Andrew Manze und das Concertgebouworkest wecken den frühen Bruckner zu neuem Leben

Schubert und Bruckner, Koninklijk Concertgebouworkest, Andrew Manze, Dirigent  Concertgebouw Amsterdam, 29. September 2024

Staatsieportret Koninklijk Concertgebouworkest 2018 © SimonVanBoxtel

In Amsterdam beweist sich das Concertgebouworkest als eine Klasse für sich. Gemeinsam  mit Andrew Manze am Pult lassen sie lebendige und farbenfrohe Bruckner-Klänge im Saal resonieren!  Auch ein auf das Dirigatskonto gehender Schubert-Fehlstart konnte den einzigartigen Klang dieses Orchesters nicht bremsen.

Koninklijk Concertgebouworkest
Andrew Manze, Dirigent

Werke von Franz Schubert und Anton Bruckner

Concertgebouw Amsterdam, 29. September 2024

von Johannes Karl Fischer

Allein diese Atmosphäre: Mitten im hektischen Amsterdamer Stadtgebummel – zwischen Straßenbahnhaltestelle und Sitzreihen liegen zwei Fahrstreifen, ein Bürgersteig und ein sehr enger Innengang – stößt man plötzlich auf einen prächtig geschmückten und warm klingenden Konzertsaal. Ein wenig wie im Wohnzimmer, wenn der Dirigent und das Orchester mitten durch die hinteren Publikumsreihen auf die Bühne eilen. 

Nun ja, solche Musik hätte man wohl gerne in seinen eigenen vier Wänden! Vor allem die zweite Sinfonie von Anton Bruckner wurde zu einem wahren Triumphzug der großen Orchesterkunst. Selig wie das Amen in der Kirche – vor einer majestätisch über die Bühne blickenden Orgel auch nicht völlig fehl am Platz – ließ das Concertgebouworkest diese Musik singen, die Melodien in langen Zügen atmen. Man spürte all die innerlichen Emotionen dieser Musik, die vielen Dissonanzen stießen sanft in Herz und Seele.

Und was war das für eine regelrechte 180-Grad-Wende, welche Dirigent Andrew Manze mit Bruckner nach der Pause vollzog! Begonnen hatte das Konzert nämlich mit der vierten Sinfonie von Franz Schubert, nun ja, unter diesem Dirigat ein eher undifferenziertes und einheitlich klingendes Werk.

Sorry, aber da klang einfach der erste wie der letzte Satz, laut kaum von leise, langsam kaum von schnell zu differenzieren. Alles ein bisschen gehetzt und übereifrig, ich wage mich mal ganz vorsichtig an die sehr kritische Beschreibung „ein wenig unmusikalisch“. Ob das mit dem eigentlich viel breiter angelegten Bruckner gut gehen könnte? Nun ja, den wunderbar weichen Klang des Orchesters konnte auch diese wenig überzeugende Orchesterleitung nicht antasten…

Doch glänzte dieser wunderbar prächtige und grenzenlos sauber geputzter Klang dieses Klangkörpers gerade in der majestätischen Spätromantik. Und auch Andrew Manze entdeckte in dieser vom Werk her eher nicht so spektakulären Bruckner-Sinfonie ein breites, buntes Klangfarbenspektrum samt allen feinen musikalischen Facetten. Souverän und mühelos flossen die Cello-Melodien durch den Saal, seidensanfte Hornklänge schwebten in perfekter Harmonie mit blühenden Klarinetten und strahlenden Oboen in der Luft.

Natürlich durfte auch die volle Wucht der Bruckner-Energie an diesem Nachmittag nicht fehlen. Vor allem im Kopfsatz schien der Klang trotz dem für Bruckner-Verhältnisse noch recht moderat besetzten Orchester durch das Publikum regelrecht zu fegen, die Musik in der prächtigen Akustik des Saals perfekt zu resonieren. So einen mächtig bewegenden, trotzdem sanft ins Herz eindringenden Paukenwirbel hat die ganze weite Musikwelt noch nicht gehört, da bekommt diese Musik eine völlig neue Dimension. Die frühen Bruckner-Sinfonie sind per se eigentlich keine Wunderwerke, teilweise langatmig und unspektakulär. Doch Andrew Manze und das Concertgebouworkest wecken in dieser Musik neues Leben und überzeugen so auch die kritischsten Bruckner-Skeptiker!

Schlussapplaus (Foto: JF)

Und das Concertgebouworkest beweist mal wieder seine große Klasse. Nicht nur ging dieser lebendige, farbenfrohe Bruckner tief unter die musikalische Haut, nein, selbst ein eher undifferenziertes Schubert-Dirigat konnte die brennende Begeisterung für diese Musik in diesem Klangkörper nicht bremsen.

Karl Böhm sagte über die Berliner Philharmoniker einst, sie würden ihre musikalische Exzellenz ganz unabhängig des Dirigats bewahren. Dieser haushohen Messlatte der Orchesterwelt steht das Concertgebouworkest um nichts nach!

Johannes Karl Fischer, 29. September 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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