Der Mai grünt in Lübeck mit Mozart und Bruckner – 7. Symphoniekonzert in der „Musik- und Kongresshalle“

Stefan Vladar, Dirigent und Klavier Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Mozart und Bruckner   MUK, Lübeck, 5. Mai 2024

7. Symphoniekonzert © Jan Philip Welchering

Wolfgang Amadeus Mozart, Konzert für Klavier und Orchester B-Dur KV 595

Anton Bruckner, Symphonie Nr. 4 Es-Dur WAB 104, „Romantische“

Stefan Vladar, Dirigent und Klavier
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck

Musik- und Kongresshalle Lübeck, 5. Mai 2024

von Dr. Andreas Ströbl

Wenn man ein Symphoniekonzert mit so bekannten Werken wie Mozarts letztem Klavierkonzert und Bruckners „Romantischer“ bestreitet, dann ist eines geboten: Frische in der Interpretation in flottem Tempo. Am verregneten ersten Maisonntag brachten GMD Stefan Vladar und das Philharmonische Orchester der Hansestadt Lübeck in der gut besuchten Musik- und Kongresshalle die beiden Publikumslieblinge zum Leuchten.

Vladar ist als Pianist noch überzeugender als im Dirigat, wobei er im 7. Symphoniekonzert beides miteinander verband: Vom Flügel aus leitete er das fabelhaft leichtfüßig spielende Orchester in Mozarts Klavierkonzert Nr. 27.

„Die betörend schöne herbstliche Welt“, die, wie im Programmheft zitiert, der US-amerikanische Musikwissenschaftler Robbins Landon, dem Werk attestiert, mochte sich in der Interpretation am 5. Mai so gar nicht im Dämmerlicht entrollen, sondern es erblühte ein frühlingshaft schwungvolles Konzert.

Vladar ist ein Freund gepflegten Tempos und das tat dem oft gehörten Werk ausgesprochen gut. Bereits das Allegro geriet freudvoll-beschwingt, Vladars auswendige Wiedergabe war geprägt von einer perlenden Leichtigkeit bei aller Akkuratesse. Glöckchenhell erklangen gerade die höherliegenden Passagen und so entstand eher das Bild eines munteren Bächleins als das Herbstgemälde eines reifen Spätwerks mit reduziertem Charakter – wohlgemerkt ist dies Konzert in Mozarts Todesjahr entstanden.

Dynamisch ausgewogen war das Zusammenspiel mit dem Orchester, sowohl in den dialogisch aufgebrochenen Abschnitten, als auch in den Unisono-Stellen, zumal mit der Flöte im Larghetto. Die Solopartien gestaltete Vladar ausgesprochen lyrisch und liebevoll, und zwar ohne jegliches Posieren oder eine zur Schau gestellte Selbstdarstellung, wie sie von anderen Pianisten hinlänglich bekannt ist. Man kann diesen Satz zarter spielen, aber Vladar hatte sich auch hier zu einem entschiedenen Optimismus entschlossen, der jegliche angestaubte Getragenheit früherer Interpretationen durch einen hellblauen Frühlingswind ersetzte, ohne die feinen Ausarbeitungen, auch in den Verzierungen, zu überhuschen.

Ebenso lebensbejahend erklang das finale Rondo-Allegro und keine Musik hätte zu diesen Tagen trefflicher passen können als eben dieser Satz mit dem Lied „Komm, lieber Mai“. Das Solo spielt ja mit einem melancholischen Ton, aber daraus wächst umgehend das helle Grün von jungen Birkenblättern. Mit geschmeidiger Rasanz beendete Vladar das Konzert, das vom Publikum mit begeistertem Applaus bedacht wurde. Als Dank gab es eine zauberhaft gespielte Zugabe, die „Consolation Nr. 3 in Des-Dur“ von Franz Liszt. Selten hat man das Stück so seelenvoll wiedergegeben gehört!

