Schweitzers Klassikwelt 142: Wenn wir im Urlaub Heimweh nach Opern bekommen

Schweitzers Klassikwelt 142: Heimweh nach Oper  klassik-begeistert.de, 23. Juli 2025

Lettische Nationaloper Riga Foto: Frances Harris

In den sommerlichen „weißen Nächten“ kamen wir wieder am Opernhaus der Hauptstadt Lettlands vorbei. Die Tore waren verschlossen. Sommerpause. Schöne, aber auch sehnsüchtige Erinnerungen an Elīna Garančas Debüt als „Karmena“ (Carmen auf Lettisch) und an unsere erste Begegnung mit Kristīne Opolais (in der Rolle der „Mikaëla“) tauchten auf.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Einen Meeresaufenthalt am Lido konnten wir in der letzten Juni-Woche mit einem Opernabend im Teatro La Fenice in Venedig gegen Saisonschluss noch leicht verbinden.

Strandbild vom Lido     Bild 2: Teatro La Fenice (Außenansicht)

Handelt es sich um eine Nachmittagsvorstellung, so kann man die Lagune per Fähre oder Bootstaxi in kurzer Zeit überqueren. Wir entschlossen uns für eine Übernachtung neben dem Opernhaus mit Blick auf das Bühnentürl.

Bild 3: Blick aufs Bühnentürl von Teatro La Fenice

Passend für das Ambiente spielten sie Brittens „Death in Venice“ („Morte a Venezia“). In der Woche danach konnten wir dann am Lido Thomas Manns Novelle nachklingen lassen.

Hotel de Bains Außenaufnahme, Saaltür, Speisesaal

Hier im Hotel des Bains hatte Thomas Mann seine Eingebung zu seiner berühmten Novelle, die Film, Oper und Ballett inspirierte. Wir hatten Glück. Zwei Jahre später wurde dieses geschichtsträchtige Hotel leider geschlossen.

Klein, aber fein ist die Inselstadt Grado. Wir können sie als die kleine Schwester Venedigs bezeichnen, die wieder ganz anders ist. Erstens liegt sie nicht auf 127 Inseln wie Venedig, die zwar oft nur durch einen schmalen Kanal voneinander getrennt sind. Grado besitzt seine eigenen architektonischen Reize.

In die Variationen von Schornsteinen, in die gemütlichen Vialen der Vorstadt und in manches andere haben wir uns verliebt. Aber wenn wir hoch oben von einem gemütlichen Restaurant eines Hotels auf die Stadt schauen, vermissen wir schmerzlich ein opernähnliches Gebäude. Und Venedig liegt von der Gradeser Lagune doch etwas weiter entfernt als vom Lido.

Von einer Hotelterrasse Blick auf Grado

Zum Trost entdeckten wir Säulen, an denen Konzerte angekündigt werden.

Werbung für Konzerte

Die Konzerte mit klassischer Musik finden bevorzugt im Grand Hotel Astoria statt, eine architektonische Mischung alt und modern. Erinnerte uns von der Lage her entfernt an das Hotel Ambassador in der Wiener Kärntner Straße, die ebenfalls in Richtung Zentrum und Dom verläuft.

Grand Hotel Astoria

Die Atmosphäre vor Beginn des Konzerts in einem Hotel ist eine andere als im Wiener Musikvereinsgebäude oder im Wiener Konzerthaus.

Hotellobby von Grand Hotel Astoria

Im Sala Lido erlebten wir das Ensemble Arabafenice, „das sich auf Autoren konzentriert, die im vergangenen Jahrhundert lebten und Gedichte mit raffinierten Klängen vertonten, bei denen Instrumente und Stimme verschmolzen. Ausgenutzt wird die Konsonanz zwischen dem Timbre des leichten Soprans und der Flöte. Die Melodien werden mit Virtuosität bereichert. Im Namen des Ensembles steckt „Phönix“, Wiedergeburt in ständiger Veränderung.“ So die Selbstdarstellung in Wikipedia.

