Theater Lübeck, Photos: Lutz Roeßler
Die folgenden drei Vorstellungen dieser vielseitigen Revue mit Garantie für gute Laune sind am 12. November, am 3. und am 16. Dezember 2022.
Sing mich um den Verstand!
Operetten- und Musical-Revue
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Chor des Theaters Lübeck
Paul Willi-Förster, Dirigent
Bernd Reiner Krieger, Idee und Realisation
Theater Lübeck, 29. Oktober 2022
von Dr. Andreas Ströbl
Eine „Mischung aus höherem Blödsinn und großen Gefühlen“ nennt Bernd Reiner Krieger, stellvertretender Operndirektor des Lübecker Theaters, seine Operetten- und Musical-Revue. Die ist so bunt wie das Herbstlaub, aber bei weitem nicht so melancholisch wie der Jahresausklang. Dieses Potpourri aus berühmten und weniger bekannten Stücken zaubert schlichtweg gute Laune, spielt zuweilen mit starken Emotionen und bricht sie dann komödiantisch wieder.
In der Revue dürfen die Solistinnen und Solisten des Hauses, aber auch die hochtalentierten jungen Kräfte aus dem Opernstudio brillieren, unterstützt vom bewährten Chor des Theaters unter Jan-Michael Krüger und selbstverständlich dem Philharmonischen Orchester der Hansestadt Lübeck unter der Leitung von Paul Willot-Förster. Dessen Niveau entspricht ganz dem gesanglichen, das Orchester spielt schwungvoll, schmissig und leidenschaftlich. Die beiden reinen Instrumentalstücke des Abends, der „Tanz der Komödianten“ aus Smetanas „Die verkaufte Braut“ bald nach dem Beginn des ersten Teils und die Ouvertüre zu Bernsteins „Candide“ mitten im zweiten gehören eigentlich zu den im Radio bis zur Langeweile zu oft gespielten Werken, aber die Lübecker unter dem jungen, dynamischen Dirigenten geben den beiden Gassenhauern akzentuiert und mit rasantem Tempo eine schwungvolle Frische.
Die Gesangsstücke stammen aus einem Repertoire-Mix von Jacques Offenbach bis Stephen Sondheim, die meisten Kostüme aus dem reichen Theaterfundus lassen an 30er- oder 50er-Jahre-Filme denken, aber die Damen glitzern bei den glamourösen Darbietungen auch mal um die Wette.
Kindheitserinnerungen an den zauberhaften Film mit Julie Andrews weckt das Lied „Supercalifragilisticexpialigetisch“ und wer das Wort nicht auswendig und korrekt buchstabieren kann, der stehle weinend sich aus diesem Haus.
Krachledern geht es zu im „Weißen Rößl“; bei “Wenn es hier mal richtig regnet“ mit seinem herrlich albernen Text prasseln die Tropfen derart auf die aufgespannten Schirme, dass man im Publikum unweigerlich Angst hat, gleich klitschnass zu werden. Und wo hat man schon mal eine tanzende und singende Laugenbrezel gesehen?
Mit dem „Weibermarsch“ aus „Die lustige Witwe“ von Franz Lehár können Yoonki Baek, Jacob Scharfman, Gustavo Mordente Eda, Laurence Kalaidjian und Christoph Schweizer sowohl stimmlich als auch tänzerisch bis zum Cancan-Zitat zeigen, welche Erzkomödianten in ihnen stecken, wenn man sie lässt.
Liebesschwelgerisch wird es dann mit „Lippen schweigen“, in dem Evmorfia Metaxaki und Yoonki Baek einander anschmachten, beide gerade in den Höhen bewährt stark. Größtes Rätsel ist bei ihrem leidenschaftlichen Duett, wie es technisch gelingt, den herzförmigen Helium-Luftballon in die einzige offene Luke an der Theaterdecke fliegenzulassen. Magie der Liebe! Yoonki Baek beschwört anschließend in „Die Rose erblüht“ aus Strauß’ “Cagliostro in Wien“, desgleichen innig, mit seinem charakteristischen schluchzenden Tenor die großen Gefühle.
