Foto: Maria Anna Mozart, de.wikipedia.org
von Peter Sommeregger
„Nannerl“ Mozart, die ältere Schwester des begnadeten Komponisten, wurde biographisch zumeist auf die tüchtige Partnerin ihres Bruders beim vierhändigen Klavierspiel reduziert. Dass die triumphalen Tourneen durch Europa, auf denen Leopold Mozart seine virtuosen Kinder vermarktete, ihren Erfolg auch der hoch begabten Pianistin verdankten, wird dabei oft ausgeblendet.
Der Blick auf die am 29. Oktober 1829 verstorbene Maria Anna, Freifrau von Berchtold zu Sonnenburg, wie sie nach ihrer Verheiratung hieß, offenbart ein für das 19. Jahrhundert typisches Frauenbild, das außerhalb der Rolle der Ehefrau und Mutter kaum Spielraum für Eigenständigkeit ließ.
Trotz ihres offenkundigen musikalischen Talentes sind von Maria Anna keine selbständigen Kompositionen bekannt. Nachdem ihr Bruder Wolfgang erwachsen war und seine eigene Karriere verfolgte, blieb für die Schwester nur der Klavierunterricht als musikalische Betätigung.
Nachdem der Vater Mozart einer Heirat Maria Annas mit dem Kammerherrn Franz Armand d’Ippold nicht zugestimmt hatte, drohte diese zu einem „späten Mädchen“ zu werden. Davor bewahrte sie schließlich die „Vernunftehe“ mit dem 15 Jahre älteren Johann Baptist, Reichsfreiherrn Berchtold von Sonnenburg, mit dem sie am 23. August 1784 die Ehe einging. Der Bräutigam brachte fünf Kinder aus zwei vorangegangenen Ehen mit, Maria Anna schenkte ihrem Mann drei Weitere. So gestaltete sich ihr Leben zumindest als erfülltes Frauenschicksal.
Während ihrer Ehe lebte Maria Anna mit Mann und Kindern in St. Gilgen, wo dieser seinen Amtsgeschäften nachging. 1801 wurde sie Witwe und verließ mit ihren Kindern St. Gilgen, um wieder in ihrer Heimatstadt Salzburg zu leben. Sie etablierte sich als gesuchte Klavierpädagogin, was ihr ein materielles Auskommen sicherte. Im Alter von 74 Jahren erblindete Maria Anna, was ihr eine weitere unterrichtende Tätigkeit unmöglich machte.
Am 29. Oktober 1829 verstarb sie mit 78 Jahren in Salzburg und wurde auf ihren Wunsch auf dem dortigen Petersfriedhof in einer so genannten Kommunegruft bestattet. Sie teilt sich ihre Grablege mit dem Komponisten Michael Haydn.
Die von Maria Anna hinterlassenen Briefe und Tagebücher waren und sind für die Mozart-Forschung von unschätzbarem Wert. Man kann nur spekulieren, ob sich die Schwester des genialen Mozart bei entsprechender Förderung ihrer zweifellos vorhandenen Talente ebenfalls zu einer bedeutenden Komponistin entwickelt hätte.
Peter Sommeregger, 25. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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