"Wahnsinn" - das Gassenhauermusical mit Mitklatschcharakter tourt durch die Republik

Wahnsinn – das Musical mit den Hits von Wolfgang Petry,  Theater am Großmarkt Hamburg, 2. Februar 2019

klassik-begeistert.de besucht einen Klassiker der Neuzeit

Foto: semmel concerts (c)
Theater am Großmarkt, Hamburg, 2. Februar 2019
Wahnsinn – das Musical mit den Hits von Wolfgang Petry

von Anna Ploch

Musicals mit den Hits der großen Stars sind mittlerweile zu einem Trend geworden. Oftmals bringen die holprigen Übersetzungen der ursprünglich englischen Songtexte jedoch eine solche Ablenkung mit sich, dass der Musicalabend nicht genossen werden kann. „Wahnsinn- das Musical mit den Hits von Wolfgang Petry“ hat den Vorteil, dass die Songs nicht übersetzt werden müssen. Dafür sind es teils plumpe Schlagerlieder, die hier als mitreißende Musicalnummern oder gefühlsgeladene Balladen interpretiert werden müssen. In der 15-Uhr- Vorstellung am 2. Februar 2019 im Hamburger Theater am Großmarkt hat klassik-begeistert.de den Versuch gewagt, sich an den „Klassiker“ Wolfgang Petry heranzutasten.

Die Musiker beginnen zu spielen, die Melodien von „Wahnsinn“, „Weiß der Geier“ und „Ruhrgebiet“ erklingen, und das Publikum beginnt unweigerlich zu klatschen. Ich stimme mit ein und der Vorhang geht hoch. „Ihr seid das Ruhrgebiet“, erklingt es von der Bühne, interpretiert von Thomas Hohler in der Rolle des Tobi. Ein junger, aufstrebender Musiker, der in Konflikt mit seinem, von musikalischen Misserfolgen gedemütigten, Vater steht. Die Kneipe, in der Tobi spielt, gehört dem einsamen Wolf(gang), gesungen von einem stimmlich schwachen Mischa Mang, dessen rockige Stimme ungeeignet für das Musicalgenre ist.

Wolf hat mit Sabine, der Frau seines besten Freundes Peter, geschlafen, ist aber nie über seine Jugendliebe Jessica hinweggekommen. Peter, gesungen von Enrico de Pieri bekommt (leider) fast sämtliche Klassiker Petrys zu singen wie „Wahnsinn“, „Tu’s doch“ und „Ganz oder gar nicht“ und ist dabei stimmlich nicht das stärkste Ensemblemitglied. Er überzeugt dennoch mit seinem Talent für Komik.

Stimmlich wird das Musical von den weiblichen Darstellerinnen getragen. Besonders hervorzuheben ist Jessica Kessler, die es schafft den Petry-Hits das plumpe Schlagerhafte zu nehmen und die Songs in Musicalnummern zu verwandeln.

Das Publikum wird rasch in vier parallel laufende Liebesgeschichten und die dazugehörigen Konflikte eingeführt. Um Petrys Lieder, die hauptsächlich von Verlieben, Verloren, Vergessen und Verzeihen handeln in ein Musical zu packen, braucht es eben eine emotional aufgeladene Geschichte. Das schnelle Tempo hält sich durchgehend, und die Hits und auch weniger bekannte Lieder Petrys werden mit kurzweiligen Übergängen gut in die Geschichte eingebaut. Mit viel Humor über die vegane-Yoga-und-Aloe-Vera-Gesellschaft wird immer wieder der Industriecharakter des Ruhrgebiets, aus dem Petry stammt, stilisiert. So trifft sich beispielsweise das jüngste der vier Liebespaare auf einem Schrottplatz in Blaumännern gekleidet.

Auffallend ist die Liebe zum Detail, die sich durch den Abend zieht und in der Garderobe der Darsteller, in den Dialogen und in der Namensgebung der Figuren und Schauplätze zu finden ist. Die Musiker tragen Holzfällerhemden à la Petry, in den Dialogen wird durch Ausrufe wie „Wahnsinn“, oder „Weiß der Geier“ immer wieder auf Petrys Klassiker angespielt, und eine der Hauptfiguren heißt Karsten Remling, wobei Remling Petrys gebürtiger Name ist. Die Kneipe, in der der junge Tobi auftritt, nennt sich Whisky Bill, was von den Petry-Fans im Publikum mit wohlwollendem Applaus aufgenommen wird. Denn in einer gleichnamigen Disco wurde Wolfgang Petry im Jahr 1975 vom Produzentenduo Tony Hendrik und Karin Hartmann entdeckt.

Mit der letzten Nummer, einem Medley der Petry-Hits, ist das gesamte Ensemble bemüht nochmal die Stimmung zum Kochen zu bringen. Und es gelingt. Tatsächlich erhebt sich das gemäßigte Hamburger Publikum von den Sitzen und klatscht mit. Mehr ist nicht zu erwarten. Nach zwei Runden Applaus gehen alle zur Garderobe. Für eine Wienerin unverständlich. Der Musicalnachmittag im Hamburger Theater am Großmarkt hält, was er verspricht: Ein bisschen Wahnsinn und ein Wohlfühlmusical zum Schmunzeln und Mitklatschen.

Anna Ploch, 8. Februar 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Das Musical läuft am 9. und 10. Februar in Hamburg.

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