„Oper auf diesem Niveau kann man leider nicht alle Tage haben.“
Livestream aus dem Nationaltheater, 13. Mai 2021
Richard Wagner, Die Walküre
Konzertanter 1. Aufzug mit Jonas Kaufmann, Lise Davidsen und Georg Zeppenfeld in der Bayerischen Staatsoper, München
Jonas Kaufmann Siegmund
Lise Davidsen Sieglinde (Foto ©)
Georg Zeppenfeld Hunding
Asher Fisch Dirigent
von Peter Sommeregger
Für das erste Konzert während der Pandemie vor reduziertem Publikum wählte die Bayerische Staatsoper den ersten Akt der „Walküre“ von Richard Wagner, der nicht selten in dieser Form separat aufgeführt wird. Es ist wohl der genialste Opernakt der gesamten Tetralogie. Das Zusammenspiel der drei Protagonisten kann – wie an diesem Abend – ein ungeheures Spannungsfeld erzeugen. Das Haus hatte dafür eine Traumbesetzung aufgeboten, die auch hielt, was die Papierform versprach. Schon der Auftrittsapplaus für Orchester und Solisten ließ erahnen, wie sehr das Publikum ausgehungert nach Live-Musik war.
Alle drei Sänger verfügen über reiche stimmliche Mittel, der Abend hätte also durchaus zu einer sehr lauten Veranstaltung werden können. Der Dirigent Asher Fisch und die Sänger wählten aber einen ganz anderen Weg: Man ließ die Spannung sich langsam entwickeln, das Zwiegespräch des Zwillingspaares war anfangs noch von Scheu und Zurückhaltung geprägt, was große Steigerungsmomente ermöglichte. Offenbar hatte man sich zu einer sehr lyrischen Version verabredet, was dem Stück die oft vermisste Intimität bewahrte.
Speziell Jonas Kaufmann als Siegmund nahm sich anfangs sehr zurück, stellenweise verfiel er beinahe in Sprechgesang, artikulierte aber sehr textverständlich und kostete die Nuancen seiner Rolle aus. Passend zur Zuspitzung der Handlung schaltete er aber in den heldentenoralen Modus um. Dass ihm für den Schwertmonolog und die gefürchteten Wälse-Rufe nicht mehr ganz der frische Strahl seiner früheren Aufnahmen zur Verfügung steht, tritt hinter seiner sehr ausgewogenen reifen Leistung zurück. Bravo!
Georg Zeppenfeld als Hunding holt aus der negativen Figur alles nur Mögliche an Bedrohlichkeit und Kälte heraus. Obwohl kein wirklich „schwarzer“ Bass flößt er Furcht und Unbehagen ein. Bravo!
Der Shooting-Star der letzten Jahre, die Norwegerin Lise Davidsen, wurde als Sieglinde erneut allen hohen Erwartungen mehr als gerecht. Ihr runder, dunkel timbrierter Sopran strahlt in allen Lagen souverän und verfügt im Timbre über eine Fülle individueller Farben. Da glüht etwas in dieser Stimme, das an ihre Landfrau Kirsten Flagstad erinnert, und mit Spannung erwartet man die weitere Entwicklung dieser Ausnahmekünstlerin. Brava!!!
Asher Fisch setzte mit seiner lyrischen Interpretation einen deutlichen Akzent, entwickelte dann aber die Steigerung zum Ende hin zielstrebig.
Ein hingerissenes Publikum war erst durch je eine Zugabe der drei Sänger zu befriedigen, die Asher Fisch am Flügel begleitete.
Es war ein Abend der Sonderklasse, nicht nur wegen der Hoffnung, zur Normalität zurückzufinden. Oper auf diesem Niveau kann man leider nicht alle Tage haben.
Peter Sommeregger, 13. Mai 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Frau Lange hört zu (23): Kurkonzert mit Schwiegermutter-Schmeichler
Ergänzend zu Lise Davidsen: Ihre Stimme entfaltet sich am schönsten im hohen Fortebereich, beim leisen Gesang wird die Stimme etwas nasal und die tiefen Töne, die die Sieglinde auch benötigt, sind leider überhaupt nicht da. Da Opernfans aber sowieso nur an den hohen Tönen interessiert sind, hat das natürlich niemanden gestört. Die Brünnhilde wird wohl viel eher ihre Partie werden. Etwas mehr Wortdeutlichkeit wäre auch wünschenswert; war auch bei den Beethoven-Liedern auffällig. Und wenn sich Zeppenfeld endlich abgewöhnen würde, statt EI ein EU zu singen, dann würde er nicht mehr, wie hier und im „Parsifal“, mit „heulen“ statt „heilen“ für unfreiwillige Komik sorgen. Das hat er nämlich nicht verdient.
Simon Mortena
Ein treffender Kommentar. Aber das eu-ei-Problem ist mir bisher bei Zeppenfeld noch nicht aufgefallen, und ich hatte ihn bestimmt schon ein Dutzend Mal in Bayreuth.
Das wenige was mir in dieser Aufführung gefehlt hat, konnte ich 1983 in Luzern erleben:
Die Protagonisten: Wiener Philharmoniker unter Lorin Maazel gestalteten die echte Spannung in dieser „Oper in der Oper“.
James King (damals 58) sang nicht Siegmund – er WAR Siegmund. Auswendig, fehlerfrei, textsicher, lyrisch und heldisch gestaltete er diese Figur, schwang gar am Schluss ein virtuelles Schwert und stellte ein „Wälsungenblut“ in den Raum, das einem noch Minutenlang im Ohr klang.
Éva Marton hatte die tiefen warmen Töne für die Sieglinde.
Aage Haugland konnte dem Hunding sowohl schwarze Tiefe als auch bedrohlich schneidende baritonale Töne geben.
Bis heute ist diese Aufführung für mich nicht zu toppen.
ohne Namen