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Unter pechschwarzem Himmel startete das Konzert der Festivaleröffnung; aber weder Publikum noch Künstler ließen sich beirren und es blieb tatsächlich nur bei ein paar Regentropfen. Dafür hörte man ein außergewöhnliches Programm und das letzte Mal betrat Yutaka Sado als Chef der Tonkünstler das Dirigentenpult.
George Gershwin
Konzert für Klavier und Orchester in F
Arnold Schönberg
„Pelleas und Melisande“ Symphonische Dichtung op. 5
Rudolf Buchbinder, Klavier
Tonkünstler Orchester – Niederösterreich
Yutaka Sado, Dirigent
Grafenegg, Wolkenturm, 6. August 2024
von Mag. Herbert Hiess
Gershwins Konzert in F wird allzu selten in Konzerten aufgeführt.
Hier in Grafenegg konnte Rudolf Buchbinder zeigen, dass er in Sachen des amerikanischen Komponisten einiges mitzureden hat.
Das Konzert in F wurde 1925 uraufgeführt – ein Jahr nach der „Rhapsody in Blue“. Gershwin setzte seine „jazzige“ Kompositionsweise fort und im Gegensatz zur Rhapsody packte er jedoch das Werk in eine dreisätzige Form.
Mit einem gewaltigen Paukensolo beginnt das Stück, um immer mehr und öfters in Blues und Jazz einzutauchen. Gershwin ist da sprunghaft; es gibt immer wieder rasche Wechsel der einzelnen Themen – Phrasen werden da nie wirklich ausgekostet im ersten Satz.
Der zweite Satz (Adagio und Andante) ist Jazz pur. Nach der Holzbläserpassage hörte man ein traumhaftes Solo des Trompeters, wo man sich direkt in ein Jazzlokal versetzt fühlt. Und der Pianist machte aus dem ganzen ein begeisterungswürdiges Fest.
Und im dritten Satz brillierten wieder Solist und Orchester im Allegro agitato; phantastisch die Soloinstrumente (vor allem Violine, Bratsche, Cello, Klarinette, Oboe und vor allem Trompete); da ist auch die hervorragende Pauke hervorzuheben. Und der scheidende Chefdirigent Yutaka Sado macht einem da schon seinen Abschied schwer.
Über Rudolf Buchbinder als Solist braucht man nicht viel zu reden; er ist eine Klasse für sich. Auf seinem Steinway holt er immer wieder packende Klänge hervor, wenn auch man sich manchmal noch feinere Nuancen (vor allem im Pianissimobereich) wünschen könnte. Auf jeden Fall war es ein denkwürdiges Gershwin-Konzert.
Nach der Pause kam Arnold Schönberg mit seiner Tondichtung „Pelleas und Melisande“ zu Wort. Dieses Werk ist ein spätromantischer Koloss in der Tradition von Gustav Mahler und Richard Strauss.
Irgendwie kann man sich bildlich vorstellen, wie Schoenberg, Mahler und Strauss auf einer Promenade spazieren gehen, wobei Schoenberg in der Mitte zwischen den anderen Komponisten wandelt. Und beim Hören dieses Werkes hat man das Gefühl, dass Schoenberg hier nicht weiß, an wen er sich orientieren soll und sich immer wieder von einem zum anderen wendet.
Das Werk ist für ein gewaltiges Orchester geschrieben, wobei eigentlich die Fülle der Musiker gar nicht wirklich zur Geltung kommt. Die ca. 45 Minuten plätschern irgendwie dahin. Es ist alles äußerst kunstvoll instrumentiert; trotzdem hat man das Gefühl, es ist total formlos. Dann fallen einmal zwischendurch ein paar schöne Phrasen auf, die aber musikalisch leider nicht „fortgesponnen“ werden.
Instrumentell hat Schoenberg hier alles aufgeboten, was es nur gibt – von Kontrafagott, Altposaune über Englischhorn bis hin zu Tenorposaunen.
Yutaka Sado machte hier mit den Tonkünstlern ein Klangfest und man kann das Orchester insgesamt vor den virtuellen Vorhang bitten. Er wird als Chef trotzdem fehlen, obwohl er niemals konstant war. Aber mit diesem Konzert konnte er einen fulminanten Abschied feiern, wobei das vielleicht mit einem anderen Werk besser gelungen wäre.
Mag. Herbert Hiess, 17. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at