Schumann zeigt uns den Weg zum Paradies

Robert Schumann, Das Paradies und die Peri  Musikverein, Wien, 30. Mai 2025

Laurence Equilbey dirigiert das Orchester Insula und den Chor accentus © Julien Benhamou

Das einzigartige Oratorium Das Paradies und die Peri zeigt den Komponisten auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Unter der Leitung von Laurence Equilbey entstand eine hinreißende, zutiefst berührende Wiedergabe des Werks, eine ideale Synthese von Schumanns Liedkunst und orchestraler Kraft. Das Orchester Insula, der Chor accentus und ein hervorragendes Sängerensemble fanden im großen Saal des Wiener Musikvereins begeisterten Zuspruch.

Robert Schumann
Das Paradies und die Peri

Oratorium für Solostimmen, Chor und Orchester op. 50
Libretto von Emil Flechisg und Robert Schumann, nach Thomas More

Chor: Accentus
Orchester: Insula
Leitung: Laurence Equilbey

Musikverein Wien, 30. Mai 2025

von Dr. Rudi Frühwirth

Der Inhalt des Oratoriums ist rasch erzählt. Nach zwei vergeblichen Versuchen gelangt die Peri, ein himmlischer Geist, der aus dem Paradies verstoßen wurde, wieder in das Ziel ihrer Sehnsucht: das himmlische Eden.  Nicht der letzte Blutstropfen eines gefallenen Jünglings, nicht der letzte Seufzer eines liebenden Mädchens, erst die Träne eines reuigen Sünders erlöst sie aus ihrer Verbannung.

Das Libretto von Emil Flechsig und Robert Schumann beruht auf einer Vorlage des irischen Dichters Thomas Moore. Der Komponist schuf daraus ein Meisterwerk, das den Zuhörer in eine äußerlich exotische, innerlich vertraute Welt entführt, in die Welt der unermüdlichen, aber oft vergeblichen Suche nach dem paradiesischen Zustand des ewigen Glücks.

Die Musik, zu der Schumann durch das Märchen inspiriert wurde, ist von höchstem Einfallsreichtum. Der erste Teil ist von Schlachtenlärm erfüllt, der zweite von rührender Trauer über ein sterbendes Liebespaar, der dritte schließlich von jubelnder Seligkeit über das endlich erreichte Ziel.

Schumanns Symphonien wurden nicht selten für ihre allzu dichte Instrumentierung kritisiert, und prominente Dirigenten haben an den Partituren Retuschen vorgenommen. Das Oratorium ist über solche Vorwürfe erhaben, wie die Wiedergabe durch das von Laurence Equilbey gegründete Orchester Insula eindrücklich bezeugte. Das Klangbild der historischen Instrumente ist von Wärme und Klarheit charakterisiert und erblühte im großen Saal des Musikvereins zu berauschender Pracht. Lediglich die Naturhörner klingen für heutige Ohren in romantischer Musik recht ungewohnt.

Der Orchester- und Chorsatz wie auch die Stimmführung des Sologesangs ist von exquisiter Schönheit. Die Fuge zu den Worten “Denn Heilig ist das Blut” braucht den Vergleich mit den beiden großen Fugen in Brahms’ Deutschem Requiem nicht zu scheuen, und den überwältigend ekstatischen Schluss empfand ich als Vorahnung auf das Ende von Mahlers zweiter Symphonie.

Der Chor spielt in Das Paradies und die Peri eine bedeutende Rolle. Der Chor accentus, ebenfalls von der Dirigentin ins Leben gerufen, bot in der Einstudierung von Albert Horne eine fabelhafte Leistung. Seine gesangliche Exzellenz offenbarte sich nicht nur in den dramatischen Szenen, sondern auch in den beiden Balladen aus Schumanns Feder, die die Dirigentin dem Oratorium hinzugefügt hat. Zu Beginn erklang Die Capelle aus op. 69, mit makelloser Intonation vorgetragen von den Damen des Chores, dem Publikum verborgen, ein bezaubernder Gesang aus einer anderen Sphäre. Der zweite Teil wurde von John Anderson aus op. 67 beschlossen, von accentus wieder meisterlich gesungen.

Die Bühnenfassung im Kulturzentrum La Seine Musicale © Julien Benhamou

Die Produktion aus dem Kulturzentrum La Seine Musicale wurde für das Stammhaus des Orchesters Insula auf der Île Seguin nahe Paris als Bühnenwerk konzipiert. Die Inszenierung von Daniele Kerck muss angesichts der Fotos unglaublich stark gewirkt haben; auf dem Podium des großen Saals war das wohl nicht nachzuempfinden. Großen Eindruck machten mir die von Andrea Schmidt-Futterer entworfenen Kostüme, die sowohl die Zeit Schumanns als auch den orientalisch-religiösen Hintergrund des Märchens heraufbeschworen.

Die erzählende Rolle wird in Das Paradies und die Peri mehreren Personen zugeteilt. Sebastian Kohlhepp in der Maske des Komponisten, Samuel Hasselhorn und Agata Schmidt führten uns durch die Handlung. Kohlhepps strahlender Tenor, Hasselhorns mächtiger Bariton und Schmidts ausdrucksvolle Altstimme überzeugten mit Ausdruck und betörendem Wohlklang. Zu ihnen gesellte sich am Ende der schlanke Sopran von Clara Guillon, die auch das junge Mädchen des zweiten Teils gab. Ihr von der Todeskrankeit gezeichneter Partner war Lancelot Lamotte.

Mandy Fredrich © Steffi Henn

Victoire Bunel, in ein höchst eindrucksvolles schwarzes Kostüm mit schwarzen Flügeln gekleidet, sang den strengen Engel, der der Peri zweimal den Eintritt in das Paradies verweigern muss. Und damit komme ich zur zentralen Person des Sängerensembles, Mandy Fredrich als die Peri. Ihrem weißen Kostüm fehlte einer der beiden Flügel, ein starkes visuelles Symbol ihres Status als gefallener, verstoßener Engel. Sie bewältigte die anspruchsvolle Partie glänzend, besonders beeindruckend im Finale, wo die Peri ihrem Glück mit überschwänglichen Koloraturen musikalischen Ausdruck gibt. Mühelos erreichte Fredrich das hohe C in der rauschhaften Apotheose der erlösten Peri. Durch gezielte Dynamik vermittelte sie die emotionale Reise der Peri und bewies somit stimmliche Präzision wie auch tiefes Textverständnis.

Laurence Equilbey © Irmeli Jung

Dirigentin Laurence Equilbey war die Architektin und das Herzstück der erfolgreichen Wiedergabe von Schumanns großem Werk. Ihre präzise Arbeit mit Orchester und Chor, ihre sensible Leitung der Solistinnen und Solisten und ihr Gespür für die wechselnden musikalischen Stimmungen machten die Aufführung unvergesslich. Das Publikum dankte ihr und allen Mitwirkenden mit stürmischem Applaus und lauten Bravorufen. Ich kann mir nur wünschen, dass Insula und accentus mit ihrer Dirigentin bald wieder nach Wien kommen.

Dr. Rudi Frühwirth, 31. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Robert Schumann, Das Paradies und die Peri, ensemble reflektor, Chor St. Michaelis Elbphilharmonie Hamburg, 10. Juni 2024

Robert Schumann, Das Paradies und die Peri op. 50 Gewandhaus zu Leipzig, 6. Oktober 2022

Robert Schumann, Das Paradies und die Peri, Oratorium, 23. Februar 2022 – Elbphilharmonie

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