Gegam Grigorian © wikipedia.org
von Peter Sommeregger
Bei den Salzburger Festspielen 2018 ging der Stern der armenischen Sopranistin Asmik Grigorian am Opernhimmel kometenhaft auf. Zwar war die Sängerin schon seit längerer Zeit im Opernbetrieb durchaus erfolgreich unterwegs, aber die Salzburger Salome katapultierte sie schlagartig in die erste Reihe der aktuellen Stars. Seither kann sie sich ihre Rollen und Engagements aussuchen, mit der heute üblichen Hast hat man ihr den Status des Superstars verliehen.
Lediglich als biographische Randnotiz taucht in den meisten Berichten über sie die Erwähnung ihres Vaters Gegam auf. Dabei hatte dieser ebenfalls eine bedeutende Karriere im Spinto-Tenorfach.
Geboren am 29. Januar 1951 in Eriwan, studierte er am Konservatorium seiner Heimatstadt und hatte seine ersten Auftritte bereits mit 20 Jahren; mit 24 Jahren erhielt er sein erstes Engagement am armenischen Nationaltheater in Eriwan. In den 1970er Jahren war er bereits ein Star in der damaligen Sowjetunion, nahm 1978 an einem Wettbewerb in Mailand teil und gewann einen der vier ausgeschriebenen Studienplätze für die Opernschule der Mailänder Scala.
Nach zwei Jahren mit weiterführenden Studien debütierte er an Italiens erstem Opernhaus als Pinkerton in Puccinis „Madama Butterfly“, in der Folge wurde er für Produktionen von „Boris Godunow“ und „Tosca“ verpflichtet. An diesem Punkt schaltete sich die Politik ein, in Europa herrschte damals noch der Kalte Krieg. Grigorian wurde zurück in die Sowjetunion beordert, widersetzte sich aber und bat in Triest um politisches Asyl, tatsächlich kehrte er aber doch in die UdSSR zurück und setzte seine Karriere am Opernhaus von Vilnius fort. Für zehn Jahre war er für Auslandsgastspiele im Westen gesperrt.
Ab 1989 war Grigorian Mitglied des Ensembles des Kirov-Opernhauses in St. Petersburg, das Valery Gergiev auch auf zahlreiche Auslandsgastspiele führte, so traten seine Sänger auch an der Metropolitan Opera New York auf. Nach dem Ende der Sowjetunion gastierte Grigorian auch an vielen Europäischen Opernhäusern wie Wien, Paris und London. Er feierte Triumphe als Hermann (Pique Dame), Lenski (Eugen Onegin), Pierre (Krieg und Frieden von Prokofiev). 20 Jahre nach seinem dortigen Debüt kehrte er auch wieder an die Mailänder Scala zurück.
Speziell in den 1990er Jahren zählte man ihn zu den führenden Tenören seiner Generation.
Im Jahr 2000 übernahm er die Leitung des Opernhauses von Eriwan, diese Position behielt er bis 2007. Er gab Meisterklassen und förderte junge Talente.
Gegam Grigorian starb am 23. März 2016 in Eriwan an den Folgen einer Leberzirrhose.
Seine kräftige, metallische Tenorstimme ist in einer Reihe von Aufnahmen, hauptsächlich Live-Mitschnitten aus dem Petersburger Kirov-Theater erhalten. Auch mehrere Videoproduktionen halten die Erinnerung an ihn wach, so eine „Pique Dame“, „Norma“,“La Forza del Destino“ in der Petersburger Originalfassung der Oper, und vor allem „Krieg und Frieden“, der ersten kompletten Produktion des Meisterwerkes von Prokofiev. Die Rolle des Pierre, des wenig attraktiven aber charismatischen Philanthropen, schien ihm wie auf den Leib geschrieben. Hört und sieht man diese Dokumente, so muss man Grigorian tatsächlich unter die ganz Großen seines Faches zählen.
Peter Sommeregger, 13. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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