Luise Helletsgruber © cywikipedia.org
von Peter Sommeregger
Der Name Luise Helletsgruber wird heutigen Opernfreunden kaum mehr geläufig sein. Kein Wunder, die Zeit geht bekanntlich erbarmungslos mit ehemaligem Ruhm um. Trotzdem lohnt ein Rückblick auf einstige Karrieren immer wieder, speziell wenn die historischen Stimmen durch Tonaufnahmen überliefert sind.
Luise Helletsgruber wurde am 30. Mai 1901 als Tochter eines Lehrers und Chorleiters nahe Bruck an der Leitha geboren. Zielstrebig begann sie bereits 1918 mit dem Gesangsstudium an der Wiener Musikakademie, das sie 1922 abschloss. Noch im selben Jahr debütierte sie bereits an der Wiener Staatsoper als Hirtenknabe im „Tannhäuser“. Eine Rolle, die sie in den folgenden zehn Jahren insgesamt 34 mal im Haus am Ring sang.
Die Sängerin blieb der Wiener Oper während ihrer gesamten Karriere treu, bis 1942 trat sie in einer Vielzahl von sowohl kleinen, als auch tragenden Rollen auf. Diese Art von Ensemblemitgliedern, die für das Funktionieren von Opernhäusern so wichtig sind, findet man heute kaum mehr. Bei der Wiener Erstaufführung von Puccinis „Turandot“ 1926 sang sie die Rolle der Liù, die sie bis 1941 insgesamt 58 mal verkörperte.
Bei den Salzburger Festspielen trat sie in mehreren Jahren auf, erwähnenswert ist ihre Marzelline im „Fidelio“ unter Arturo Toscanini 1936, wovon kleine Ausschnitte als Radiomitschnitt erhalten sind. Unter Bruno Walter sang sie 1938 die Donna Elvira in einem prominent besetzten „Don Giovanni“, der komplett auf Tonträgern erhältlich ist.
An der Wiener Staatsoper erweiterte sie ihr Repertoire bis hin zu Wagner-Partien, wie der Elsa im „Lohengrin“ und der Eva in den „Meistersingern von Nürnberg“. Zentral blieben aber für sie die Opern Mozarts. Das dürfte dazu geführt haben, dass sie über mehrere Jahre für die neu gegründeten Festspiele im englischen Glyndebourne verpflichtet wurde.
Der wohlhabende Geschäftsmann John Christie, der mit einer Opernsängerin verheiratet war, hatte dort auf seinem Landsitz ein kleines privates Opernhaus errichtet. Ein Glücksfall der Geschichte war die Tatsache, dass der von den Nazis aus Deutschland vertriebene Dirigent Fritz Busch für diese Festspiele zur Verfügung stand und ein hochkarätiges Ensemble zusammenstellte.
Luise Helletsgruber sang zwischen 1931 und 1938 in den drei Da Ponte-Opern und der „Zauberflöte“. „Don Giovanni“, „Le nozze di Figaro“ und „Così fan tutte“ wurden, noch ungewöhnlich für die damalige Zeit, komplett auf Schellackplatten eingespielt. Bis heute dienen sie als wichtige Dokumente der frühen Jahre dieser Festspiele, und sind ein klingendes Vermächtnis des großen Fritz Busch. Luise Helletsgruber ist als Donna Elvira, Cherubino und Dorabella dokumentiert. Im Jahr 1935 sang sie unter Felix von Weingartner das Sopransolo in Beethovens 9. Symphonie, die er mit Ensemblemitgliedern der Wiener Oper und den Wiener Philharmonikern für die Schallplatte einspielte.
Relativ früh verabschiedete sie sich 1941 als Marzelline von der Wiener Staatsoper. Ein Jahr trat sie noch am Berliner Neuen Lustspielhaus auf, danach gab sie nur noch vereinzelt Liederabende und trat in Rundfunkkonzerten auf.
Seit 1926 war Luise Helletsgruber mit dem Agrarexperten Alois Lehr verheiratet, mit dem sie zuletzt in Laxenburg bei Wien lebte. Auf der Fahrt in den Winterurlaub verunglückte das Ehepaar am 5. Januar 1967 auf der Westautobahn tödlich. Geblieben sind die historischen Tondokumente, die Helletsgrubers lyrische, aber kräftige Stimme dokumentieren, und bis heute auf Tonträgern verfügbar sind.
Peter Sommeregger, 16. Oktober 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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