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All denjenigen Klassikliebhabern, die große Erzähler wie Wagner, Verdi, Puccini und Purcell lieben, sei hiermit also ans Herz gelegt, einmal über den klassischen Tellerrand hinauszublicken und Gesamtkunstwerke aus den Bereichen Pop, Rock und Jazz zuzulassen.
von Ulrich Poser
Es gibt einerseits Liebhaber klassischer Musik. Die hören klassische Musik (die GEMA spricht dabei völlig unverständlicher Weise von „ernster“ Musik) und sonst nichts. Fragt man solche Menschen nach Rock, Pop oder Jazz, offenbaren sich Ablehnung und absolute Ahnungslosigkeit. Man wiegelt ab: „Nein danke, doch nicht so etwas…“
Auf der anderen Seite existieren Liebhaber von Musik, bei denen die Liebe zur Musik genreübergreifend ist. In diesen Kreisen hört man klassische Musik ebenso wie Pop, Rock oder Jazz. Eben alles, was für den jeweiligen Hörer „gut“ ist. Es soll sogar Menschen geben, die – wie zum Beispiel der Autor – manche Schlager gut finden.
Schon mehrfach wurden die leicht erkennbaren Zusammenhänge und Gemeinsamkeiten von wagnerschen Kompositionen und Heavy Metal erörtert. Es gibt über dieses Thema sogar einen Film. Wer den Trauermarsch der „Götterdämmerung“ kennt, den verwundert es nicht, dass Richard Wagner als Erfinder des E-Gitarrensounds gilt. Diejenigen, die den übergroßen Wagnerbass kennen, zu spielen von zwei Musikern, werden dieser gewagten These vorbehaltlos zustimmen.
In beiden Genres werden mehr oder weniger abstruse, zusammenhängende Geschichten erzählt (Stichwort Konzeptalbum), welche durch epische Kompositionen musikalisch untermauert und zu einem Ganzen verbunden werden. Musikalisch, dramatisch und theatralisch bewegt man sich hier meist auf hohem Niveau. Richard Wagner nannte das seinerzeit Gesamtkunstwerk und nahm dabei und nebenbei das Kino vorweg.
All denjenigen Klassikliebhabern, die große Erzähler wie Wagner, Verdi, Puccini und Purcell lieben, sei hiermit also ans Herz gelegt, einmal über den klassischen Tellerrand hinauszublicken und Gesamtkunstwerke aus den Bereichen Pop, Rock und Jazz zuzulassen.
Nachfolgend werden 5 solcher „unernsten“ Geniestreiche empfohlen, für die gilt: 5 records you have to listen to before you die.
1. Genesis: Selling England By The Pound. Der Progrock-Klassiker schlechthin. Wunderbarer Melodienreichtum mit den noch vereinten Koryphäen Phil Collins und Peter Gabriel. Anspieltipp: The Cinema Show.
2. Miles Davis: Kind of blue. Der genialste und coolste Bebop-Jazz aller Zeiten. Jeder Kommentar überflüssig. Anspieltipp: So What?
3. Frank Zappa: Joe’s Garage (parts 1-3): Für diejenigen, die ein richtig gutes „Musical“ hören wollen. Zappas Meisterwerk aus den Spätsiebzigern. Muss man ganz hören.
4. Rush: Hemispheres. Musikalisch geniales Konzeptalbum der kanadischen Progrocker. Leider verstarb deren grandioser Schlagzeuger Neil Peart (einer der weltbesten Drummer aller Zeiten) letzte Woche an den Folgen einer Krebserkrankung. Anspieltipp: The Trees.
5. Jethro Tull: Heavy Horses. Die Pferde-LP des flötenden Rattenfängers gehört zu seinen besten Werken. Wunderbar atmosphärische Songs irgendwo zwischen Mittelalter, Fantasy und englischem Landadel. Aufgenommen zu einer Zeit, als er noch singen konnte. Anspieltipp: Heavy Horses.
Ulrich Poser, 13. Januar 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at