Die Bühnenbesetzung ist sehr durchwachsen.
Foto: Staatsoper Hamburg (c)
Hamburgische Staatsoper, 30. Oktober 2018
Richard Wagner, Das Rheingold
von Sarah Schnoor
Da geht Wagner-Liebhabern das Herz auf. Endlich gibt es wieder einen „Ring“ in der Hansestadt. Die Staatsoper Hamburg lässt gleich zwei Zyklen des „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner spielen, allerdings in unterschiedlicher Besetzung und mit beträchtlichem Zeitabstand zwischen den „Ring“-Teilen.
Vor zehn Jahren inszenierte Claus Guth die vier Wagner-Abende in Hamburg. Er spielt mit der psychologischen Verfasstheit der Figuren und starken Lichtfarben. Diese „Ring“-Welt ist nur eine Modelllandschaft, mit der die Götter ihr Spiel treiben. Die Rheintöchter sind feixende Mädchen in einem überdimensionierten Bett, die den buhlenden Alberich in ihre Kissenschlacht verwickeln. Hat er den Schwestern das Rheingold erst mal gestohlen, zieht er sich in den Heizungskeller der Modellwelt zurück und mimt von dort aus den grausamen Herrscher.
„Tief ist der Brunnen der Vergangenheit.“ Mit diesen Worten beschrieb Thomas Mann, immer der von Wagner inspirierte Autor, das Uranfängliche. Ein waberndes Kontra-Es steigt aus dem Graben, der Vorabend zum Ring nimmt seinen Anfang.
In diese düster-ernstliche Stimmung mischt sich der Klang der Wellen, der Vorhang geht auf und die Rheintöchter verstecken sich unter der Bettdecke. Die Sopranistinnen Katharina Konradi (Woglinde) und Ida Aldrian (Wellgunde) und die Mezzosopranistin Nadezhda Karyazina (Flosshilde) sind drei stimmlich überzeugende Schwestern. Sie bilden ein wohlklingendes, starkes Trio. Alberich, gesungen vom Bassbariton Werner Van Mechelen, erscheint mit einem Hochdruckreiniger auf dem Rücken und stößt auf die schönen Frauen. Er will auch mitspielen, wird aber mit Füßen und Wasserpistolen immer wieder zurückgestoßen. Verärgert denkt er sich, wenn er die Rheintöchter nicht haben kann, dann wenigstens das Gold, was sie hüten. „Nur wer der Minne Macht entsagt…“, singt Katharina Konradi gewinnend liebevoll und eröffnet Alberich damit den Weg zur Macht.
Das Philharmonische Staatsorchester ist an diesem Abend eine Freude. Unter der Leitung von Kent Nagano spielt das Orchester kontrastreich und mutig. Mächtige Passagen werden durch vollen Einsatz vom Blech getragen, aber auch die kammermusikalischen Momente gelingen. Dagegen ist die Bühnenbesetzung sehr durchwachsen.
Eine herrlich warme und doch bestimmte Fricka verkörpert die Sopranistin Katja Pieweck und überstrahlt den eher harmlos wirkenden Wotan (James Rutherford) stimmlich und im Spiel. Rutherford singt an diesem Abend einen eher kopfigen, wenig göttlich-sonoren Wotan, allerdings mit sehr guter Aussprache. Eines ist sofort klar: diese Fricka beherrscht ihren Mann, rührt in seinem Tee herum und weist ihn zurecht.
Das Dreiergespann Fasolt (Tigran Martirossian), Fafner (Alexander Roslavets) und Freia (Vida Mikneviciute) ist solide, aber nicht überzeugend. Tigran Martirossians Bass klingt gedeckelt und einfarbig. Auch das Spiel der meisten Darsteller bleibt eher unbeholfen in dieser laienschauspiel-ähnlichen Szenerie. Ausnahmen sind Jürgen Sacher als geschickter Loge, der Zaubertricks ausführend die gesamte Bühne bespielt und die als niedliche Jungs inszenierten Donner (Kay Stiefermann) und Froh (Oleksiy Palchykov).
Die absoluten Highlights des Abends sind die Brüder Alberich und Mime. Der Tenor Jörg Schneiders singt herrlich klar und sticht sofort heraus. Auch sein Bühnenbruder Werner Van Mechelen ist unglaublich deutlich in seiner Deklamation. Dieser Alberich hat Charisma. Van Mechelen beherrscht alle Facetten seiner Stimme – von kraftvollem Ausdruck bis zum lyrischen Wohlklang. Doch dies nützt ihm nichts. Von Loge ausgetrickst, von Wotan seines Ringes und damit seiner Macht beraubt, verflucht er verzweifelt den Ring. Die Dinge nehmen ihren Lauf, und der Vorabend geht mit einem starken Bild zu Ende. Während sich die Götterriege im tief-orangefarbenen Hintergrund feiert, steht Loge mit einer Lohe in der Hand mahnend am Bühnenrand. Die vorausschauenden Worte der Ur-Walla hallen nach: „Ein düst’rer Tag dämmert den Göttern: dir rat‘ ich, meide den Ring!“.
Die mächtige Musik verklingt langsam, der Vorhang geht zu: Applaus. Nun heißt es elf Tage warten, bis Wagners Opern-Tetralogie fortgesetzt wird.
