Das Theater Bonn eröffnet seine Opernsaison mit der Oper “Die Meistersinger von Nürnberg” von Richard Wagner. Dabei nutzt der Regisseur Aron Stiehl die Gelegenheit der Premiere am “Tag der Deutschen Einheit”, um an die vielen deutschen Meister aller Richtungen zu erinnern. Musikalisch gelingt unter der Leitung von Dirk Kaftan ein großer Abend, wobei der Sixtus Beckmesser von Joachim Goltz alle anderen Sänger überragt. An diesem 3. Oktober ist dies vielleicht (ungewollt) ein besonderes Zeichen, da das beckmesserische Nörgeln und Kritisieren an jedem und allem momentan in Deutschland die Überhand zu ergreifen scheint.
Richard Wagner
DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
Oper in drei Aufzügen
Libretto des Komponisten
Musikalische Leitung Dirk Kaftan
Inszenierung Aron Stiehl
Bühne & Kostüme Timo Dentler & Okarina Peter
Beethoven Orchester Bonn
Chor und Extrachor des Theater Bonn (Einstudierung: André Kellinghaus)
Theater Bonn, Opernhaus Bonn, 3. Oktober 2024
von Jean-Nico Schambourg
Das Theater Bonn eröffnet seine Opernsaison von Richard Wagners “Meistersinger”. Im ersten Moment sind die Zuschauer geschockt, denn noch vor dem Anfang der Ouvertüre wird auf einer Leinwand das goldene Hakenkreuz über der Haupttribüne des Zeppelinfeldes in Nürnberg und dessen Sprengung gezeigt. Bekommt man jetzt wieder einen abgenutzten politischen Schinken aufgetischt? Dann… Beruhigung: Nein! Der Zuschauer kann sich auf die Musik und die Handlung auf der Bühne konzentrieren. Die Sprengung ist der Startschuss in eine neue Zeit, auch wenn hier und da noch Anzeichen der alten und leider auch heutigen faschistischen Sippschaft auftauchen.
Der Regisseur Aron Stiehl verlegt die Handlung des ganzen Abends in einen Theatersaal der Zeit der Fünfziger-/Anfang Sechzigerjahre (Bühne und Kostüme von Timo Dentler und Okarina Peter). Der Saal läßt sich je nach Bedarf verkleinern oder vergrößern. So wandelt sich der Raum vom Probesaal über Schusterhaus zum Festsaal einer Bonner Karnevalssitzung, in die Aron Stiehl die Schlussszene verlegt.
Wie schon vorher angedeutet gibt es einige politischen Aussagen, die dezent, aber sehr klug und vielaussagend in die Inszenierung eingeflochten sind. Bei der Prügelei am Ende des 2. Aktes zeigt der Regisseur, wie aus den Karnevals Umzügen bekannt, riesige Pappköpfe heutiger faschistisch-populistischer Politiker (Putin, Trump, Meloni, Le Pen, Höcker, Weidel), als klare Aussage, dass es Ziel derer Politik ist, Unruhe und Zwist zwischen Menschen zu sähen. Hans Sachs steht dabei abseits der Bühne und sieht dieser Szene entsetzt zu. Zu Beginn der ersten Szene des dritten Aktes sitzt Sachs tief versunken und noch immer verschreckt vor einem der Pappköpfe. Man sieht einen Menschen aus dem Volk, der im Gegensatz zu den vielen leicht beeinflussbaren Stumpfsinnigen Kultur und Verstand hat, um sich seine Gedanken über sein Umfeld zu machen.
Beeindruckend die Schlussszene des Abends: Nach der Schlussansprache von Hans Sachs “Verachtet mir die Meister nicht”, strömt der Chor in den Zuschauersaal und jeder Sänger hält bei den Worten “Ehrt eure deutschen Meister”, ein Pappkarton hoch mit dem Namen eben eines dieser großen deutschen Meisters aller Gattungen. Am “Tag der Deutschen Einheit” fand ich das als Nicht-Deutscher ein ausdrucksvolles Zeichen, da ansonsten die “deutsche Identität” eigentlich nur bei Fußballspielen öffentlich gezeigt wird.
Musikalisch sind auch viele Meister am Gelingen dieses Abends mitbeteiligt. Tobias Schabel gibt einen sehr menschlichen Sachs. Seine in der Höhe manchmal etwas hohl klingenden Stimme passt sehr gut zu seiner Interpretation, die seinen Sachs mehr als nachdenklichen Schuster denn als romantischen Poet zeigt.
Bei seiner Bewerbung als Meistersinger im ersten Akt klingt die Stimme von Mirko Roschkowski in der Höhe ein wenig gepresst. Im Laufe des Abends bekommt er seinen Tenor allerdings voll in den Griff und singt mit schlanker, liedhafter Stimme einen jugendlich trotzigen, verliebten Stolzing.
Anna Princeva singt mit prächtigem Sopran eine jugendliche Eva, die im Verlauf des Abends wegen den Umständen sich zu einer erwachsenen, emanzipierten Frau entwickelt. Soll sie anfangs nur einfach schnell “verheiratet werden”, so bestimmt sie im Laufe des Abends, wen sie zum Manne nehmen wird. Diese Entwicklung kann man in dem stimmlichen Ausdruck der Sopranistin sehr schön verfolgen.
Pavel Kudinov singt mit warmem Bass die Rolle des Veith Pogner. Manuel Günther ist mit sicherem Tenor schauspielerisch und sängerisch ein quirliger David, Dshamilja Kaiser mit rundem Mezzo eine luxuriöse Magdalena. Alle anderen Sänger (Meister, Nachtwächter, Lehrbuben) verdienen ebenfalls großes Lob.
Dieses muss auch auf den Chor und Extrachor des Theater Bonn ausgeweitet werden (Einstudierung: André Kellinghaus), der kraftvoll und klangschön Wagners Musik wiedergibt. Im Orchestergraben waltet Dirk Kaftan mit Brio über die musikalische Wiedergabe. Das Orchester klingt präzise wie aus einem Guss.
Das Publikum ist am Schluss von der Aufführung begeistert und spendet allen Teilnehmern großen Applaus.
Jean Nico Schambourg, 5. Oktober 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at