Sommereggers Klassikwelt 246: Max Lorenz war der Bayreuther Star mit Schönheitsfehlern

Sommereggers Klassikwelt 246: Max Lorenz, der Bayreuther Star mit Schönheitsfehlern  klassik-begeistert.de, 7. August 2024

Foto: Wienbibliothek im Rathaus, H.I.N.-246334

von Peter Sommeregger

Der spätere Wagner-Tenor Max Lorenz wurde am 10. Mai 1901 in Düsseldorf als Sohn des Metzgers Adolf Sülzenfuß geboren. Früh entschloss er sich, statt die Metzgerei seines Vaters zu übernehmen, Gesang zu studieren.

Bereits während seines Studiums nahm er den Mädchennamen seiner Mutter, Lorenz als Künstlernamen an. Als Max Sülzenfuß wären seine Karrierechancen wohl deutlich geringer gewesen.

Im Jahr 1926 gewann Lorenz einen Gesangswettbewerb in Berlin, was 1927 zu seinem ersten Engagement an die Dresdener Staatsoper führte. Bereits dort lag der Fokus seiner Rollen auf den Opern Richard Wagners.

Die Berliner Staatsoper engagierte ihn 1933, nachdem er sich Jahre davor umsonst um ein Engagement beworben hatte. Im gleichen Jahr sang er das erste Mal bei den Bayreuther Festspielen, wo man ihn als Stolzing in den Meistersingern, später auch als Tristan und Siegfried erleben konnte.

Schnell avancierte er durch seine technisch perfekte Bewältigung der Partien und seine nuancierte Gestaltung zum Liebling des Publikums und der Presse.

Zu dieser Zeit waren in Deutschland bereits die Nationalsozialisten an der Macht, denen nicht gefallen konnte, dass Max Lorenz homosexuell war. Als sich der Sänger deswegen sogar einmal vor Gericht verantworten musste, wollte Joseph Goebbels bei Winifred Wagner ein Bayreuther Auftrittsverbot für Lorenz erreichen. Winifred konterte, dass sie dann die Festspiele gleich absagen könnte. So unverzichtbar war der Sänger dort bereits geworden, dazu kam, dass der „Führer“ Adolf Hitler Lorenz zu seinem besonderen Liebling erkoren hatte. Hermann Göring sorgte anschließend dafür, dass der Mantel des Schweigens über Max Lorenz’ damals noch strafbare Homosexualität gebreitet wurde.

Wohl zur Tarnung seiner Veranlagung hatte Lorenz 1932 die jüdische Sängerin Lotte Appel geheiratet. Auch nach der Machtergreifung der Nazis zeigte Lorenz sich mit ihr in der Öffentlichkeit, was vom Regime als Provokation empfunden wurde. In seiner Abwesenheit wurden eines Tages seine Frau und ihre Mutter festgenommen, eine Intervention von höchster Stelle rettete die beiden Frauen im letzten Moment vor der Deportation.

Bereits in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg gastierte Lorenz erfolgreich an praktisch allen großen Opernbühnen der Welt. So war er vor und nach dem Krieg für mehrere Spielzeiten an der Metropolitan Opera in New York engagiert, sang regelmäßig in London, an der Mailänder Scala, in Rom und vor allem an der Wiener Staatsoper.

Eine Festaufführung zum 80. Geburtstag von Richard Strauss von dessen Oper „Ariadne auf Naxos“ mit Lorenz als Bacchus wurde aufgezeichnet und ist als wichtiges Dokument noch heute erhältlich.

In anderen Mitschnitten sind die meisten seiner Wagner-Partien ebenfalls dokumentiert und geben einen Eindruck von seiner machtvollen, groß dimensionierten Stimme, die einer gänzlich anderen Liga zuzuordnen ist, als jene eines aktuell gehypten eher anämischen Tenors in den gleichen Rollen in Bayreuth.

Nach dem 2. Weltkrieg verlegte Lorenz seinen Wohnsitz nach Wien, und nahm die Österreichische Staatsbürgerschaft an. Bei den Salzburger Festspielen trat er auch in zeitgenössischen Opern auf, so in Gottfried von Einems „Prozeß“ und Werner Egks „Irischer Legende“.

Seinen letzten Auftritt hatte Lorenz 1962 an der Wiener Staatsoper. Sein letzter Wohnsitz war Salzburg, wo er am 11. Januar 1975 verstarb. Er ruht an der Seite seiner Ehefrau in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Sein letzter Wohnsitz war Salzburg, wo er am 11. Januar 1975 verstarb. Er ruht an der Seite seiner Ehefrau in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.

Peter Sommeregger, 7. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik- begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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