Der „Ring“ ist vollendet und grandios gelungen – Teil 1

Richard Wagner (1813 – 1883), „Der Ring des Nibelungen“ – Teil 1  Opernhaus Zürich, 18., 20., 24. und 26. Mai 2024

Foto © Monika Rittershaus

Der letzte Zyklus einer der derzeit besten „Ring“-Aufführungen ging in Zürich bis Ende Mai über die Bühne und über die Bildschirme – dank Streaming. Die Theater-Zuschauer waren sich weitgehend einig, nicht enden wollender Applaus zollte allen Beteiligten Dank für dieses „Wunder an der Limmat“! So geht Wagner!

Richard Wagner (1813 – 1883)
„Der Ring des Nibelungen“

In deutscher Sprache mit Übertiteln. Libretto vom Komponisten

Uraufführung 1876 in Bayreuth

Opernhaus Zürich, 18., 20., 24. und 26. Mai 2024


von Dr. Bianca M. Gerlich

Völlige Dunkelheit – sogar im Orchestergraben – zu Beginn des „Rheingolds“ bleibt der Vorhang noch geschlossen. Ein magischer Moment! Die leer drehende Bühne wird zu den ersten sich aufbauenden Akkorden gezeigt, ist dann wieder am Ende der „Götterdämmerung“ zu sehen. Wie es begonnen hat, so endet es.

Was für einen „Ring“ haben wir da erleben dürfen!

„Vollendet das ewige Werk“ – tönt voller Stolz Göttervater Wotan im „Rheingold“. Selbiges können Andreas Homoki (Inszenierung) und Gianandrea Noseda (Musikalische Leitung) von sich geben, die „Baumeister“ des Zürcher Rings. Was im April 2022 mit dem „Rheingold“ begann und im November 2023 mit der „Götterdämmerung“ vollendet wurde, fand jüngst im Mai 2024 in zwei Zyklen seinen krönenden Abschluss.

Der zweite Zyklus wurde live gestreamt und kann noch bis zum 15. Juni 2024 auf der Homepage der Oper Zürich angeschaut werden, am Ende des Jahres soll der „Ring“ auf DVD/Blu-ray erscheinen. Auch wenn es aufschlussreich ist, Mimik und Gestik der Handelnden zu studieren, kann man es nicht mit der Magie einer Aufführung im Theater vergleichen.

Gerade die in diesem „Ring“ so reichlich hervorgerufenen Emotionen schwappten im Theater überreichlich über den Bühnenrand, am Bildschirm kann man es aber zumindest erahnen.

Ich habe nicht nur den zweiten Zyklus im Theater gesehen, sondern auch zuvor mehrmals „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ 2023 und 2024.

Selten, ja eigentlich nie, habe ich persönlich so einen perfekten „Ring“ gesehen.  Perfekt, weil er sich so dicht an Wagners Werk hält und dabei doch auch sinnig deutet und gute Regie-Einfälle zeigt, vor allem eine sehr intensive Personenführung. Viele Ideen ergänzten den „Ring“. So holt das Waldvöglein – der Vogel als Mittler zwischen den Lebenden und Toten – die Verstorbenen und Abgetretenen wie Fafner, Mime und Erda ab und bringt sie in eine andere Welt. Die Götter und ihre verwandten Wesen haben wirklich Supermächte, wie oft demonstriert wird. Wotan verwendet seinen Speer nur dann, wenn es um Macht und Verträge geht, sonst verzichtet er darauf und nimmt einen Knüppel als Wanderstock. Ich könnte noch mehr aufzählen.

Wagner verstand sich eigentlich als Dramatiker, der seine Werke mit Musik untermalen wollte. In Zürich wusste man diesen oft schwierigen Text mit dem richtigen Sinn zu füllen und damit den eigentlichen Inhalt des Werks mit all seiner Hintergründigkeit zu transportieren.

Nehmen wir zum Beispiel Christopher Purves als Alberich: Wie wunderbar er diesen Alberich singt und spielt! Gleich in der ersten Szene erzeugt er Grunzlaute nebst seinem Gesang, dass jedem Zuschauer deutlich wird, wie sehr es ihm nach den Rheintöchtern gelüstet. Es geht ihm von vornherein um Lust, und der Liebe zu entsagen ist für diesen Alberich dann auch gar nicht so schwer. Da verzichtet der Sänger zugunsten dieser Darstellung schon mal auf einen schönen Ton. Wichtig ist der Inhalt.

So wie Purves gestalteten die meisten Sänger und Sängerinnen im „Ring“ ihre Rollen, und das machte diese Aufführung so besonders. Da steckten ein intensives Arbeiten und Auseinandersetzen von Seiten der Regie mit dem Werk dahinter. Natürlich wirkte sich hierbei vorteilhaft aus, dass Wotan-Sänger Tomasz Konieczny auch Schauspiel studiert hat. Gesanglich war er noch besser als im Vorjahr, sein Wotan ist ihm im Mai in allen drei Werken mit Bravour – und guter Wortverständlichkeit! – gelungen.

Opernhaus Zürich/Ring, Schlussapplaus © MG

Im „Rheingold“ brillierte Matthias Klink als Loge. Seine Rolle erinnerte an Johnny Depps Captain Sparrow und ist der Dreh- und Angelpunkt im „Rheingold“. Am Ende darf er sogar schon das Feuer in die Götterburg werfen, schon hier weiß der Zuschauer, was ihm am Ende des „Rings“ erwartet. Besonders gefallen hat mir auch Gesang und Darstellung von Claudia Mahnke, neu besetzt als Fricka in 2024 – sowohl in „Rheingold“ als auch in „Walküre“.

In der „Walküre“ war ein sehr homogenes und souveränes Sänger-Team zu erleben: Eric Cutler (Siegmund), Daniela Köhler (Sieglinde) und Christof Fischesser (Hunding) füllten vortrefflich ihre Rollen mit erstklassigem Gesang und gelungener Darstellung, nicht überzogen und daher sehr glaubhaft. Auch das Walküren-Ensemble harmonierte gesanglich und hatte sichtbar Spaß am Helden-Jagen. Das war vielleicht die einzige Trübung bei diesem „Ring“, denn es wirkte albern, da diese Helden in Nachthemden mit kleinen Holzschwertern wie Witzfiguren aussahen.

In der „Walküre“ tritt erstmals Brünnhilde auf den Plan, besetzt mit der wunderbaren Camilla Nylund.

Dazu und mehr in Teil 2 meiner Kritik am 15. Juni 2024, hier auf klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at.

Dr. Bianca M. Gerlich, 14. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Am 18., 20., 24. und 26. Mai wurden die Vorstellungen live aus dem Opernhaus auf diese Website übertragen und sind nun noch bis zum 15. Juni 2024  kostenlos als Video-on-Demand erhältlich. 

Sa 18. Mai 2024, 19.00 Das Rheingold –> Zum Video-on-Demand
Mo 20. Mai 2024, 16.00 Die Walküre –> Zum Video-on-Demand
Fr 24. Mai 2024, 17.30 Siegfried –> Zum Video-on-Demand
So 26. Mai 2024, 16.00 Götterdämmerung –> Zum Video-on-Demand
Kostenloses Video-on-Demand bis 15. Juni 2024

Richard Wagner, Götterdämmerung Opernhaus Zürich, 5. November 2023

Siegfried, WWV 86C, Musik und Libretto Richard Wagner Oper Zürich, 5. März 2023

 

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