Salome in der Kölner Philharmonie – kann das gutgehen?

Richard Strauss, Salome op. 54, konzertante Aufführung  Kölner Philharmonie, 6. September 2025

Cristian Măcelaru © Thomas Brill

Die Salome von Richard Strauss, 1905, nach Oscar Wilde ist eines jener Werke, die etwa so berüchtigt wie berühmt sind. Bis heute gilt sie als eines der skandalösten Dramen, die Strauss hinterlassen hat. So fiel die geplante Uraufführung in Wien sogar der Zensur zum Opfer. Mittlerweile hat die Salome sich im Opernbetrieb aber so gefestigt, dass sie bis heute über tausend Mal weltweit aufgeführt wurde; sicherlich auch, weil der Stoff um die Tochter der Herodias diverse weitere Künstler inspirierte. Heute also erklingt sie in der Kölner Philharmonie; ganz ohne Regie, ohne Bühnenbild aber mit minimaler Interpretation. Kann das überhaupt gelingen?

Richard Strauss – Salome op. 54, Musikdrama in einem Aufzug – konzertante Aufführung

WDR Sinfonieorchester
Cristian Măcelaru, Dirigent

Tristan Braun, Konzertante Einrichtung

Jennifer Holloway, Sopran (Salome)
Iain Paterson, Bariton (Jochanaan)
Tanja Ariane Baumgartner, Mezzosopran (Herodias)
Gerhard Siegel, Tenor (Herodes)
Oleksiy Palchykov, Tenor (Narraboth)

Kölner Philharmonie, 6. September 2025

von Daniel Janz

Auch ohne Bühnenbild gibt es viel Emotion

Vorneweg: Diese Aufführung ist wohl eine der größten Leistungen, die das WDR Sinfonieorchester zuletzt vollbracht hat. Getragen vom vollherzigen Klang der Strauss’schen Partitur entfaltet diese Musik einen Sog, der geradezu berauscht. Eingekleidet in teils mächtige Ausbrüche, teils lyrische Kleinode ergießt sich hier der Abgrund tiefster Lustfantasien, ohne dass eine stümperhaft egozentrische Regie dies kaputt macht.
Heute steht einmal die Musik selbst im Vordergrund und nicht das Ego eines so genannten „Interpreten“. Diese Musik reicht völlig aus, um zu ergreifen. Kein Wunder, dass das in Stehenden Ovationen mit vielen Bravo-Rufen endet.

Dem Orchester kann man also einen großartigen Erfolg attestieren. Ob die in allen Registern fabelhaften Streicher, die präsenten und lebhaften Bläser, das tosende Blech oder die subtil spielenden Harfen, Celesta und Orgel: das waren heute durch die Bank weg gute bis sehr gute Leistungen. Und das die einzige Regie aus einer dezenten Beleuchtung besteht, rückt diese Leistung umso mehr in den Vordergrund.

Foto: WDR / Tillmann Franzen

Bei der Leitung wird es wechselhafter. Der mittlerweile das Amt des Chefdirigenten räumende Cristian Măcelaru (45) demonstriert auch heute, warum seine Amtszeit beim WDR insgesamt durchwachsen war. Oft stimmt die Balance im Hinblick auf den Gesang nicht. Das Orchester ist unter ihm zwar laut und kräftig, deckt mit mächtigen Blechstößen und brachialem Schlagzeuggetöse aber die Sänger zu oft zu. Das Moment des Schreckens gelingt dadurch. Diese Musik hat aber auch einfühlsame, reizvolle Moment. Zum Beispiel, als Salome versucht, Jochanaan zu verführen. Hier poltert es unter Măcelaru oft zu ruppig durch, sodass sich der Rezensent wenig ergriffen fühlt.

