Sommereggers Klassikwelt 248: Das waren die Isolden Neu-Bayreuths

Sommereggers Klassikwelt 248: Das waren die Isolden Neu-Bayreuths

Birgit Nilsson © Movin Hermes

von Peter Sommeregger 

In diesem Jahr steht erneut „Tristan und Isolde“ auf dem Spielplan der Bayreuther Festspiele. Bekanntlich gelten die Titelrollen des Werkes als denkbar größte Herausforderungen für ihre Interpreten. In jeder Sängergeneration findet man eher wenige befriedigende Leistungen in diesen Rollen. Es lohnt einen Blick auf die Besetzung der Isolde seit dem Neubeginn der Festspiele 1951.

1952, bei der ersten Neuinszenierung sangen unter Herbert von Karajan Martha Mödl und Ramón Vinay die Hauptrollen. Martha Mödl brennende Intensität in dieser Rolle kann man auch heute noch auf Tonträgern bewundern. 1953 folgte ihr Astrid Varnay, die bereits im Jahr davor einmal für die Mödl eingesprungen war, was sich 1953 in umgekehrter Weise wiederholte.

Erst 1957 stand diese Oper wieder auf dem Programm. Die Isolde hatte Birgit Nilsson übernommen, die international auf dem Weg zur führenden Interpretin der hochdramatischen Rollen in Wagners Opern war. Sie war mit Sicherheit die stimmgewaltigste Interpretin der Isolde auf dem grünen Hügel für lange Zeit. Während zehn Spielzeiten war die die unangefochten „regierende“ Isolde Bayreuths. Eingesprungen sind bei einzelnen Aufführungen Martha Mödl (1962), Astrid Varnay (1963), und Gladys Kuchta (1968),

Von 1974 bis 1977 interpretierte die Schwedin Catarina Ligendza die Isolde auf dem Hügel. Sie war keine hochdramatische Sängerin per se, war aber dafür in ihren Ausdrucksmitteln erheblich differenzierter als ihre ebenfalls schwedische Vorgängerin in der Rolle.

1981 bis 1983 sang die deutschstämmige Johanna Meier als Nächste die Partie. Die Künstlerin, die an der New Yorker Met festes Ensemblemitglied war, kannte in Europa so gut wie Niemand. Ihre hoch gelobte Leistung war daher eine positive Überraschung.

Die 1986 anstehende Neuinszenierung des Werkes stand unter keinem glücklichen Stern. Die Isolde der Jeannine Altmeyer war nur in der Premiere zu hören, alle weiteren Aufführungen sagte die Sängerin ab, die eklatante Stimmkrise hat Altmeyer erst nach Jahren überwunden. Ersetzt wurde sie in einer Aufführung durch Ingrid Bjoner, in drei weiteren von der erprobten Catarina Ligendza, welche die Rolle auch 1987 übernahm. Die Brängäne der Aufführung, Waltraud Meier, übernahm ab 1993 die Rolle der Isolde, in der sie neue, eindrucksvolle Maßstäbe setzte. Bis 1999 war ihre Bayreuther Isolde so etwas wie eine Institution. Ähnlich wie früher bei Martha Mödl verliehen ihre satten tieferen Register dem Gesang besondere Klangfarben.

Waltraud Meier © Nomi Baumgartl

Nur in zwei Jahren war von 2005 bis 2006 erneut eine schwedische Sängerin, Nina Stemme, die Bayreuther Isolde. Stemme ist mit dieser Partie bis heute erfolgreich unterwegs.

Nina Stemme © Neda Navaee

Erneut war es eine Schwedin, Iréne Theorin, die von 2008 bis 2012 die Bayreuther Isolde stellte. Theorin, die nach wie vor das hochdramatische Fach singt, markiert leider bereits den Übergang zu dem neuen Stimmtypus, der technisch souverän ist, in Ausdruck und Phrasierung aber Individualität vermissen lässt.

Bei der von Katharina Wagner verantworteten Neuinszenierung des Jahres 2015 sang Evelyn Herlitzius die Isolde, die mehr durch die Intensität ihrer Darstellung, als sängerisch überzeugte. Bereits im Folgejahr übernahm Petra Lang die Isolde in der stark kritisierten Produktion, einmal durch Ricarda Merbeth ersetzt. Sie sang die Rolle bis 2019 in Bayreuth. Ihre Leistung wurde durchaus kontrovers aufgenommen.

Ricarda Merbeth © Mirko Jörg Kellner

Im Corona-Jahr 2022 erlebte Bayreuth eine kurzfristig geplante Inszenierung, in der Catherine Foster auch 2023 eine solide Isolde gab, die im Vergleich zu den großen Interpretinnen dieser Rolle aber nicht wirklich bestehen konnte. In der enttäuschenden Produktion dieses Jahres sang nun Camilla Nylund die Isolde. Auch sie ist keine wirkliche Hochdramatische, und bei allem Bemühen mehr solide als wirklich berührend.

In Ermangelung überzeugender Alternativen wird sie wohl auch weiterhin in der Rolle zu hören sein.

Peter Sommeregger, 21. August 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

Sommereggers Klassikwelt 247: Astrid Varnay war die prägende Sopranistin in Wieland Wagners Neu-Bayreuth klassik-begeistert.de, 14. August 2024

Sommereggers Klassikwelt 246: Max Lorenz, der Bayreuther Star mit Schönheitsfehlern klassik-begeistert.de, 7. August 2024

Sommereggers Klassikwelt 245: Wer kennt noch Eleanor Steber, die erste Nachkriegs-Elsa in Bayreuth?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert