Die Meistersinger von Nürnberg 2025 (c) Enrico Nawrath
Eine Nachlese – Bayreuther Meistersinger
Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg
Premiere am 25. Juli 2025, Bayreuther Festspiele
Den Video-Livestream der Festspiel-Premiere können Sie noch bis 31.12.2025, 23:56 Uhr, in der ARD Mediathek hier erleben!
von Kirsten Liese
Die meisten Kritiker sind sich einig: Davids Inszenierung von Wagners „Meistersinger“ erscheint ihnen ohne politische Deutung zu harmlos und belanglos, einige sind sogar der Meinung, man solle sich bei diesem Stück unbehaglich fühlen.
Dem möchte ich widersprechen, mit grundsätzlichen Gedanken zur Rezeption dieses Stücks, zu dem ich mich als einer meiner Lieblingsopern bekenne.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich ist die Rezeption dieser Oper im Nationalsozialismus und deren Vereinnahmung des Stücks für ihre Propaganda ein höchst unrühmliches Kapitel. Dem haben sich allerdings über Jahrzehnte zahlreiche Regisseure verschrieben, und nicht nur Barrie Kosky, dessen Vorgängerproduktion nun noch einmal zahlreiche Kollegen in den Himmel heben, sondern zum Beispiel auch Peter Konwitschny (Hamburg), Christof Nels (Frankfurt), Thomas Langhoff (München) oder Katharina Wagner und viele andere.
Den zeitlosen menschlichen Konflikten der Oper wird aber nicht gerecht, wer sie nur auf diesen politischen Aspekt herunterbricht, abgesehen davon, dass auch die szenischen Umsetzungsmöglichkeiten längst ausgeschöpft sind.
Eine Prügelfuge als Pogrom haben wir ebenso schon gesehen wie eine Unterbrechung der Oper an den vier Worten, die viele kaum mehr über die Lippen bringen „was deutsch und echt“. Aber irgendwann laufen sich solche Inszenierungen tot. Dann braucht es wieder einen anderen Ansatz. Und dann sollte man sich auf das Stück selbst wieder einmal besinnen. Und die herrliche Musik genießen dürfen ohne beklommene Gefühle.
Hans Sachs ist doch mitnichten ein übler Nationalist, als den ihn viele sehen wollen, sondern eine Persönlichkeit, die Größe zeigt wie selten eine Männerfigur in der Oper. Denn permanent – und so spielt ihn der grandiose Georg Zeppenfeld in Bayreuth – hält er seine eigenen quälerischen Gefühle in Schach, um nicht selbstsüchtig als der deutlich Ältere Evas Zukunft mit einem jüngeren Mann im Wege zu stehen. Er reißt sich am Riemen, sie nicht an sich zu binden, wo doch die Chancen für ihn gar nicht so schlecht stünden. Und genau dieser Zerrissenheit gibt Zeppenfeld Raum. Wie sehr sein Sachs im Augenblick des Abschieds leidet, mit Eifersucht ringt, sich angestrengt von seinem Begehren loseisen muss, fast mit Tränen kämpft und seinen Frust körperlich loswird – alle Achtung, das könnte ein Schauspieler nicht eindrücklicher darstellen.
Umso mehr wundert mich die pauschale Einschätzung, Davids habe das Stück „lustig“ inszeniert. Was ist bitte schön daran lustig? Gewiss, Beckmesser wirkt witzig in seinem Auftreten, aber das ist in Libretto und Partitur so fixiert und in jeder halbwegs guten Inszenierung so, das sind keine Einfälle des Regisseurs. Noch nicht einmal für die finale Disneyland-Festwiese erscheint mir das Wort lustig treffend, es ist quietschbunt, knallig, kitschig und reiflich albern, aber lustig?
Eines stimmt natürlich: Das kitschige Bild mit der Plastikkuh passt nicht recht zu einer Oper, schon gar nicht zu dieser, sondern entspricht dem Charakter einer Show, Revue oder eines Musicals. Aber ganz ehrlich: den Nürnberger Reichsparteitag oder eine Grabesgruft mit Totentanz will ich auch nicht noch einmal sehen. Nebenbei gesagt, verschenken Matthias Davids und sein Bühnenbildner die große Chance, ihre szenische Konzeption konsequent zu Ende zu führen.
Nur wenigen scheint aufgefallen zu sein, dass die Bühne im ersten Akt vom Festspielhaus selbst inspiriert ist, um genauer zu sagen, von dessen Saal, seinen harten Klappstühlen, den kugeligen Lampen und sogar von der hölzernen steilen Treppe, die Zuschauer zur Türe VI erklimmen müssen, die ganz oben sitzen. All das sieht man gespiegelt auf der Bühne, wenn auch nicht eins zu eins so doch in deutlich erkennbaren Ansätzen.
Insofern hätte es sich angeboten, für die Festwiese den Grünen Hügel selbst nachzubilden, das hätte viel schöner ausgesehen und das Konzept abgerundet. Aber Bayreuth ist ja bekannt für seinen Werkstattcharakter.
Im kommenden Jubiläumsjahr stehen die „Meistersinger“ zwar nicht auf dem Programm, aber umso mehr Zeit gewinnt das Team für 2027, in diese Richtung doch vielleicht weiterzudenken.
Kirsten Liese, 27. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Eröffnung II, Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg Bayreuther Festspiele, 25. Juli 2025