7. Symphoniekonzert © Dr. Andreas Ströbl

Gut gewählt war Caspar David Friedrichs Gemälde „Stadt bei Mondaufgang“ für das Programmheft, um den Charakter der 4. Symphonie von Anton Bruckner zu illustrieren, die er selbst während einer Überarbeitung als „Romantische“ betitelte.

Vor dem zarten Abendrot unter den nachtgrauen Wolken heben sich kräftig die gotischen Türme einer idealisierten Stadt ab, ragen ehrfurchtgebietend in die Höhe und weisen ins Himmlische. Das Bild einer mittelalterlichen Stadt hatte Bruckner laut einem Gespräch mit dem Musikpublizisten Theodor Helm im Sinn, wohl vor allem in Bezug auf den dritten Satz. Friedrichs Religiosität war zwar eine andere als die Bruckners, aber in ihrer Naturbezogenheit und -symbolik vielleicht nicht so unähnlich, gerade, wenn man das häufige Waldgrün dieser Symphonie im synästhetischen Ohr hat und an des Malers Eichen und Tannen denkt.

Nach leichten Ansatzschwierigkeiten zauberten die Hörner ein samtweiches, eben hochromantisches, moosiges Klangbett, aus dem sich bald majestätisch und strahlend die mächtigen Tongebäude erhoben. Mit der Tempobezeichnung „nicht zu schnell“ hat Bruckner gleich bei drei Sätzen vor allzu jagdeifriger Hast gewarnt, was die Lübecker ernstgenommen haben, aber doch alles ausreizten, was innerhalb dieser Beschränkung möglich und eben erforderlich ist. Vladars Dirigat changierte von entschiedenem Engagement in den kraftvollen Tutti zu gemessener Reduktion in den heimeligen Passagen. Prallem Blechklang steht ja im Eingangssatz spannungsreich die feingewobene Streichertextur gegenüber; Hörner und Flöten setzen immer wieder Akzente, um die Struktur zu unterstreichen.

Die elegische Schwermut des zweiten Satzes mit ihren an einen Trauermarsch gemahnenden Passagen und die schwärmerisch-grüblerischen Pizzicati wie in nächtlichen Szenerien werden relativiert durch C-Dur-Lichtungen und schließlich überdeckt strahlendes Funkeln die Trübnis. Gerade diese spannungsreichen Stimmungswechsel gelangen den Lübeckern überzeugend, und mit angezogenem Galopp ging es dann in den Wald hinaus, in munterer Jagdgesellschaft, die vergnüglich in den dritten Satz einreitet. Das ist schon so ein bisschen Märchenromantik wie auf den Gemälden von Moritz von Schwind und in aller Verklärung eines nie so dagewesenen Mittelalters auch bei Bruckner gerade in der Naivität legitim, weil sich hier niemand nach Realität sehnt. Bordunmotive schaffen eine heitere Ländlichkeit, vom Orchester in liebenswerter Bodenständigkeit gemalt.

Nachdem bereits zuvor in einer Piano-Stelle ein Daddelgerät gebimmelt hatte, klingelte in der Pause zwischen Satz 3 und 4 wieder eines – Vladars Blick ins Publikum war unbezahlbar, dafür hat der Mann das Bundes-Benimm-Kreuz am Band verdient!

7. Symphoniekonzert © Dr. Andreas Ströbl

Mit raschem Tempo, abwechslungsreicher Rhythmik, tänzerischen Aspekten und Zitaten aus dem Eingangssatz nimmt der letzte Satz Fahrt auf, hält aber immer wieder inne, was effektvoll Spannung erzeugt.

Beschauliche Szenen sind nur von kurzer Dauer und melancholische Eintrübungen werden stetig durch optimistische, auf den finalen Triumph weisende, webende Streichereinsätze und vor allem satte Blechfanfaren fortgefegt, bis das beschließende Strahlen alles in goldenes Licht taucht.

Mit diesem triumphalen Leuchten entließen Dirigent und Orchester ein begeistertes Publikum in den regennassen Maitag, der dadurch zumindest in der „MuK“ mit Sonnenschein erfüllt war.

Dr. Andreas Ströbl, 6. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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