Sommereggers Klassikwelt 201: Das Stimmwunder Albert Da Costa ist heute weitgehend vergessen

Sommereggers Klassikwelt 201: Das Stimmwunder Albert Da Costa  6. September 2023

von Peter Sommeregger

Man muss heute schon ein Lexikon heranziehen, um etwas über den Tenor Albert Da Costa zu erfahren. Der spätere Sänger wurde als Albert Sochin am 21. März 1927 in Amsterdam im Staat New York geboren. Sein jüdischer Vater betrieb ein Herrenmodengeschäft, in der Kirchengemeinde seiner christlichen Mutter sang Albert bereits als Kind. Damit war der Grundstein zu einer Ausbildung als Sänger gelegt.

Sein Studium absolvierte er an der renommierten Juilliard School in New York, allerdings hielt man seine Stimme dort zuerst für einen Bariton. Erste Auftritte absolvierte Albert nach seinem Kriegsdienst an der Charles Wagner Opera Company unter dem Mädchennamen seiner Mutter, Da Costa. Anschließend sang er an der Baltimore Opera Company, wo man schließlich erkannte, dass er eigentlich ein Tenor war.

Nach seiner Umschulung wurde er bereits 1955 an die New Yorker Metropolitan Opera engagiert, wo er als junger Seemann in „Tristan und Isolde“ debütierte. Anfangs wurde er nur in kleinen Rollen eingesetzt, aber 1957 gelang ihm als Walther von Stolzing in den „Meistersingern“ der Durchbruch. In der Folge trat er an der Met auch als Siegmund in der „Walküre“, Erik im „Fliegenden Holländer“, als Parsifal, aber auch im italienischen Fach auf. Bis 1962 blieb er Ensemblemitglied an der Met, wo er sich zuletzt zu wenig beschäftigt fühlte. Da Costa hatte bereits mit 18 Jahren geheiratet, hatte mit seiner Frau sechs Kinder, was einen gewissen materiellen Druck erzeugte. Das bewog ihn zu einem Umzug nach Europa, wo er zunächst am Opernhaus von Zürich engagiert war, ehe er Verpflichtungen in Hannover und Köln einging, aber auch einzelne Gastverpflichtungen annahm.

Als er am 8. November 1967 mit dem Auto in Dänemark zu einem Auftritt unterwegs war, kam sein Wagen von der Straße ab. Der Sänger überlebte diesen Unfall nicht, und so war dieses hoffnungsvolle Künstlerleben bereits mit vierzig Jahren beendet.

Albert Da Costa wäre vielleicht nur eine historische Fußnote, würde nicht eine ganze Reihe von teilweise privaten Mitschnitten seines Gesanges existieren. Er verfügte über eine große, technisch gut gebildete Stimme, die den ehemaligen Bariton nicht verleugnen konnte. Der baritonale Kern seines Heldentenors steht ganz in der Tradition eines Lauritz Melchior.

Aber auch im italienischen Fach zeigt seine Stimme einen ungewöhnlich großen Umfang, fast mühelos gelingen ihm Spitzentöne noch über das hohe C hinaus. Leider sind die Mitschnitte aus der Met, darunter der komplette Meistersinger und eine Walküre, nur schwer zugänglich, vor einigen Jahren veröffentlichte das Label Preiser eine CD mit dem größten Teil seiner im Studio aufgenommenen Titel. Was da zu hören ist, lässt erahnen, was von und mit diesem Sänger noch zu erwarten gewesen wäre. Aktuelle Sänger seines Faches erscheinen neben seinem voluminösen Tenor wie Zwerge…

Peter Sommeregger, 6. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barchttps://klassik-begeistert.de/sommereggers-klassikwelt-200-fritz-wunderlich-klassik-begeistert-de-29-august-2023/elona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

Sommereggers Klassikwelt 200: Fritz Wunderlich klassik-begeistert.de, 29. August 2023

Sommereggers Klassikwelt 199: Der Vorzeige-Wiener Robert Stolz stammte aus Graz

Sommereggers Klassikwelt 198: Der Pianist Artur Schnabel klassik-begeistert.de, 16. August 2023

Ein Gedanke zu „Sommereggers Klassikwelt 201: Das Stimmwunder Albert Da Costa
6. September 2023“

  1. Sie graben, Herr Sommeregger, erfolgreich in meinen Erinnerungen, denn als Student anfangs der 60er hörte ich Albert Da Costa in Köln in einer Inszenierung von Claus Helmut Drese, die fast ausschließlich mit Farben auf riesigen Gazevorhängen operierte. Nicht besonders gut, und an die übrige Besetzung erinnere ich mich leider nicht mehr.
    Zur etwa gleichen Zeit ein Vergleich in Düsseldorf. Der Tristan dort 1963 war die erste Operninszenierung von Jean Pierre Ponnelle, der damals bei Karl Heinz Stroux am Schauspielhaus engagiert war.
    Ich erinnere mich noch sehr gut an diese sehr schöne Aufführung mit Astrid Varnay, Set Svanholm, Grace Hofman und Randolph Symonette. Der Dirigent war Alberto Erede, sein Assistent ein gewisser Carlos Kleiber.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert