Sollte es tatsächlich noch Leser geben, die keine Melchior-Einspielungen besitzen, sei diesen angeraten, sich schnellstens eine zuzulegen. Eine der legendären Aufnahmen des Tristan mit Kirsten Flagstad ist Pflicht!
von Ulrich Poser (Text und Fotos)
Der Autor ist gerade mit der Bahn auf dem Weg zu einem Konzert von Frank Zappas Sohn nach Kopenhagen. Unweigerlich denkt der Wagnernarr da an Lauritz Melchior, den am 20. März 1890 in Kopenhagen geborenen Heldentenor.
Melchior begann seine sängerische Laufbahn als Bariton, wechselte früh ins Tenorfach und sang 1918 seinen ersten Tannhäuser. In der New Yorker Met war er später ständiger Artist in Residence; von 1926 bis 1950! Zwischen 1935 und 1941 gab er dort zusammen mit Kirsten Flagstad 48 Mal Tristan und Isolde.
Selbstverständlich war Melchior auch gern und oft gesehener Gast bei den Bayreuther Festspielen; Siegfried Wagner war ein guter Freund Melchiors.
Es stellt sich die Frage, was das Besondere und Einmalige an Melchiors Stimme ist, die bis zum heutigen Tage fasziniert, restlos begeistert und überwältigt. Zum einen hat er, der ehemalige Bariton, ein dunkles Timbre, von dem stetig eine aktive oder passive latente Bedrohung ausgeht. Genau richtig für Wagners Helden, die es ja nicht immer einfach haben. Dazu kommt eine niemals bei anderen Sängern gehörte Mühelosigkeit. Er bewältigt jede Partie mit gefühlten 50 Prozent seines Materials, so dass man an mancher Stelle meinen könnte, er singe nicht Wagner, sondern Schlager. Und wenn Meister Melchior gelegentlich auf 60 bis 70 Prozent seiner Reserven zurückgreift, gleicht dies einem göttlichen tenoralen Donnergrollen in höchster Perfektion.
Dazu kommt, dass Melchior mit einer gehörigen Portion Herzblut sang, die sich mit den vorab genannten Kriterien zu einer einzigartigen Magie verdichtet, die man bei allen anderen Sängern vergeblich sucht.
Sollte es tatsächlich noch Leser geben, die keine Melchior-Einspielungen besitzen, sei diesen angeraten, sich schnellstens eine zuzulegen. Eine der legendären Aufnahmen des Tristan mit Kirsten Flagstad ist Pflicht!
Ulrich Poser, 27. November 2019, für
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Der Franke Ulrich Poser, Jahrgang 1962, lebt in Hamburg und bezeichnet sich selbst als „musikverrückt“; im Laufe der Jahre hat er sich eine formidable Schallplatten- und CD-Sammlung mit einigen tausend Sammlerstücken zugelegt, die zum Bedauern seiner Ehefrau nahezu täglich erweitert wird. Im Symphonischen Chor Hamburg (als Bass) und in einer Rockband (als Sänger, Gitarrist und Keyboarder) ist Ulrich Poser darüber hinaus selbst als aktiver Musiker unterwegs.
Ulrich ist seit 1996 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 2009 Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Er ist Geschäftsführer der Veranstaltungsrechtskanzlei Poser und Inhaber der auf die Veranstaltungsbranche spezialisierten Seminarfirma Poser-Seminare sowie Vorsitzender und Justiziar des Berufsverbandes Der Veranstaltungsberater e.V.
Der ausgesprochene Wagnernarr besucht seit 1988 nahezu jedes Jahr den Grünen Hügel in Bayreuth.
Sie haben Lauritz Melchior vermutlich oft live erlebt, oder?
Hans-Jürgen Mende