Quatuor Danel © Marco Borggreve
Wie für die Quartette des Dmitri Schostakowitsch geboren: Phänomenaler Auftakt des Quartett-Zyklus’ beim Leipziger Festival.
Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) – Streichquartette Nr. 2 op. 68; Nr. 9 op. 117; unvollendetes Streichquartett – Allegretto
Quatuor Danel:
Marc Danel, Violine
Gilles Millet, Violine
Vlad Bogdanas, Viola
Yovan Markovich, Violoncello
Gewandhaus zu Leipzig, Mendelssohn-Saal, 17. Mai 2025
von Brian Cooper, Bonn
Die ersten Schostakowitsch-Erweckungserlebnisse begannen mit Kammermusik. In Köln hörte ich als Jugendlicher das e-Moll-Trio und das achte Streichquartett und war zutiefst ergriffen. Irgendwann stieß ich zu Sinfonien, Konzerten, Filmmusik, Opern und Liedern vor und war vollkommen angefixt. Doch die Streichquartette des Dmitri Schostakowitsch bleiben auch nach Jahrzehnten bei einem, wenn man sich je auf sie eingelassen hat und von ihnen berührt wurde.
Im Bücherregal befinden sich etliche Biographien, und ich hatte das Glück, in Dublin Krzysztof Meyer zu treffen, seinerseits Komponist von Quartetten, dessen Biographie des DSCH zu den unumstrittenen Standardwerken zählt. Gleiches gilt für das Buch der Cellistin Elizabeth Wilson, die ich im April 2000 im irischen Bantry kennenlernen durfte, als sie im Rahmen eines unvergessenen Zyklus mit dem Borodin-Quartett Vorträge hielt und den Cellisten Valentin Berlinsky interviewte, Gründungsmitglied des Quartetts, der den Komponisten noch persönlich kannte.

Ein Vierteljahrhundert später gibt nun das Quatuor Danel einen Zyklus mit allen 15 Streichquartetten und wirklich allem, was es sonst noch gibt, etwa die beiden Stücke für Streichoktett op. 11 (am 18. Mai) sowie hier, im Auftaktkonzert an Tag drei des Festivals, einen unvollendeten Quartettsatz, der möglicherweise als Kopfsatz des 9. Quartetts gedacht war.
Wer dachte, nach der ganzen Sinfonik der Vortage einen ruhigen und beschaulichen Nachmittag zu verbringen, sah sich schnell getäuscht. Mitnichten freilich enttäuscht! Es ist eine kompromisslose Radikalität, mit der die Danels da zu Werke gehen. Und die macht sehr schnell süchtig. Das 2. Streichquartett, mit dem der Zyklus beginnt, ist ein eindrucksvolles „Hier sind wir!“.
Von dieser Formation könnte man zwei Stunden lang Tonleitern hören und verließe beglückt den Mendelssohn-Saal. Das A-Dur des 2. Quartetts strahlt; es ist forsch, aber nicht nassforsch. Die vier hören extrem intensiv aufeinander, zumal in den stürmischen Passagen. Insbesondere Namensgeber Marc Danel geht volles Risiko, etwa im Rezitativ des zweiten Satzes. Die lyrischen Stellen, etwa in der folgenden Romanze, sind beseelt. Der Walzer, con sordino, erklingt radikal, wild, und als schließlich Bratschist Vlad – inzwischen sind wir nämlich gefühlt per Du, denn es sind hochinteressante Freunde zu Gast – das herrliche a-Moll-Thema im Variationssatz intoniert, ist es wohl um jeden Menschen im Saal geschehen.
Auch nach der Pause zeugen etliche verlorene Bogenhaare von dieser Radikalität, die die Danels uns präsentieren. Es geht nicht anders, denkt man; nur so kann man das spielen. Neben der ganzen Schroffheit der Musik gibt es immer wieder herrliche Harmonien im 9. Quartett.
Am Ende des Konzerts gab es völlig zu Recht großen Jubel. Wer Schostakowitsch liebt und sich gern dieses Genre anhört, dürfte lange an diesen Zyklus denken. Merci, chers amis.
Dr. Brian Cooper, 17. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Schostakowitsch Festival I Gewandhaus zu Leipzig, 15. Mai 2025
Schostakowitsch-Festival II Gewandhaus zu Leipzig, Mendelssohn-Saal, 16. Mai 2025
Schostakowitsch-Festival III Gewandhaus zu Leipzig, 16. Mai 2025