Musikalische Leitung: Kent Nagano
Inszenierung: Claus Guth
Wotan: James Rutherford
Donner: Kay Stiefermann
Froh: Oleksiy Palchykov
Loge: Jürgen Sacher
Alberich: Werner Van Mechelen
Mime: Jörg Schneider
Fasolt: Tigran Martirossian
Fafner: Alexander Roslavets
Fricka: Katja Pieweck
Freia: Vida Mikneviciute
Erda: Doris Soffel
Woglinde: Katharina Konradi
Wellgunde: Ida Aldrian
Flosshilde: Nadezhda Karyazina
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Sarah Schnoor, 31. Oktober 2018, für
klassik-begeistert.de
,,,,,,,,,,,,,,,,,,,bei der Erda: Doris Soffel: Da wäre ich auf den Kommentar gespannt gewesen!!
Bernd Volmer
Lieber Herr Volmer,
herzlichen Dank für Ihren Hinweis. Ich war auch in der Vorführung. Die Leistung von Doris Soffel als Erda war unterirdisch.
Fehler ohne Ende, das Timbre brüchig und unangenehm. Es gibt und gab so viele wunderbare, anrührende Erda-Darbietungen – auch in der Staatsoper Hamburg haben schon wunderbare Erdas gesungen. Diese Erda war am 30. Oktober 2018 einfach zum Weglaufen.
Genauso schlecht an jenem Abend war die Leistung von Jürgen Sacher als Loge. Ich habe in ca. 50 Rheingold-Vorführungen noch nie so einen schlechten Loge gehört. Es gab Tonabweichungen von mehr als einer Note. Bei 30 Fehlern habe ich aufgehört zu zählen. Das Timbre war genauso unangenehm, die Stimme nicht frisch und präsent. Auch andere klassik-affine Menschen, die gut hören können und in der Vorstellung waren, waren von den Leistungen der Frau Soffel und des Herrn Sacher entsetzt.
Mit herzlichen Grüßen
Andreas Schmidt
Herausgeber
klassik-begeistert.de
Da bin ich mit der Meinung über Frau Soffels Erda ja nicht alleine.
An den kommenden „Siegfried“ mag ich nicht denken. Ich kann da das Besetzungsbüro nicht verstehen.
Wenigstens Marga Höffgen kann ich von der CD hören. Welche Stimme!!
H.B. Volmer
Ich habe die gestrige Aufführung gesehen und mich vorher wohlweislich von jeglichen Kritiken ferngehalten, um unvoreingenommen in die Vorstellung zu gehen. Ich kann mich heute Ihrer Kritik uneingeschränkt anschließen. Mir ist Mime mit seinem besonderen Anspruch der Noten aufgefallen. Ich war erschüttert über Erda. Hat diese Frau eine Geschichte mit der Hamburger Staatsoper, dass man an ihr nicht vorbei kam?
Ich freue mich trotzdem auf die 3 weiteren Abende. Hoffentlich wickelt dann nicht wieder ein Banause neben mitten in der Ouvertüre seinen Bonbon aus. Herzlichst,
I.E.
Von Kritiken sollte man sich – zumindest vor einem Besuch einer Vorstellung – sowieso fernhalten. Ich lese nie Kritiken, bevor ich in eine Vorstellung gehe und auch nicht bevor ich eine schreibe. Warum? Jeder sollte unbefangen, offen wie ein kleines Kind, die Oper besuchen. Und jeder sollte sich seine eigene Meinung bilden.
Denn jeder achtet auf andere Dinge: Gesang, Dramatik, Schauspiel, Orchester, Dirigent, Inszenierung, Bühnenbild, Gefühle etc. Alles beim Besuch einer einzigen Vorstellung unter einen Hut zu bekommen, ist sowieso sehr schwierig. Deshalb wird vermutlich so gerne über Inszenierungen gesprochen – meistens gelästert. Denn das scheint den Leuten am leichtesten zu fallen.
Und in den meisten Fällen unterscheiden sich die Meinungen sowieso: Die einen sind begeistert, die anderen weniger. So viel zum Thema Objektivität – die ist nur bedingt möglich. Erstens nimmt jede Person, den ganzen vorhergehenden Tagesablauf mit in die Oper: Hat man schlecht geschlafen, Krach mit der Frau, Stress, Trauer oder bin ich entspannt, verliebt und glücklich. Dann spielt es eine große Rolle, wo ich im Theater sitze: Der Klang des Orchesters und auch die Sicht unterscheiden sich extrem, je nachdem wo man sitzt. Klar: Singt oder spielt einer durchgehend falsch, dann hört man das von allen Plätzen. Aber das war’s schon.
Nach einer Vorstellung Kritiken zu lesen, ergibt meines Erachtens viel mehr Sinn und macht mehr Spaß: Hat derjenige das auch so gesehen, gehört oder empfunden? Liege ich mit meiner Meinung völlig daneben oder teilen andere meine Meinung? Obwohl es im Grunde irrelevant ist, ob andere meine Meinung teilen. Stehe ich mit einer Meinung jedoch regelmäßig alleine auf weiter Flur, dann wird es natürlich Zeit zu reflektieren.
Bei einigen Kritiken, denke ich mir auch: Der Kritiker kann nicht richtig zugehört haben – und das dürfte auch öfters vorkommen als man denkt. Ich sehe in der Staatsoper regelmäßig Personen auf Presse-Plätzen sitzen, die sich furchtbar langweilen, sich ständig genervt hin- und herdrehen, fauchen, mit dem Handy spielen, und manche verlassen das Opernhaus überhaupt schon vor dem letzten Akt – so erlebt bei „Les Troyens“ am 4. November. Möglicherweise hat der Herr die Pressekarte auch nur geschenkt bekommen – aber warum geht er in die Oper, wenn es ihn nicht interessiert?!?
Egal. Bilden Sie sich Ihre Meinung immer selbst! Und lassen Sie sich auch nicht reinreden. Das eigene Empfinden ist immer das richtige!
Jürgen Pathy