„Seine Platten gehören zu den Ikonen der Gesangskunst, so ist seine Aufnahme vom Tod Otellos in ihrer emotionalen Intensität und gesanglichen Vollendung niemals überboten worden.“
von Peter Sommeregger
Der spätere gefeierte Heldentenor wurde 1873 in Mährisch-Schönau, damals Teil der Donaumonarchie, als Sohn eines Müllers geboren. Seine Kindheit war von der Armut der Familie geprägt, der junge Leo brach die Schule ab und begann eine Schlosserlehre. Nachdem er seine Liebe zum Theater entdeckt hatte, wirkte er am Theater in Brünn als Statist. Als er eines Tages lauthals die Chorpassagen mitsang, wurde ein Sänger auf ihn aufmerksam, der ihn später ausbildete.
Mit nur 23 Jahren debütierte er als Lohengrin am Brünner Theater, bereits zwei Jahre später verpflichtete ihn die Berliner Hofoper. Da man ihn aber dort kaum beschäftigte, nahm er ein Angebot aus Breslau an. Dort traf er auf seine spätere Ehefrau, die Schauspielerin Elsa Wertheim. Von Breslau aus unternahm er Gastspiele nach London und Wien. Ab 1901 war er ständiges Ensemblemitglied der Wiener Oper.
Slezak, der groß gewachsen und äußerst kräftig war, verfügte über einen feinen Humor und war ein guter Erzähler von Anekdoten. So beschrieb er sein erfolgloses Vorsingen bei Cosima Wagner in Bayreuth. Auf die Frage, was er denn singen wolle, antwortete er selbstbewusst: die Bajazzo-Arie! Unnötig zu erwähnen, dass Slezak nie in Bayreuth aufgetreten ist.
In späteren Jahren hat Slezak seine humoristischen Memoiren „Meine sämtlichen Werke“ geschrieben. Der Verkaufserfolg war so groß, dass ein zweiter und dritter Band folgten: „Der Wortbruch“ und „Rückfall“. Die Bücher erfreuen sich bis heute größter Beliebtheit.
Im Laufe seiner Karriere war Slezak auch für einige Jahre an der New Yorker Met engagiert, darüber hinaus gastierte er an sämtlichen bedeutenden Opernhäusern der Welt, aber auch auf dem Konzertpodium war Slezak als Liedersänger höchst erfolgreich. Ab 1911 bewohnte er in Rottach-Egern am Tegernsee ein ausgebautes Bauernhaus.
Sein Sohn Walter wanderte in die USA aus, wo er als Filmschauspieler eine ansehnliche Karriere machte. Die Tochter Margarete wollte ebenfalls zur Bühne, kam als Sängerin aber trotz einer ansprechenden Sopranstimme nicht über das Operettenfach hinaus.
Was Slezaks Ruhm weit über seinen Tod hinaus ausmachte, waren seine zahlreichen Schallplatten. Die Strahlkraft seiner heldischen Tenorstimme sprengte in den frühen Jahren der Tonaufzeichnung beinahe die technischen Möglichkeiten dieses Mediums. Dabei war der Sänger aber auch durchaus zu einem feinen Piano fähig. Seinen nie ganz abgelegten böhmischen Akzent nimmt man heute als liebenswertes Charakteristikum seines Gesanges wahr. Einige seiner Platten gehören zu den Ikonen der Gesangskunst, so ist seine Aufnahme vom Tod Otellos in ihrer emotionalen Intensität und gesanglichen Vollendung niemals überboten worden.
Slezak, der zeitlebens in der Angst vor erneuter Verarmung lebte, nutzte seine Popularität ab den dreißiger Jahren für eine späte Filmkarriere, bei der ihm sein komödiantisches Talent sehr hilfreich war. Mit dem Komiker Hans Moser bildete er ein höchst erfolgreiches Duo in mehreren Filmen. Slezaks Filmkarriere fand 1943 ein jähes Ende, als die Nazis herausfanden, dass Slezaks Sohn Walter in den USA antinazistische Filme gedreht hatte. Slezak zog sich in sein Haus am Tegernsee zurück, aber als seine geliebte Frau Elsa 1944 starb, verließ auch ihn der Lebensmut. Am 1. Juni 1946 starb der Sänger in Rottach-Egern. Begraben ist das Ehepaar auf dem dortigen Friedhof, vom Grab aus hat man einen direkten Blick auf das Haus der Familie.
Slezaks Filme, Bücher, aber vor allem Schallplatten haben seine Popularität bis heute bewahrt.
Peter Sommeregger, 26. Mai 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
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