Begonnen wurde mit französischen Werken von Camille Saint-Saëns, Erik Satie und von Cécile Chaminade, einer weltweit gereisten Pianistin und Komponistin von zwei Opern, Messen, zweihundert Stücken für Klavier und einhundert Liedern. Im Alter von acht Jahren spielte sie Georges Bizet eigene Werke vor, der von ihrem Talent sehr beeindruckt war. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geriet Chaminade weitgehend in Vergessenheit. Das Ensemble Arabafenice gehört zu den Musikern, die sich seit den späten 1980er Jahren für eine Renaissance einsetzen.

Cécile Chaminade, Wikipedia

Es folgten Variationen auf Themen aus „Norma“ für Flöte und Pianoforte des süditalienischen Flötisten Donato Lovreglio, der hauptsächlich für sein Instrument und andere Holzblasinstrumente komponiert hat. Er verfasste auch Konzertfantasien und Arrangements über Themen von Verdi-Opern.

Francesco Paolo Tosti war mit seinem „Addio“ und der Leiter einer eigenen Operntruppe Luigi Arditi mit „Il bacio“ vertreten. Von dem italienischen Jazzmusiker Francesco „Cicci“ Santucci hörten wir „Serenata e Tango“ für Flöte und Klavier.

Danach wurde wieder ein Lied einer belgischen Komponistin und Koloratursopranistin mit italienischen Wurzeln vorgestellt. Eva Dell’Acquas früheste Werke wurden bei Salon-Veranstaltungen ihres Elternhauses aufgeführt. Dadurch erreichte sie einen Bekanntheitsgrad, der ihr die Türen zu den Theatern öffnete. Bei der Uraufführung ihrer Operette „Une ruse de Pierrette“ sang sie die Titelrolle.

Zum Abschluss lernten wir noch Sir Julius Benedict kennen. Er war zwei Jahre Musikdirektor beim Kärntnertortheater in Wien und wechselte dann in der gleichen Funktion ans Teatro San Carlo di Napoli. Als Rückkehrer nach London trat er die Stellung eines Kapellmeisters am Covent Garden an. Er komponierte eine Reihe von Opern, zuerst in Rossini’scher Manier, bis er zur Komposition englischer Texte überging.

Angelica Girardi, Sopran

Auf diese Weise lernten wir Interessantes und Neues kennen.

Pierluigi Camicia, Pianoforte, Angelica Girardi, Sopran, Francesco Girardi, Flöte

Sonntag um 10:30 beginnt der Hauptgottesdienst in der ehemaligen Kathedralkirche des Patriarchen von Grado mit dem Titel einer Basilica, Santa Eufemia, mit dem wunderbaren Chor Santa Cecilia di Grado. Die Kirche ist nicht zu verfehlen, wenn man die Häuserzeilen der Straßen und Gassen hinaufblickend dem Erzengel Michael auf der Spitze des Glockenturms, von den Gradesern vertraulich „Anzolo“ genannt, nachgeht.

Santa Eufemia, Chor Santa Cecilia di Grado

Zum Abschluss der Eucharistiefeier stimmen wir alle bestärkt mit dem Chor in den Refrain ein: „Madonnina del mare, non ti devi scordare di me, vado lontano a vogare, ma il mio dolce pensiero è per te. Canta il pescatore che va: „Madonnina del mare con te questo cuore sicuro sarà!“ (Madonnina des Meeres, Du darfst mich nicht vergessen. Ich rudere weit weg, aber meine süßen Gedanken sind bei Dir. Der Fischer geht und singt: „Madonnina des Meeres, bei Dir ist dieses Herz sicher!“

Statue Madonnina del mare

Bei zwei Bustouren mit dem Thema „Zu den Grenzen der Habsburgermonarchie“ kamen wir bei Übernachtungen in Städte mit einem Opernhaus. Wenn an dem Abend eine Aufführung gewesen wäre, hätten wir uns für den Abend von der Gruppe absentiert.

In L’viv (österreichisch: Lemberg) standen wir wieder einmal nach Saisonschluss vor dem verschlossenen Opernhaus.

Lemberger Oper
Lemberger Oper innen

Angestellte der Oper merkten unsere sehnsüchtigen Blicke, öffneten das Tor und machten für unser kleines Häuflein eine Führung durch das Haus, was wir rührend fanden.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 23. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Schweitzers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Dienstag.

Lothar und Sylvia Schweitzer

Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk  im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“

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