Fotos: Dr. Holger Voigt
Inmitten des Großstadttrubels zwischen Weihnachten und Neujahr erklang auf einmal eine vertraute Stimme: René Kollo begeistert in der Laeiszhalle Hamburg
„Romantische Abendlieder“
Veranstalter: Göttlicher Entertainment
René Kollo, Tenor
Jay Alexander, Tenor
Mitteldeutsches Kammerorchester,
Arrangements: René Möckel
Laeiszhalle, Hamburg, 29. Dezember 2022
von Dr. Holger Voigt
In einer Zeit, in der immer mehr Sänger alles Mögliche wegsingen, was ihnen aus kommerziellen Gründen vorgelegt wird und die auf diese Weise kontinuierlich ihre Stimme ruinieren, fallen die Klugen besonders auf. Durch sorgfältige Partienauswahl, die der natürlichen Entwicklung der Stimme angepasst ist, gelingt es ihnen, bis ins hohe Alter auf hohem qualitativen Niveau zu singen. Trotz seiner Rollen- und Genrevielfalt und mörderischer Tristan-Partien in Bayreuth ist die Stimme René Kollos in seinem 85. Lebensjahr fast eine Sensation. Zwar gibt es kleinere Intonationsbrüche, doch dauert es nicht lange, bis das heldentenorale Klangspektrum zu Leben erweckt wird. Hier blitzt dann die gesamte Sängerlaufbahn auf, die nun schon mehr als 60 Jahre umfasst. Der weltbeste Wagner-Tenor der 70er und 80er-Jahre prägte wie kaum ein anderer das Operngeschehen.
Keine Sorge: René Kollo wird nicht auf die Bühne stürmen, um den „heil’gen Speer“ zurückzubringen oder gar die Gralserzählung zu verkünden. Auch wird er seinen Wutausbruch als Tannhäuser angesichts der Bigotterie des Papsttums unausgepackt im Gepäck lassen. Sein Abschied von Bühne und Konzertsaal liegt schon lange Zeit zurück, und doch packt es ihn immer wieder erneut, zu singen. Es ist das überquellende Kulturgut des deutschen Volksliedes – für ihn eine Art „Schlager“ der früheren Zeiten – , das ihn umtreibt. Darum würde uns die ganze Welt beneiden! Klassisch-romantisch, unter Einbezug von Schlaf- und Wiegenliedern – Balsam für die Seelen.
Vor 2 Jahren veröffentlichte er – zusammen mit dem Tenor Jay Alexander und dem Mitteldeutschen Kammerorchester – eine CD „Romantische Abendlieder“, die sich als sehr erfolgreich auf dem Musikmarkt etablieren konnte. Man entschloss sich deshalb, eine Reihe von Liederabenden zu konzipieren, die auch tatsächlich nach der Corona-Pause zustande kam und nunmehr in Hamburg ihr vorletztes Konzert finden sollte.
Wer nun gedacht hätte, diese Liederabende würden den CD-Inhalt 1:1 zur Aufführung bringen, wurde positiv überrascht. Tatsächlich entschloss man sich, zahlreiche Weihnachtslieder zusätzlich zu Gehör zu bringen. Auf diese Weise entstand eine sehr intime, warmherzige Atmosphäre, die geradezu familiäre Züge offenbarte. Gespickt mit einer originellen Moderation seitens des Tenors Jay Alexander und dem Vortrag zahlreicher Gedichte und Anekdoten aus dem persönlichen Leben René Kollos entstand eine einzigartige Mischung aus Liederabend und Rezitation.
Das mitteldeutsche Kammerorchester faszinierte durch sehr ausgefeilte und zu Herzen gehende musikalische Arrangements (René Möckel), die fast alle eigene Programmhöhepunkte darstellten.
Ganz besonders muss hier auch die wunderschöne Tenorstimme Jay Alexanders hervorgehoben werden, die an lyrischem Ausdrucksvermögen nichts zu wünschen übrig ließ. Im Zusammenklang mit René Kollo entstanden unvergessliche konzertante Höhepunkte.
Zum Schluss bedankte sich René Kollo beim Publikum dafür, dass dieses ihn so lange „ausgehalten“ habe, was unmittelbar eine langanhaltende Standing Ovation auslöste. Hier sang jemand wirklich aus Freude am Singen. Möge dieses so bleiben. Danke, René Kollo, für so viel Unvergessliches!
Aus dem Programm:
Franz Schubert: Der Wanderer an den Mond
Robert Schumann: Mondnacht
Franz Schubert: An den Mond
Robert Schumann: Allnächtlich im Traume
Felix Mendelssohn: Der Mond
Johann Schulz: Der Mond ist aufgegangen
Edward Elgar: Chanson de Nuit
Franz Schubert: Wanderers Nachtlied
Robert Schumann: Waldesgespräch
Russisches Volkslied: Abendfrieden
Franz Schubert: Im Abendrot
Felix Mendelssohn: Nachtlied
Johannes Brahms: Wiegenlied
Dr. Holger Voigt, 31. Dezember 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Hamburg Ballett, Dritte Symphonie von Gustav Mahler Staatsoper Hamburg, 19. September 2022
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