Der Neuzugang des Ensembles, die Mezzosopranistin Laila Salome Fischer, gibt stark beschwipst, dabei sehr charmant, das Couplet „Je suis grise“ aus Offenbachs „La Périchole“ zum Besten – a votre santé! Komplett verwandelt, verzaubert sie mit Evmorfia Metaxaki in der Barcarole aus „Hoffmanns Erzählungen“ das Publikum – eine Glanznummer für die beiden, in wunderbarer Synchronizität und stimmlicher Harmonie.
„Tonight“ aus Bernsteins „West Side Story“ beschließt den ersten und eröffnet den zweiten Teil, wobei das Duett von Nataliya Bogdanova und Gustavo Mordente Eda und dann das Ensemble-Stück gleichsam die Pause rahmen. Nataliya Bogdanovas kräftiger Sopran und Edas emotionsgeladener Tenor vermitteln eine glaubhafte Nähe – eine charmante Idee, beim Applaus vom Publikum in ihrer Innigkeit wie überrascht zu wirken.
Das amerikanische Fach beherrscht den zweiten Abschnitt und so folgen auf das berühmte „Somewhere“ aus der „West Side Story“ die Stücke „Some enchanted evening“ aus „South Pacific“ von Richard Rodgers und „Kiss me again“ aus „Mademoiselle Modiste“ von Victor Herbert. Ersteres bestreiten der ungemein präsente und kraftvolle Bariton Jacob Scharfman und Evmorfia Metaxaki im Duett, das zweite gibt die Sopranistin anmutig und selbstbewusst als Solo-Einlage.
Damit das alles nicht zu ernst wird, gibt es eine Lachnummer mit zwei in tortenartigen Kleidern steckenden Schwestern, nämlich „Stepsisters’ lament“ aus Rodgers „Cinderella“, umwerfend komisch gesungen und gehupft von Frederike Schulten und Laila Salome Fischer.
Nach der erwähnten „Candide“-Ouvertüre geht es, passend zum dräuenden „Halloween“, mit der Ballade aus der Schauer-Operette „Sweeney Todd“ von Stephen Sondheim gruselig zu. Die Kostüme sind hier dem London des 19. Jahrhunderts entlehnt. In einem schwarzhumorigen Duett erwägen Laila Salome Fischer und Jacob Scharfman, welche Berufsgruppen wohl die besten Fleischpasteten abgeben, wenn man ihre Angehörigen entsprechend zubereitet. Der Prälat scheint ihnen am schmackhaftesten zu geraten und die beiden spielen hier souverän mit britischem Humor. Guten Appetit!
Dass „Make our garden grow“ aus „Candide“ nicht das Finale sein würde, ist von vornherein klar und so lassen sich die Mitwirkenden nicht lange bitten, sich für den begeisterten, langanhaltenden Applaus mit zwei Zugaben zu bedanken. Evmorfia Metaxaki und Yoonki Baek schenken dem Publikum „Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“ aus Paul Abrahams Operette „Viktoria und ihr Husar“ und das ganze Ensemble singt geradezu hymnisch „You’ll never walk alone” aus dem Musical „Carousel” von Rodgers und Oscar Hammerstein. Bis zum Schluss wird deutlich, mit welcher Freude alle Mitwirkenden zum Gelingen dieses wundervollen Abends beitragen.
Über die Aufführungen solcher Operetten wie „Im weißen Rößl“ oder „Sweeney Todd“ würden sich sicher viele freuen!
Die folgenden drei Vorstellungen dieser vielseitigen Revue mit Garantie für gute Laune sind am 12. November, am 3. und am 16. Dezember 2022.
Dr. Andreas Ströbl, 31. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Die Fledermaus, Operette von Johann Strauß Theater Lübeck, 28. August 2022
Richard Wagner, Lohengrin Theater Lübeck, 4. September 2022 PREMIERE
Richard Wagner, Lohengrin Theater Lübeck, 4. September 2022 PREMIERE