Guido-Sant’Anna @ cauediniz, https://artemusica-stiftung.de/guido-santanna
Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.
von Dr. Lorenz Kerscher
Auf dem YouTube-Kanal des HR-Sinfonieorchesters stieß ich kürzlich auf eine neue Videoaufnahme der Symphonie espagnole für Solovioline und Orchester von Édouard Lalo. Auch wenn mir der Name des Solisten gänzlich unbekannt war, verlockte es mich doch, dieses packende Violinkonzert wieder mal zu erleben. Es war eine Aufzeichnung vom Eröffnungskonzert des Rheingau-Musikfestivals 2023 im Kloster Eberbach. Der Dirigent Alain Altinoglu arbeitete die Kontraste zwischen dramatischen und poetischen Abschnitten wirkungsvoll heraus und der Solist Guido Sant’Anna beeindruckte mich mit technischer Bewältigung kraftvoller wie auch zarter Passagen und höchster Musikalität.
Lalo: Symphonie espagnole ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Guido Sant’Anna ∙ Alain Altinoglu
Auch die Rezensenten fanden lobende Worte, so etwa Guido Holze in der Frankfurter Allgemeinen:
„Eine Entdeckung war der erst siebzehn Jahre alte Brasilianer Guido Sant’Anna, der als Violinsolist in der Symphonie espagnole op. 21 von Édouard Lalo sein fulminantes Debüt beim Festival gab. […] Sant’Anna bewältigte sie mit einer atemberaubenden Selbstverständlichkeit, wobei er sich mit seinem satten Ton samt schnellem, nicht verunklarenden Vibrato gegen jede Orchesterwucht behauptete und mit seinem klangmächtigen, zum Werkcharakter genau passenden Instrument, einer Violine von Jean Baptiste Vuillaume aus dem neunzehnten Jahrhundert, symbiotisch verband. Der junge Mann hat Ausstrahlung, Bühnenpräsenz und im Spiel eine erstaunliche Reife und Tiefe.“
Tatsächlich spielte der vielversprechende Nachwuchskünstler dieses Konzert vier Tage vor seinem 18. Geburtstag. Geboren wurde Guido Felipe Sant’Anna e Silva laut Angaben des Fritz-Kreisler-Wettbewerbs, bei dem er 2022 den ersten Preis gewann, am 28. Juni 2005 in São Paulo, Brasilien. Er erhielt ab dem Alter von fünf Jahren Violinunterricht und studiert seit 2013 bei Elisa Fukuda, einer international renommierten Konzertsolistin und Kammermusikerin. Schon im Alter von acht Jahren war er Finalist beim Prelúdio-Wettbewerb, der von TV Cultura in São Paulo veranstaltet wird. Als 12-jähriger erbrachte er eine historische Leistung: Als erster Brasilianer wurde er zum Menuhin-Wettbewerb in Genf eingeladen, erreichte das Finale und wurde dort mit dem 6. Preis, dem Publikumspreis und dem Kammermusikpreis ausgezeichnet.
GUIDO SANT’ANNA / Menuhin Competition 2018, Junior finals
So ergab es sich sehr bald, dass er in seinem Heimatland zusammen mit bedeutenden Orchestern große Werke der Konzertliteratur aufführte und etwas später auch in europäischen Ländern, etwa dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Österreich und der Schweiz auftreten konnte. Vieles davon ist auch in Form von Videoaufnahmen in YouTube dokumentiert. Ausgehend von Bach, Vivaldi, Haydn und Mozart entwickelte sich sein Repertoire hin zu den großen romantischen Werken, mit denen er heute beeindruckt. Neben Auszeichnungen, die er in seiner brasilianischen Heimat erzielte, war insbesondere der 1. Preis beim Wiener Fritz-Kreisler-Violinwettbewerb 2022 ein Türöffner zu bedeutenden Spielstätten Europas.
- Preis – Guido Sant’Anna e Silva – Fritz Kreisler Violinwettbewerb, Brahms Violinkonzert
Auch hier staunt man über die technische Beherrschung, den Wohlklang und die Reife der Interpretation. Die Erfolgsgeschichte von Guido Sant’Anna ist seinem jugendlichen Alter entsprechend noch kurz, aber sie ist dabei, sich fortzuschreiben. So führte er im September 2023 bei einer Tournee durch Korea ein Programm mit Sonaten von Tartini, Beethoven und Brahms auf. Und es wurden in jüngster Zeit Tonaufnahmen gemacht, die beim renommierten Label Naxos erscheinen sollen. In einem bin ich mir ganz sicher: man wird mehr von ihm hören!
Dr. Lorenz Kerscher, 2. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Weiterführende Information:
Biografisch sortierte Playlist in Youtube
Dr. Lorenz Kerscher
„Musik ist Beziehungssache,“ so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“