Von Rainer Leiss / https://commons.wikimedia.org
von Peter Sommeregger
Die Karriere der australischen Sopranistin Joan Sutherland führte die Sängerin bereits ab den späten 1950er Jahren an alle großen Opernhäuser der Welt. Das Plattenlabel DECCA nahm den neuen Star unter Vertrag, es begann eine Jahrzehnte dauernde fruchtbare Zusammenarbeit, die man heute eine Win-win-Partnerschaft nennen würde. Die damals noch junge Vinyl-Platte ermöglichte erstmalig die Einspielungen kompletter Opern, und in Joan Sutherland hatte man die ideale Interpretin für Koloraturpartien gefunden.
Offenbar hatte die Künstlerin klug verhandelt, denn in fast sämtlichen Aufnahmen fungierte der Ehemann Sutherlands als Dirigent. Das Paar hatte sich bereits während des Studiums in Sidney kennen gelernt, zog später gemeinsam nach London, und heiratete 1954. Der gemeinsame Sohn Adam wurde 1956 geboren.
In den folgenden Jahren spielte das Ehepaar gemeinsam eine große Zahl von Opern für die DECCA ein, neben populären Repertoire-Stücken wie Verdis „La Traviata“, „Rigoletto“ und „Il Trovatore“ griff man für den Star auch auf Opern jenseits des Mainstreams zurück. Nach und nach wurden auch Opern Donizettis, Bellinis und Rossinis eingespielt. Selbst Raritäten wie Massenets „Esclarmonde“ fanden ihren Weg in den Katalog.
Richard Bonynge entwickelte sich durch die rege Aufnahmetätigkeit zu einem veritablen Spezialisten für das Belcanto-Repertoire. Ihn nur als obligatorisches Anhängsel seiner prominenten Ehefrau zu betrachten, griff irgendwann zu kurz und man begann ihn als durchaus eigenständigen Künstler wahrzunehmen.
Joan Sutherland beendete ihre glorreiche Karriere im Jahr 1990 im Alter von 64 Jahren. Wer vermutet hätte, Richard Bonynge würde sich ebenfalls zurückziehen, hatte aber die Rechnung ohne den vitalen, zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 60-jährigen Dirigenten gemacht. Er setzte seine Tätigkeit auch im Aufnahmestudio fort, nach Sutherlands Rückzug griff man weiterhin gerne auf seine erworbene Kompetenz zurück, so entstand u.a. eine weitere Aufnahme einer der Glanzrollen seiner Frau, Donizettis „Lucia di Lammermoor“, diesmal aber mit Edita Gruberova.
Joan Sutherland starb nach längerer Krankheit 2010 in der Schweizer Wahlheimat des Ehepaares. Der inzwischen hoch dekorierte Dirigent – England, Australien und Frankreich hatten ihm hohe Auszeichnungen verliehen – setzte auch danach seine Tätigkeit fort.
Bis heute, mit 94 Jahren, ist er künstlerisch aktiv und gibt den Schatz seiner reichen Erfahrung an die jüngeren Generationen weiter.
Die vorsorglich für ihn vorbereitete Grabstelle an der Seite seiner Frau kann noch warten.
Peter Sommeregger, 9. Oktober 2024, für
klassik.begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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