"Halka" in Wien: Die Zuschauer in Warschau werden vom Regisseur mehr  polnische Akzente erwarten

Stanisław Moniuszko, Halka

Ewa Vesin überzeugt als Ersatz-Hauptdarstellerin in Stanisław Moniuszkos „Halka“ im Theater an der Wien

Foto: Ewa Vesin ©, Michal Heller
Theater an der Wien, 22. Dezember 2019

Stanisław Moniuszko, Halka

von Jolanta Lada-Zielke

>>Die Hauptdarstellerin Corinne Winters ist krank und wird von der polnischen Sopranistin Ewa Vesin vertreten <<, erklang die Ansage vor der „Halka“-Vorstellung. Ich war ein bisschen enttäuscht; hatte nämlich gehofft, eine Zeugin der Überwindung des Stereotyps zu sein, laut dem ausländische Sänger mit der polnischen Aussprache nicht klar kommen – eigentlich sollte die amerikanische Sopranistin Corinne Winters singen.

Als ich im November meine Heimatstadt Krakau besuchte, traf ich eine Lehrerin aus meiner Musikschule und erzählte ihr mit Enthusiasmus von dem „Halka“-Projekt in Wien. Sie wunderte sich, dass eine Amerikanerin die Titelrolle spielt.  >> Halka soll doch von einer Polin gesungen werden<<, warf sie ein. Man könnte so auch sagen, dass Wotan nur von einem deutschen oder zumindest deutschsprachigen Bass dargestellt werden sollte, obwohl der polnische Bariton Tomasz Konieczny diese Partie mit Erfolg an der Wiener Staatsoper singt. Solches Klischeedenken ist ein zweischneidiges Schwert.

Meine Enttäuschung wandelte sich in eine Begeisterung für Ewa Vesin. Sie traf zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn im Theater an der Wien ein, um die Rolle der Halka zu übernehmen. Eigentlich war das für sie kein Sprung ins kalte Wasser, weil ihr die Inszenierung von Mariusz Treliński  vertraut war. „Halka“ mit Vesin in der Titelpartie wird ab Februar 2020 in der Nationaloper Warschau aufgeführt, und die Proben dauern schon seit einiger Zeit.

Auf der Bühne des Wiener Theaters fühlte sich die Interpretin ziemlich sicher, hielt jedoch ständig  Augenkontakt mit den Dirigenten. Auch in der Liebesszene mit Janusz (hervorragend von Tomasz Konieczny gesungen) blickte sie hinter seiner Umarmung zu Łukasz Borowicz. In ihrem Gesang war alles, was zu Halka passt: Lyrik und Dramatik, Liebe und Verzweiflung.  Das alles zeigte die Sängerin mit bewusster Steuerung der Dynamik  ihrer Stimme vom piano bis zum forte.

Der Tenor Piotr Beczała als Jontek rührte mit seiner Arie „Szumią jodły na gór szczycie“(Die Tannen rauschen am Berggipfel) viele Damen zu Tränen, obwohl manche immer wieder auf die deutschen Übertitel schauen mussten.  Bemerkenswert war auch  die zweite Sopranistin Natalia Kawałek, die die Braut Zofia sang. Ihre kräftige und ausdrucksvolle Stimme widersprach ihrem puppenhaften Erscheinungsbild. Sie wurde als verwöhnte Tochter des reichen Stolnik  (Alexey Tikhomirov) dargestellt, die aber Mitleid  gegenüber Halka  äußerte.

© Monika Rittershaus

Mit Neugier wartete ich auf die Mazur, die am Ende des ersten Akts getanzt wird. In der Treliński-Inszenierung fing das Verlobungspaar – Zofia und Janusz – an: im dreifachen Metrum, mit  Betonung auf den ersten Schritt. Die Mitglieder des Ballettensembles machten das weiter. Die richtige Mazur wurde aber nicht lange getanzt; nach einigen Takten bewegten sich alle wie in einer Disco. Nach der Pause wurde auf der Bühne der Goralen-Tanz „zbójnicki“ (Räubertanz) aufgeführt. Er wird von Männern getanzt, die dabei Kniebeugen machen und als Requisiten „ciupagi“ (eine Art Axt) halten.  Hier erschienen die tanzenden Goralen, die in Wirklichkeit bunt gekleidet sind, in Schwarz-Weiß, wie der Rest der Besetzung. Mit diesen tänzerischen Fragmenten bekam das Wiener Publikum einen Hauch polnischer Folklore. Die Zuschauer in Warschau werden vom Regisseur mehr  polnische Akzente erwarten.

© Peter M. Mayr

Das Publikum in Wien war dreisprachig – im Foyer hörte man Gespräche sowohl auf Deutsch als auch auf Polnisch und Englisch. Die Mehrheit der Gäste war von der Aufführung der polnischen Nationaloper begeistert und belohnte alle Mitwirkenden mit langem Beifall. Auch außerhalb der Bühne war die Stimmung entspannt und freundlich. Junge Mitarbeiter halfen den pflegebedürftigen Gästen ihre Plätze zu finden und den Zuschauerraum nach der Vorstellung ohne Umstand zu verlassen.

Die letzten „Halka“-Aufführungen in Wien laufen am 29. und 31.12.2019.

Jolanta Lada-Zielke, 27. Dezember 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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