Renaissance-Barockmusik in München: Vier Solostimmen ergötzen mich mit großartiger Intonation

„Weihnachten in Cremona“, Ensemble Phoenix  Mars-Venus-Saal im Bayerischen Nationalmuseum,  München, 3. Dezember 2023

Fotos: © Sybe Wartena

„Weihnachten in Cremona“

Ensemble Phoenix

Mars-Venus-Saal im Bayerischen Nationalmuseum,
München, 3. Dezember 2023

von Frank Heublein

München liegt unter einer tiefen Schneedecke, das Ensemble Phoenix hat sich durch den Schnee gekämpft, um zum zweiten Konzert in der Reihe des namensgebenden Mars-Venus-Saals im Münchner Bayerischen Nationalmuseum aufzutreten. Das heutige Programm „Weihnachten in Cremona“ nimmt Claudio Monteverdi – er ist in Cremona geboren – und seinen Lehrer Marc’Antonio Ingegneri in den Fokus und stellt Komponisten und Komponistinnen an die Seite, die eine Beziehung zu Cremona aufweisen.

Zu Beginn setzt Joel Frederiksen unsichtbar für mich hinter mir ein. Mit kraftvoller Energie trägt der Bassist Ab aeterno ordinata sum von Claudio Monteverdi vor. Ganz aufs Hören konzentriert, erspüre ich die vibrierende Luft im Saal.

Angelus ad pastores ait ebenfalls von Monteverdi schließt sich an. Auch hier ist die Bühne fast leer, nur der Instrumentalist Sven Schwannberger sitzt da. Wo sind die Sängerinnen und Sänger? Wo kommt nur der reine sphärische a cappella Klang der drei Stimmen Sopran, Alt und Tenor her? frage ich mich. Die drei haben sich hinter dem wuchtigen Marmorblock der Mars-Venus-Plastik versteckt! Jedenfalls für mich, der ich mittig frontal zur Bühne sitze. Etwas nur zu hören im Konzert, in dem ich das zeitgleiche Sehen der Ausführung gewohnt bin, schärft mein Ohr in einer besonderen Weise.

© Sybe Wartena

Für mich der phänomenale Höhepunkt des Konzerts ist Christe, redemptor omnium – in die Nativitatis Domini von Marc’Antonio Ingegneri. Der Komponist war Domkapellmeister in Cremona und hat den Teenager Monteverdi unter seine Fittiche genommen. Das Lied beginnt a cappella und durchströmt die vier Stimmlagen. Dann durchläuft die Komposition mehrere Kombinationen der Stimmen, einmal Sopran, Alt und Tenor, dann Sopran und Alt von der Theorbe unterstützt. Tenor a cappella solo. Die Intonation ist in jeder Kombination fantastisch, ein wellendes schwebendes Verschmelzen des Gesangs. Zugleich treten als Hörsahnehäubchen die vier Solostimmen von Sopranistin Maria Andrea Parias, Altistin Kamila Mazalová, Tenor Colin Balzer und Bassist Joel Frederiksen in der vollen individuellen prächtigen Schönheit hervor.

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© schwannberger.com

Sven Schwannberger zeigt sein famoses Flötenspiel in der Sonata Terza des Giovanni Battista Fontana, einem Zeitgenossen Monteverdis, den die Pestepidemie 1631 dahinraffte. Ein einziges musikalisches Buch seiner Kompositionen trugen Freunde zehn Jahre nach seinem Tod zusammen. Joel Frederiksen unterstützt den Flötisten mit der Erzlaute. Wie viele reine, klare, weiche und elastische Töne Schwannberger gleichzeitig seiner Blockflöte entlockt – für mich hat das etwas Magisches und ich gebe mich dem Zauber gelassen genießend hin.

Ego dormio ist ein Duett Monteverdis, das Tenor und Bass vortragen. Frederiksens Bass-Energie gepaart mit der Tenor-Leidenschaft Balzers ist ein weiteres filigran und zugleich vollmundiges Hörgeschenk dieses Nachmittags.

Ein wenig Musikkunde bekomme ich mit auf den Weg. Renaissancemusik ist polyphon organisiert, Barockmusik wird von einem basso continuo getragen. Joel Frederiksen weist darauf hin, dass diese Entwicklung des Continuo die Oper als Kunstform hervorgebracht hat. Monteverdi komponiert in beiden Stilen. Er selbst spricht von prima (= Renaissance) und seconda (= Barock) prattica und verteidigt so seinen musikalischen Stilwandel gegen Kritiker, die ihn ob einer schlechten Polyphonie kritisieren.

© Sybe Wartena

In Verbum caro factum est von Tiburtio Massaino klangstrahlt die a cappella Formation erneut herzerwärmend. Umrahmt wird dieses Lied von zwei Liedern Caterina Assandras. Hodie Christus natus est singen Alt und Bass, Jubilate Deo Sopran und Bass, jeweils von der Theorbe begleitet. Ich sehe, spüre und höre die Freude am Singen. Mit Altistin Kamila Mazalová schafft Bass Joel Frederiksen eine gemeinsame auch stimmliche Tiefe, die mich wärmt. Mit Sopranistin Maria Andrea Parias tritt der Gegensatz der beiden Stimmlagen zu Tage, das luftige Strahlen des Soprans und das Erdig-sonore des Basses.

© Sybe Wartena

Im letzten Lied des Programms Beata viscera Mariae Virginis von Ingegneri genieße ich ein weiteres Mal die perfekte Intonation der vier Stimmen, begleitet von Schwannberges in diesem Fall tieferen Querflöte aus Holz.

Das Publikum feiert die fünf Künstler außergewöhnlich enthusiastisch. So empfinde ich es als regelmäßiger Besucher dieser Konzerte und wundervollen Kleinode alter Musik des Ensemble Phoenix Munich.

Als Zugabe gibt es Hans Leo Hasslers Version von In dulci jubilo. Die letzte Strophe wird gesummt, ein hörbares flackerndes Licht des Adventskranzes. Ich bin aufs Wohligste erbaut!

Frank Heublein, 4. Dezember 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Programm

Weihnachten in Cremona – Festliche Musik von Monteverdi und Zeitgenossen

Besetzung

Ensemble Phoenix Munich

Maria Andrea Parias –  Sopran
Kamila Mazalová – Alt
Colin Balzer – Tenor
Sven Schwannberger – Theorbe, Flöte
Joel Frederiksen – Bass, Erzlaute, Leitung

Ensemble Phoenix Munich „Doulce mémoire“ Bayerisches Nationalmuseum, München, 22. Oktober 2023

Ensemble Phoenix Munich, Thomas Campion Author of Poetry and Song  Max-Joseph-Saal, Residenz München, 14. Mai 2023

The Flaming Fire, Ensemble Phoenix Munich Allerheiligenhofkirche in der Münchner Residenz, München, 11. Februar 2023

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