Foto © BR Bayerischer Rundfunk / Franziskus Büscher
In Österreich heißt es in der Mundart „mit Händ’ und Fiaß“. Meine Frau liebt es nicht, wenn ich im besonderen Fall beim Applaus zu trampeln beginne, obwohl es nach Meinung einer ehemaligen Soubrette die höchste Auszeichnung für die Künstlerin oder den Künstler bedeutet.
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Schon die Römer in der Antike hatten in der Zirkusarena eine genau festgelegte Applausordnung. Zunächst wedelten sie mit dem Zipfel der Toga, bei etwas mehr Begeisterung schnippten sie mit den Fingern – und wenn sie völlig aus dem Häuschen waren, dann klatschten sie in die hohlen Hände.

Zur Zeit Beethovens durfte man noch zwischen den Sätzen einer Symphonie klatschen. Es könnte doch der eine Satz gefallen, der andere weniger. Dagegen darf in der Oper nach einer Arie geklatscht und auch gerufen werden.
Wir haben damals verabsäumt die erfahrene Soubrette zu fragen, ob nicht die schönste und vornehmere Auszeichnung die „Standing Ovations“ sind. Wobei im Englischen „standing“ in diesem Fall ausdauernd meint. Im deutschsprachigen Kulturraum wurde dieser Ausdruck zu einer Körperbewegung des Aufstehens, was aber meistens erst zum Schluss der Aufführung als ehrende Verabschiedung geschieht.

Kommen wir zu den Füßen und Beinen zurück. Das Trampeln verfehlt seine Wirkung, wenn es nicht im Einverständnis mit dem Publikum mehrheitlich durchgeführt wird. Bei kleineren Theatersälen konnte ich gelegentlich schon andere Zuschauer mitreißen. Sinnvoll ist diese Art höchstes Lob zu zeigen nur, wenn der Fußboden aus Holz und nicht aus Beton oder mit Textil belegt ist. Ich habe meine Besetzungszettel durchgeschaut, ob ich mich erinnern kann, für welche Sängerinnen und Sänger ich diese Art der Begeisterung gewählt habe. Es sind nicht unbedingt Stars in großen Häusern, die sowieso Bravi und Standing Ovations empfangen. Wir erinnern uns an eine Aufführung von „Can Can“ am Stadttheater Baden.

Schriftlich äußerten wir danach im Online Merker: „Lässt sich eine so phänomenale Bühnenpräsenz wie die von Elisabeth Ebner beschreiben? Statische Aufnahmen eines Augenblicks im vorbildlichen Programmheft können das Erlebnis Ebner nicht einfangen. Ein Genuss war ihre dunkel getönte Stimme. Mit Trampeln vergönnte ich ihr die höchste Auszeichnung.“
Natürlich verwendete ich meine Beine auch bei Gelegenheit bei meiner Lieblingssängerin Agneta Eichenholz.

Wir schrieben aus Basel über ihre Clara/Clarissa in Andrea Lorenzo Scartazzinis Oper „Der Sandmann“, einer modernen Variation von Offenbachs Olympia-Akt: „Ihre Stimme besaß etwas Sehnsuchtsvolles mit einer berührenden Innigkeit. Ist hier eine große Strauss-Sängerin im Werden?“ Unsere Prophezeiung bewahrheitete sich. Zdenka, Daphne und Salome hat sie unterdessen in ihr Repertoire aufgenommen und sie denkt an die Feldmarschallin.

Wo und wann hätte ich in letzter Zeit gerne mit Händen und Füßen unsere Anerkennung kundgetan? Es wäre in der Wiener Volksoper gewesen. Sie spielten an dem Abend „Jolanthe und der Nussknacker“. Die international erprobte Olesya Golovneva musste gemeinsam mit ihrem Cover krankheitshalber die Partie der Jolanthe absagen.
Gesangliche Einspringerin am Pult von der Seite der Bühne war das junge Ensemblemitglied Hedwig Ritter.
Es war für uns ein schönes Erlebnis zu hören, wie sie mit laufender Bewältigung ihrer Aufgabe immer sicherer und souveräner sich anhörte, und wir hatten eigentlich einen Solovorhang erwartet. Auf Anfrage wurde uns mitgeteilt: „Nach der Applausordnung dieser Produktion ist vorgesehen, dass Jolanthe und Vaudémont sich gemeinsam verbeugen. Wenn zwei Personen sich eine Rolle teilen, ist es im Haus Tradition, dass diese sich gemeinsam verbeugen.“ Schade, wir hätten Frau Ritter einen Solo-Vorhang gegönnt und ich wäre zu meinem Trampeln gekommen.
Lothar und Sylvia Schweitzer, 13. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.
Lothar und Sylvia Schweitzer
Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“
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