Foto: © NDR / Michael Uphoff
NDR Klassik Open Air
Maschpark Hannover, 11. Juli 2019
Ruggero Leoncavallo, „Der Bajazzo“
Marco Berti: Canio
Aleksandra Kurzak: Nedda
Claudio Sgura: Tonio
Xavier Anduaga: Beppo
Andrzej Filończyk: Silvio
Pietro Mascagni, „Cavalleria rusticana“
Liudmyla Monastyrska: Santuzza
Marco Berti: Turiddu
Tichina Vaughn: Lucia
Claudio Sgura: Alfio
Veta Pilipenko: Lola
Mädchenchor Hannover
Johannes-Brahms-Chor Hannover
Mitglieder des Staatsopernchores Hannover
NDR Radiophilharmonie
Keri-Lynn Wilson: Dirigentin
von Leon Battran
Große Stimmen, große Emotion, große Oper. Braucht es mehr zu einem gelungenen Abend? Oper ist immer ein Erlebnis, auch außerhalb der Oper. Ja, das Erleben von Musik und Theater erscheint umso reichhaltiger, wenn man dabei frische Luft atmen kann. Dass sich das NDR Klassik Open Air in Hannover so großer Beliebtheit erfreut, verwundert daher nicht.
Das Freilicht-Event findet in diesem Jahr zum sechsten Mal in Hannover statt. Erstmals wurden zwei Termine angesetzt. Getreu dem Motto „Oper für alle“ möchte man möglichst viele Menschen vor die Tür locken und für das Genre gewinnen. Auf einer Bühne im Maschpark auf der Südseite des Neuen Rathauses werden zwei Leckerbissen des Verismo geboten: Ruggero Leoncavallos „Der Bajazzo“ und Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“. Beide Werke sind aufgrund ihrer Kürze alleine nicht abendfüllend, werden aber gerne miteinander kombiniert.
Auch wer keine Tickets ergattert hat, muss auf das Spektakel nicht verzichten. Die Aufführung wird auch auf Großbildschirmen im Park gezeigt. Zusätzlich überträgt NDR Kultur live im Radio. Die zweite Aufführung am Samstag wird zeitversetzt auch im NDR Fernsehen zu sehen sein. Viele Zuschauer sind aber trotz des Regenwetters mit Picknick-Decke oder Campingstuhl zum Public Opern-Viewing in den Maschpark gekommen.
Schließlich sind wir im Norden. Und überhaupt ließen die grauen Wolken über der niedersächsischen Landeshauptstadt das Vergnügen an der Musik ungetrübt. Pünktlich zum Beginn des „Bajazzo“ verzog sich der Regen und ließ sich erst später wieder in der „Cavalleria rusticana“ blicken.
Wunderbar aufmerksam und geschmeidig geführt von der Kanadierin Keri-Lynn Wilson zeigte die NDR Radiophilharmonie, dass sie sich auch im Opernsegment zuhause fühlt. Den weitenteils sehr melodiösen Orchestersatz zeichneten die Spieler mit breitem Pinsel. Besonders spürbar war dies in dem bekannten Intermezzo sinfonico aus der „Cavalleria rusticana“. Der komplette Streicherapparat geht unisono, nur schüchtern umspielt von einer akkordischen Begleitung der Harfe. Reine Melodie!
Die Aufführung ist halbszenisch: Die Darsteller interagieren miteinander und bewegen sich auf und vor der Bühne. Oft sind sie mitten unter den Zuschauern, denn der Auftrittsweg führt vom Neuen Rathaus an den Zuschauern vorbei zur Bühne. Die Schauspieltruppe, um die es im „Bajazzo“ geht, fährt im pinkfarbenen VW-Bus vor, der zwischen den Sitzblöcken zum Stehen kommt.
Beide Opern waren herausragend gut besetzt. Die polnische Sopranistin Aleksandra Kurzak sorgte als Nedda in Leoncavallos „Bajazzo“ für reichlich Wirbel und glänzte mit ihrer stimmlichen und darstellerischen Präsenz. Ihr Sopran klang brillant und klar, die Höhen waren stets treffsicher. Besonders schön war ihr Liebesduett mit Andrzej Filończyk als Silvio.
Vom Anfang bis zum Ende zu überzeugen vermochte der italienische Bariton Claudio Sgura. Er verstand es im Handumdrehen, dank seiner mitreißenden Präsenz und seiner sonoren, kernigen Baritonfarbe das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Er verkörperter den Tonio im „Bajazzo“ und den Alfio in der „Cavalleria rusticana“.
An Sguras Seite bestritt auch der Tenor Marco Berti das Operndoppel. Der Italiener gab den Canio („Bajazzo“) sowie den Turiddu („Cavalleria rusticana“). Die italienische Oper ist Bertis Naturell. Sein warmer Tenorschmelz schmeichelt jedem Gehör. Auch er konnte das Publikum überzeugen und Emotionen wecken, so unter anderem in Canios Schlussarie am Ende des ersten Aktes. Dennoch sorgte Berti nicht durchgehend für magische Momente. Zu Beginn wirkte er schlecht eingesungen und sang gelegentlich Töne unsauber an.
Frauenpower ist gefordert in Mascagnis „Cavalleria rusticana“. Neben Veta Pilipenko als Lola und Tichina Vaughn als Lucia beeindruckte vor allem die ukrainische Sopranistin Liudmyla Monastyrska in der Partie der Santuzza. Mit großzügigem Vibrato brachte sie in ihrer Rolle das volle dramatische Vermögen der unschuldig Betrogenen zum Ausdruck. Besonders in der Osterchor-Szene konnte sie den Reichtum und die Spannbreite ihres Soprans präsentieren.
Wie als Reaktion auf die religiös-emphatisch aufgeladene Chorszene setzt nun auch der Regen wieder ein. Vorerst mäßige Unruhe im Publikum. Die Regencapes mit der Aufschrift „Das Beste am Norden“, die vorsorglich ausgegeben wurden, werden übergeworfen. Auch Lola darf unterm Paraplü auftreten, um den Weg zur Bühne trocken zu bewältigen.
Fazit: Ein großes Ja zum Klassik Open Air, am liebsten den ganzen Sommer hindurch. Vielleicht würde dann auch irgendwann das Wetter mitspielen.
Leon Battran, 12. Juli 2019, für
klassik-begeistert.de
Bin seit Jahren Fan von Open-Air-Veranstaltungen im Klassikbereich.Hannover habe ich in diesem Segment bisher nicht bemerkt. War, wie ich ja schon etzt eingestehen muss, ein grober Fehler.
Auch wenn um 1 Jahr verspätet, so möchte ich die ganze „Mannschaft“ doch zu der hervorragenden Aufführung beglückwünschen. Hoffentlich geht die Corona-Pause in diesem Jahr zu Ende und in 2021 gibt es das 8.te Open-Air im Marschpark.
Alles Gute und bleiben Sie gesund
Joachim K. – F. Beringer