Die Gesangsleistungen reichen von routiniert bis fabelhaft

Unter diesem Eindruck erscheinen auch die Gesangsleistungen. Bei Jennifer Holloway, die die Salome singt, entsteht zunächst der Eindruck, dass sie nicht richtig in die Rolle hineinfindet. So schreit sie zu Beginn den Text mit wenig Gefühl und schlechter Verständlichkeit von der Tribüne in den Saal hinaus, steigert sich im Verlauf des Abends aber erheblich in der Darstellung der inneren Abgründe ihrer Figur. Bereits als der Rest der Handlung vor das Orchester verlegt wird, gelingt es ihr, die Durchtriebenheit der Salome zu verkörpern und in ihren Gesang zu legen. Und das wahnsinnige Element am Ende der Oper glaubt man ihrer hier schauerlich schönen Stimme ohne Weiteres. Insgesamt also eine Leistung, die Potenzial offenbart.

Jennifer Holloway © Arielle Doneson

Auch Gerhard Siegel und Tanja Ariane Baumgartner, die Herodes und Herodias singen, erscheinen solide, wenn auch routiniert. Gerhard Siegel singt und spielt seine Rolle voller Facetten sehr verschmitzt und impulsiv. Das hat teilweise etwas unerwartet Komisches, ist aber vielleicht auch so gewollt? Tanja Ariane Baumgartner wiederum singt ihre Rolle solide und mit Ausdruck, wirkt in der Personifizierung der Herodias allerdings etwas kühl. Auch hier wieder die Frage, ob das gewollt war. Das Publikum feiert am Ende beide mit tosendem Applaus.

Gerhard Siegel © gerhardsiegel.com

Bestleistung des Abends ist der würdevoll tragende Gesang von Iain Paterson. Seine Verkörperung des Jochanaan ist nicht nur textlich gut verständlich. Mit seinem Gesang drückt er auch die verschiedenen Stimmungen seiner Figur passgenau aus. Ob die Würde seiner Gottesbotschaft, das Angewiderte, als Salome sich ihm anbiedert oder den Fluch, den er im Zorn über sie spricht – das alles ist Musikgenuss.

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Dieser Glanzleistung fügt sich auch die Leistung von Oleksiy Palchykov an. Seine Personifizierung von Narraboth hat Charakter und sein Gesang Strahlkraft. Sei es, als er zunächst den Schmeicheleien der Salome zu widerstehen versucht, nur um ihr dann zu erliegen, oder als er sie anfleht, mit ihm wegzugehen, nachdem er sie zu Jochanaan geführt hat. Ergänzt von Bianca Andrew, deren mahnender Gesang die beste Leistung einer Sängerin heute Abend darstellt, kann das verzücken.

Auch sonst sind die Nebenrollen gelungen besetzt und überzeugen mindestens so sehr, wie es die Hauptrollen tun. Artyom Wasnetsov und Artur Janda geben stattliche und willensstark singende Soldaten ab.

Thomas Ebenstein, Michael Smallwood, Christophe Poncet de Solages, Peter Kirk und David Oštrek hauchen ihren Rollen als streitsüchtige Juden richtig Leben ein und Liam James Karal sowie William Socolof bleiben als Nazarener im Hintergrund, halten ihre Rolle aber würdevoll und integer.

In Summe ergeben sie alle zusammen eine Salome, die konzertant mindestens so gut funktioniert, wie in einem Opernhaus, wenn nicht besser.

Bei solch scharfem Fokus auf die Musik und die Figuren kann auch moderne Oper Spaß machen und vielleicht sogar junges Publikum gewinnen.

Für die neue Saison gibt das jedenfalls einen gelungenen Einstand ab, dem hoffentlich noch viele weitere spannende Vorstellungen folgen.

Daniel Janz, 7. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Das Konzert kann auf YouTube unter folgendem Link nacherlebt werden:
https://www.youtube.com/watch?v=0ilRxEORdfY&t=334s

Richard Strauss, Salome CineStar – METROPOLIS-Kino Frankfurt, 17. Mai 2025

Richard Strauss, Salome Wiener Staatsoper, 5. April 2025

Richard Strauss, Salome Opéra Bastille, Paris, 28. Mai 2024

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