Arnold Schönberg: Grünes Selbstportrait, 1910 © Arnold Schönberg Center
Jubiläumsausstellung anlässlich des 150. Geburtstags von
Arnold Schönberg
“… alles, was in der Kunst von höchstem Wert ist, muss sowohl Gefühl als auch Verstand zeigen.” (Arnold Schönberg, 1946)
Ausstellung „Mit Schönberg Liebe hören“ im Arnold Schönberg Center, Wien, vom 29. Mai 2024 – 14. Februar 2025
von Dr. Rudi Frühwirth
Nicht selten wird die Musik Arnold Schönbergs, und ganz besonders seine Zwölfton-Kompositionen, als konstruiert und kühl-rational angesehen.
Die zweite Ausstellung des Jubiläumsjahres im Arnold Schönberg Center will uns eine andere Seite des Meisters zeigen, die des liebenden, leidenden, mitfühlendenden Menschen, dessen Musik durch alle Wandlungen hinweg seelische und emotionale Vorgänge erkundet und hörbar macht.
Die Kuratorin Therese Muxeneder hat aus dem Archiv über hundert musikalische, schriftstellerische und bildnerische Zeugnisse geholt und zu einer interessanten und lehrreichen Schau zusammengestellt.
Zwei zentrale Themen sind die beiden Ehen, die Schönberg eingegangen ist. Seine erste Frau war seit 1901 Mathilde Zemlinsky, die Schwester des Komponisten und Dirigenten Alexander Zemlinsky. Als sie ihn 1908 mit dem Maler Richard Gerstl verließ, stürzte dies Schönberg in eine tiefe Krise, die ihn unter anderem zum Entwurf eines Testaments veranlasste. Anton Webern überredete schließlich Mathilde zurückzukehren, worauf Gerstl sich das Leben nahm.
Die Affaire blieb nicht ohne Einfluss auf Schönbergs musikalisches Schaffen. Im bald nach Gerstls Tod enstandenen Klavierstück op. 11/2 erklingt öfters der höchst dissonante Akkord aus den Tönen d-a-es-g, wobei d/re für Richard steht, a und es für Arnold Schönberg und g für Gerstl.
Auch das Monodram Erwartung und das Drama mit Musik Die glückliche Hand kreisen um die Themen Liebe, Eifersucht und Tod. Dazu zeigt die Ausstellung Tondokumente, Bühnenbildentwürfe und ein Farbcrescendo, das der Komponist für die Uraufführung entworfen hatte.
Mathilde starb 1923 nach schwerer Krankheit, kurz nach Schönbergs
49. Geburtstag. Nur zehn Monate später heiratete Schönberg Gertrud Kolisch, die Schwester seines Schülers Rudolf Kolisch. Die Ehe ist sehr harmonisch verlaufen, wie man aus den Liebesbriefen Schönbergs schließen kann. Einige Schreiben aus der italienischen Schweiz unterschrieb er neckisch mit „Montebello“.
Wie die Ausstellung eindrücklich zeigt, kehrt das Thema Liebe immer wieder in Schönbergs musikalischem Werk, und zwar in vielerlei Schattierungen: schwärmerisch in den frühen Liebesliedern, ekstatisch in der Verklärten Nacht, tragisch in den Gurreliedern und in der symphonischen Dichtung Pelleas und Melisande, exotisch im Buch der hängenden Gärten, an Hysterie grenzend in der Erwartung, heiter in der Oper Von heute auf morgen mit Libretto von Gertrud Schönberg.
Eine ganz abstrakte, unsinnliche Art von Liebe ist schließlich die des auserwählten Volks zu seinem Gott in der Oper Moses und Aron. Die Gegensätzlichkeit der beiden Brüder wird auch an ihrer Art zu lieben anschaulich gemacht: während Aron das Volk als solches liebt und erhalten will, liebt Moses seinen Gedanken und lebt nur für ihn.
Zur Eröffnung der Ausstellung wurden passenderweise Liebeslieder vorgetragen, gesungen von Ted Black, begleitet von Sascha El Mouissi am Klavier: Die Beiden aus dem Jahr 1899, nach einem Gedicht von Hugo von Hofmannsthal, sowie acht Lieder aus dem Buch der hängenden Gärten von Stefan George, komponiert 1908/1909.
Der Eröffnungsabend kann auf YouTube angehört und gesehen werden: https://www.youtube.com/live/496LTRO4urM.
Einen Besuch der Ausstellung kann ich aufs Wärmste empfehlen!
Dr. Rudi Frühwirth, 30. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at