Foto: public photo Leon Fleisher 1963
von Peter Sommeregger
Leon Fleisher wurde am 23. Juli 1928 als Kind jüdischer Einwanderer in San Francisco geboren. Bereits mit vier Jahren beherrschte er das Klavierspiel, hatte mit fünf Jahren bereits erste Konzertauftritte.
Ab seinem neunten Lebensjahr wurde er Schüler des berühmten deutschen Pianisten und Pädagogen Artur Schnabel, der allerdings zur Bedingung machte, dass Fleisher vorerst nicht mehr öffentlich auftrat. Noch in seinen Teenager-Jahren erlangte Fleisher bei Auftritten u.a. in der New Yorker Carnegie Hall frühen Ruhm.
In den 1950er Jahren schloss der Pianist einen Vertrag mit Columbia Records. Mit dem Cleveland Orchestra unter George Szell spielte er in den nächsten Jahren zahlreiche Werke ein, darunter die beiden Klavierkonzerte von Johannes Brahms, sämtliche fünf Konzerte von Beethoven, sowie Werke von Schubert, Schumann, Grieg, Franck, um nur einige zu nennen.
Diese Schallplatten erregten international Aufsehen, und förderten Fleishers internationale Karriere nicht unerheblich.
Im Sommer 1964 verletzte sich Fleisher an der rechten Hand, trotz sorgfältiger Behandlung führte dies aber zu Funktionsstörungen bei zwei Fingern, was für einen Pianisten eine Katastrophe bedeutet. Alle Therapien schlugen fehl, und so entschloss sich Fleisher dazu, seine Karriere ausschließlich mit Kompositionen für die linke Hand fortzusetzen.
Viele dieser Werke waren ursprünglich für den berühmten Pianisten Paul Wittgenstein entstanden, der im 1. Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte. Im Jahr 2004 brachte Fleisher mit den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle ein Werk von Paul Hindemith für Klavier linke Hand zur Uraufführung. Es war von Paul Wittgenstein in Auftrag gegeben, der es aber nicht spielen wollte, es jedoch unter Verschluss hielt.
Neben seiner Konzerttätigkeit begann er auch zu unterrichten, und als Dirigent zu wirken. Zu seinen Schülern zählten André Watts, Yefim Bronfman, Hélène Grimaud, um nur die bekanntesten zu nennen. Einen Comeback-Versuch musste er 1982 abbrechen, seine rechte Hand funktionierte immer noch nicht verlässlich.
In den 1990er Jahren wurde Fleishers Erkrankung schließlich durch Injektionen von Botox erfolgreich behandelt, und er begann erneut, sich sein ursprüngliches Repertoire wieder anzueignen.
Wieder wurde seine technische Sicherheit und die Entspanntheit seiner Interpretationen gerühmt. 2004 erschien nach Jahrzehnten wieder eine Plattenaufnahme mit Musik für zwei Hände. Im Jahr 2010 veröffentlichte er seine Autobiographie unter dem Titel „My Nine Lives“.
Im Laufe seines langen Künstlerlebens erhielt Leon Fleisher zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen, darunter neun Ehrendoktorwürden verschiedener Hochschulen und Universitäten. Gewürdigt wurde neben seiner Kunst auch sein Durchhaltevermögen und seine Unerschrockenheit, seine künstlerische Krise durchzustehen, und triumphal zurückzukehren.
Hochbetagt starb Leon Fleisher am 2. August 2020 in Baltimore.
Peter Sommeregger, 24. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Sommereggers Klassikwelt 242: Carlos Kleiber klassik-begeistert.de, 9. Juli 2024