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WDR Sinfonieorchester
Cristian Măcelaru, Dirigent
Kim Bomsori, Violine
Marlis Schaum, Moderation
Max Bruch – Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 g-Moll op. 26
Mel Bonis – Salomé op. 100/2 aus Trois femmes de légende
Richard Strauss – Don Juan op. 20 TrV 156 – Tondichtung (nach Nicolaus Lenau) für großes Orchester
Kölner Philharmonie, 7. Juni 2024
von Daniel Janz
Tickets zum Sonderpreis, Konzertbeginn um 19.00 Uhr, Live-Moderation, knackig kurzes Programm und am Ende ein Bier auf Kosten des Hauses: Ja, in Köln ist mal wieder Happy Hour. Bereits vor Corona hat sich dieses Format etabliert und seither auch gefestigt. Als Möglichkeit, neues Publikum zu gewinnen, hat es sich bewährt, wie auch heute wieder eine exemplarische Umfrage offenlegt. Dabei muss das nicht unbedingt für niedrigere Qualität stehen. Wie man die Chancen so eines Formats nutzen kann, beweist heute das WDR Sinfonieorchester unter seinem Chefdirigenten Cristian Măcelaru.
Bereits der Mut für dieses Programm darf gelobt werden. Das schon lange zu den Klassikern gehörende Violinkonzert von Max Bruch sowie Don Juan von Richard Strauss mit der nahezu vergessenen Mel Bonis zu ergänzen ist jedenfalls ein toller Schritt. Nicht nur wird dadurch endlich einmal die Präsenz von Komponistinnen gestärkt. Auch wird diese bewegende Musik so endlich einmal einem größeren Publikum bekannt gemacht.
Den Beginn macht aber Max Bruchs Violinkonzert. Bis heute ist dies Bruchs am meisten gespieltes Werk. Es wurde sogar so bekannt, dass Richard Strauss das Hauptthema aus dem zweiten Satz für seine Alpensinfonie entlehnte. Und wenn man das WDR Sinfonieorchester heute so spielen erlebt, dann versteht man auch schnell, warum. Dieser zweite Satz ist im Vergleich zu dem etwas inkonsequenten, heute aber schön pulsierend und plastisch dargebotenen ersten Satz, eine eigene Klasse! Spannung, Sensibilität und Schönheit konzentrieren sich hier und erheben neben der Solovioline auch das Horn in eine führende Rolle. Diese Glanzleistung dann noch mit einem lebhaften Finale gekrönt ist schon ein lohnenswertes Erlebnis!
Ohne Solist gelingt aber auch das beste Solokonzert nicht, weshalb dieses Stück heute auf der Kippe stand. Denn der ursprünglich vorgesehene Solist Renaud Capuçon musste leider kurzfristig absagen. Umso größer ist das Glück, dass mit Bomsori Kim (34) aus Daegu, Südkorea, eine Spezialistin für dieses Werk einspringt. Nicht nur kann sie es retten, sie bietet es auch atemberaubend facettenreich dar. Weitgehend gelingt es der renommierten Solistin, hieraus ein Paradestück für ihr Instrument zu formen. Wo Feinheit gefragt ist, besticht sie mit Sensibilität und glasklarem Ton. Akzente setzt sie stark und pointiert. Und der Höhepunkt in Satz 2 ist Perfektion pur! Zu schade, dass es das Publikum dafür nicht geschlossen aus den Stühlen reißt.
Mit Mel Bonis beweisen Cristian Măcelaru und das WDR Sinfonieorchester dann ihr großes Repertoire. Diese viel zu lange schon vergessene Komponistin lieferte mit ihrem Triptychon „Drei legendären Frauen“ einen Konzertzyklus voller Faszination und Klangfarbenreichtum ab. Entgegen anderer Künstler legte den Fokus jedoch nicht auf Tragik oder Dramatik, sondern auf psychologische Ausgestaltung der von ihr vertonten Frauen und brach sie dadurch aus ihren vorgefertigten Rollen heraus.
Die heute gespielte „Salomé“ ist Paradebeispiel dafür. Diese ansonsten aus der Todesgeschichte von Johannes dem Täufer bekannte Gestalt wird hier nicht blutrünstig oder böse, sondern mit Tiefe grazil, geradezu feinsinnig und erotisch dargestellt. In orientalistisch pulsierenden Rhythmen sticht jenes sich durch das Orchester schlängelnde Holzbläsermotiv als Hauptthema heraus. Den einen oder anderen Szenensprung gestaltet Măcelaru hier vielleicht etwas ruppig. Dafür arbeitet das Orchester unter ihm die Klangfarbenmischungen jedoch sehr plastisch heraus.
Wie gut sich diese Musik in ein Programm wie heute eingliedert, wird spätestens klar, als fast ohne Unterbrechung Don Juan von Richard Strauss folgt. Während bei Mel Bonis das erotisierende Moment einer ansonsten durchtrieben dargestellten Frau hervorstach, geht das Orchester bei Strauss in die Vollen. Wie ein flatternder Held steht hier plötzlich der bekennende Verführer, Wichtigtuer und Überflieger Don Juan auf der Bühne, vernascht eine Schönheit nach der anderen und lässt sich schließlich auf dem Höhepunkt seines Ruhms abstechen, weil er allem überdrüssig wird.
Was wie ein an seinem eigenen Übermut scheiternder Charakter klingt, ertönt im Orchester aber so schillernd! Man könnte so viele schöne Momente hier aufzählen: Das wild tanzende Glockenspiel, die zart spielende Solovioline zur ersten Liebesszene oder das brillierende Oboensolo. Dieses Treiben führt schließlich in einen Klimax gegen Ende des Werkes, in dem sich alle Beteiligten im Orchester in heroische Sphären aufschwingen, nur um dann matt zusammenzusacken und fahl zuckend ins Düstere auszubluten. Da sind alle Beteiligten voll auf der Höhe!
Einzig Măcelaru neigt hier wieder dazu, in seinen eruptiv hastigen Dirigierstil abzudriften – das Heldenthema in den heute eigentlich prächtig spielenden Hörnern lässt er beispielsweise etwas arg schnell runtersausen. Aber er hält sich doch genug im Zaum, um dieser Komposition ein gehöriges Maß an Dramatik und Epik abzugewinnen. Am Ende bleiben dann auch verdienter Erfolg und einige Bravorufe. Insgesamt liefern die Künstler damit ein Konzerterlebnis ab, das überzeugen kann, über weite Strecken sogar begeistert. So darf das in Zukunft gerne weitergehen!
Daniel Janz, 8. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at