Erlebnissen erzählen, denn dies sei die beste Werbung, die man sich wünschen könne.
Programme mit eigener Handschrift
Am meisten reizt den GMD an seiner ersten leitenden Tätigkeit, dass er die Programme selbst konzipieren kann. Zuvor war er unter anderem Chordirektor am Theater Regensburg, 1. Kapellmeister am Meininger Staatstheater, am Theater und Philharmonischen Orchester Vorpommern sowie Hausdirigent des Malaysian Philharmonic Orchestra. International erarbeitete er sich einen Namen durch Auftritte mit renommierten Klangkörpern wie dem Royal Philharmonic Orchestra, dem BBC Scottish Symphony Orchestra, den Düsseldorfer Symphonikern oder dem Orchestre Philharmonique Royal de Liège. Auch im Opernfach ist er breit aufgestellt mit Engagements von Carmen bis Così fan tutte. 2015 zählte er zu den Preisträgern des International Jorma Panula Conducting Competition.
Klassik trifft Moderne
Das Konzertprogramm zeigt, dass moderne Musik und Ästhetik keine Gegensätze sind. So überzeugt die aktuelle Spielzeit durch eine Mischung aus vertrauten Klassikern und spannenden Neuentdeckungen. Schon die Eröffnung Mitte Oktober mit Lili Boulangers „Trois morceaux“, die Oliver Korte für Orchester bearbeitete, setzt einen Akzent: Heute schenkt man der Sensibilität dieser früh verstorbenen Komponistin mehr Aufmerksamkeit denn je. Mit Jasdeep Singh Deguns Sitar-Konzert taucht das Orchester in einen Klangkosmos zwischen indischer Tradition und westlicher Orchesterkultur ein, bevor Rachmaninows zweite Sinfonie als spätromantischer Höhepunkt emotionale Wucht entfaltet.
Im Laufe der Saison bringt das Orchester Werke wie Valerie Colemans „Umoja“, Nina Shekhars „Lumina“ oder Judith Weirs „Still, Glowing“ auf die Bühne und lässt das Publikum die Klangsprache junger Amerikanerinnen erleben. Dem gegenüber stehen Meisterwerke wie Mozarts Klarinettenkonzert, Dvořáks Cellokonzert oder Sibelius’ zweite Sinfonie.
Interkulturelle Perspektiven und Auftragswerke
Shankar möchte nicht nur Karl Schmidt und Petra Müller mit seinen Konzerten begeistern und setzt dabei bewusst auf kulturellen Austausch: Mit Ulvi Cemal Erkins Suite „Köçekçe“ erklingt im April türkische Folklore im sinfonischen Gewand, Peter Klohmanns „Identigration?“ befasst sich zeitgenössisch mit Fragen von Identität. Dabei mischt der Komponist Klassik, Jazz mit indischen Einflüssen sowie Disco- und Funk-Sounds. Tschaikowskys „Pathétique“ fügt eine dramatische Facette hinzu, während die Kooperation mit dem Sønderjyllands Symfoniorkester aus dem benachbarten dänischen Sonderburg im Juni große sinfonische Traditionen aufgreift. Neben Wagner und Mahler wird hier auch „Schelomo“ von Ernest Bloch zu hören sein. Eine besondere Note bringen zudem im Mai die Auftragswerke von Steven Tanoto, die er eigens für das Schleswig-Holsteinische Sinfonieorchester komponierte.
Zum Schluss der Saison darf das Publikum in einer Abstimmung spielerisch mitentscheiden, ob Brahms’ zweite Sinfonie, Schumanns „Rheinische“ oder Rimski-Korsakows „Scheherazade“ erklingt – so entsteht Nähe zu den Konzertbesuchern.
Werke von Frauen im Fokus
Auffällig ist der hohe Anteil weiblicher Komponistinnen: Lili Boulanger, Valerie Coleman, Nina Shekhar, Judith Weir, Emilie Mayer, Dora Pejačević und Johanna-Leonore Dahlhoff decken ein breites Spektrum von historischen bis zu zeitgenössischen Werken ab. Damit rückt das Programm gezielt Frauen ins Zentrum und eröffnet neue Perspektiven auf Klang und Orchestertradition.
Dialog statt Ausgrenzung
Mit seinem Programm, in dem er russische Komponisten bewusst nicht streicht, und in dem der israelische Chordirektor Avishay Shalom zum Chanukka-Fest ein Konzert dirigieren wird, setzt Harish Shankar in Flensburg auf die versöhnende Kraft des künstlerischen Dialogs. Musik spricht bekanntlich eine universelle Sprache, und jeder versteht sie.
Neben all diesen Aktivitäten ist der Dirigent als GMD natürlich auch noch für die musikalische Seite des Musiktheaters verantwortlich und liebt es, in seiner Freizeit zu kochen.
Marc Rohde, 4. Oktober 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at