Foto: Vida Miknevičiūtė © Martina Pipprich
Ein spannungsgeladener, packender Richard Strauss-Thriller fegt durchs Münchner Nationaltheater, so geht Salome! Musik und Regie reißen das Publikum in die Fluten der Strauss-Dramatik, allen voran Vida Miknevičiūtė und ihre schier endlosen stimmlichen Kräfte in der Titelrolle. Mit dieser Aufführung zeigt die Bayerische Staatsoper, wo der Hammer in der zurzeit hart umkämpften Salome-Szene hängt.
Salome
Musik von Richard Strauss
Libretto von Richard Strauss nach Oscar Wilde
Nationaltheater München, Bayerische Staatsoper, 08. März 2023
von Johannes Karl Fischer
Diese Salome sollte man unbedingt gesehen haben, allein schon wegen Krysztof Warlikowskis packender, mitreißender Inszenierung! Der polnische Regisseur hatte bereits mit seiner Salzburger Elektra für Furore gesorgt, nun wird unter seiner Regie auch die Salome zum Opern-Thriller.
Spannung auf der Stuhlkante von Anfang bis zum Ende. Im szenischen Prolog ist eine alte Aufnahme von Mahlers Kindetotenlieder zu hören, während indessen mysteriöse Gestalten über die Bühne wandern. Ein lautes Pochen an der Haustür wird von einem Wachmann mit gezogener Pistole beantwortet.
Was dann noch mit einer recht harmlosen Szene im blutroten Wohnzimmer des Herodes beginnt, gleitet schnell außer Kontrolle. Die Wohnzimmerwände schweben zur Seite, eine riesige, weiße Bühnenfläche wird zum Mittelpunkt des verrückten Geschehens. Alle beteiligten – darunter auch die zwei Nazarener, beiden Soldaten und fünf Juden – können am Rande der Bühne nur noch zuschauen, wie Macht- und Rachespiele mit Mord und Leichen enden. Sie sind ebenso machtlos gegen diesen blutigen Wahn wie das vollgepackte, begeisterte Publikum.
Solch packende Bilder brauchen eine Armada an ebenso fesselnden Sängerinnen und Sänger. Vida Miknevičiūtė als Salome kitzelt die Spitzentöne, scheint schier endlose stimmliche Kräfte zu haben. Mit hochdramatischem Sopran reißt sie das Publikum in die Fluten der Strauss-Dramatik, skrupellos lässt zu ihrer eigenen Lust den Jochanaan ermorden. Diese Sängerin scheint dabei ebenso viel Spaß an der Rolle wie die Salome an dem körperlosen Kopf ihres Geliebten zu haben!
Gleich von zwei Männern wird sie in dieser knapp zweistündigen Oper begehrt, von ihrem Stiefvater Herodes (Gerhard Siegel) wie vom Hauptmann Narraboth (Evan LeRoy Johnson). Beide Tenöre beweisen sich als Spitze ihres Fachs und jagen hinter der Prinzessin hinterher. Narraboths eher lyrisch-sanfter Timbre – passend zu seinem Charakter – scheitert schon früh an seiner begehrten Salome. Herodes hingegen klammert sich mit voller Dramatik stimmlich und körperlich an seiner Stieftochter bis ans Ende der Geschichte fest.
Als Antagonist dieser Handlung steht der Prophet Jochanaan, von Herodes und seiner Frau Herodias gefangen gehalten. Iain Patersons Prophezeiungen klingen aus seiner tiefen Höhle drohend und düster, leider kann er diese über der Erde nicht ganz so überzeugend durchsetzen. Ganz anders Tanja Ariane Baumgartner als Herodias, die nicht nur szenisch, sondern auch stimmlich zur Strippenzieherin der ganzen Handlung wird. Ihr voluminöser Mezzosopran hat die Macht einer Königin. Kein Wunder, dass ihr Ehemann am Ende machtlos gegen sie – und Salome – dasteht.
Die sehr zahlreichen Nebenrollen sind alle herausragend besetzt, ein leider viel zu selten erfülltes Muss bei Richard Strauss. Vor allem der taiwanesische Tenor Ya-Chung Huang als erster Jude brilliert mit klarem, aber energetischen Gesang. Schon als David (Die Meistersinger von Nürnberg) an der Deutschen Oper Berlin lieferte er eine herausragende Leistung… In dieser Fassung hätte er auch locker den Herodes oder Bacchus (Ariadne auf Naxos) singen können.
Zur Salome gehört aber noch etwas ganz spezifisch Straussiges: ein herausragendes Orchester. Dirigent Constantin Trinks fährt seine Truppe stets auf der Messerspitze, drückt mit der teils brutalen Partitur die SängerInnen fest an ihre stimmlichen Grenzen. Wie eine Motorradfahrt mit 250 Sachen über die Serpentinen des Penserjochs, so muss das sein! An anderen Stellen malt er mit perlenden Flöten und Geigen die schöne Salome musikalisch in den Raum. Eine emotionale Achterbahn, nur um Welten besser als in jedem Vergnügungspark.
Mit dieser Aufführung zeigt die Bayerische Staatsoper, wo der Hammer in der zurzeit hart umkämpften Salome-Szene hängt. Nach einer Neuproduktion in Wien kündigt nun auch Hamburg eine Premiere im Herbst an. Und dann kommt dieser packende Opern-Krimi-Thriller nochmal mit Camilla Nylund in der Titelrolle zu den Münchner Opernfestspielen. Wie sich wohl die gefeierte Brünnhilde und Katerina Izmajlova gegen diese mächtige Konkurrenz behaupten wird? Es bleibt spannend…
Johannes Karl Fischer, 9. März 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Salome Wiener Staatsoper, 2. Februar 2023 Premiere
Salome, Oper von Richard Strauss Theater Lübeck, Musiktheater, 18. November 2022 Premiere
Richard Strauss, Salome Opéra national de Paris, 21. Oktober 2022