Sommereggers Klassikwelt 245: Wer kennt noch Eleanor Steber, die erste Nachkriegs-Elsa in Bayreuth?

Sommereggers Klassikwelt 245: Wer kennt noch Eleanor Steber, die erste Nachkriegs-Elsa in Bayreuth?

Foto: Eleanor Steber 1952

von Peter Sommeregger 

Die erste Inszenierung des „Lohengrin“ nach dem 2. Weltkrieg fand in Bayreuth 1953 statt. Die Aufführung wurde damals für das Plattenlabel DECCA mitgeschnitten. Neben dem bekannten Tenor Wolfgang Windgassen, war der Name der Elsa, Eleanor Steber, den meisten Festspielgästen und späteren Käufern der Schallplatte unbekannt.

Dabei war die Sängerin bereits seit Beginn der 1940er Jahre eine der Säulen des Ensembles der New Yorker Metropolitan Opera. Steber, die am 17. Juli 1914 in Wheeling, West Virginia geboren wurde, sang bereits ab 1940 an Amerikas erstem Opernhaus, nachdem sie ihr Studium am New England Conservatory of Music abgeschlossen hatte. An der Met wurde sie, nicht zuletzt wegen ihrer Stilsicherheit, in einem breiten Repertoire eingesetzt.

Sowohl die Opern Mozarts, als auch jene Verdis, Puccinis, und vieler anderer Komponisten fanden in ihrer silbrig timbrierten, aber durchaus kräftigen jugendlich dramatischen Sopranstimme eine hervorragende Interpretin.

 

Auch im Konzertsaal trat Eleanor Steber häufig auf, und machte sich einen Namen als Lieder- und Konzertsängerin, wobei sie unter fast allen bedeutenden Dirigenten ihrer Zeit auftrat. Im April 1948 sang sie die Uraufführung des Konzertstückes „Knoxville. Summer of 1915“ von Samuel Barber mit dem Boston Symphonie Orchestra.

 

Nach anfangs zurückhaltender Aufnahme wird das Werk inzwischen häufig gespielt, der Sopranpart wurde von vielen Sängerinnen der folgenden Generationen interpretiert. Als die Oper „Vanessa“ von Barber 1958 an der Met uraufgeführt wurde, sang Eleanor Steber nach der Absage von Sena Jurinac die Titelrolle, und übernahm im gleichen Jahr diese Rolle auch bei der Europäischen Erstaufführung in Salzburg. Das Werk, anfangs nicht unumstritten, findet sich heute immer öfter auf den Spielplänen auch kleinerer Opernhäuser.

1954, also nur ein Jahr nach ihrer Bayreuther Elsa konnte Steber einen großen Erfolg in Puccinis „La fanciulla del West“ beim Maggio Musicale in Florenz verbuchen, wo Mario Del Monaco ihr Partner war. Auch diese Aufführung ist nach wie vor auf Tonträgern erhältlich.

Bis in die 1970er Jahre trat Steber an der Met und im Konzertsaal auf. Letzte Schallplatten darunter die „4 letzten Lieder“ von Richard Strauss entstanden 1973. Nach ihrem Rückzug von der Bühne unterrichtete die Sängerin am Cleveland Institute of Music und der Juilliard School, daneben gab sie Meisterklassen und betrieb zeitweise auch ein privates Gesangsstudio.

 

Das Privatleben Stebers stand dagegen unter keinem guten Stern, ihre beiden Ehen mit dem Pianisten Edwin Lee Bilby und dem Colonel Gordon Andrews endeten jeweils mit einer Scheidung, was vielleicht der tiefere Grund für ihre zunehmenden Alkoholprobleme war. Außerdem litt die Künstlerin auch an Asthma. Gestorben ist Eleanor Steber am 3. Oktober 1990.

Ihre Stimme ist auf zahlreichen Mitschnitten aus der Metropolitan Opera erhalten, auch ihre Studio-Aufnahmen sind noch erhältlich und sind Dokumente einer eindrucksvollen Künstler-Persönlichkeit.

Peter Sommeregger, 29. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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