Das West Cork Chamber Music Festival geht in die vierte Dekade

West Cork Chamber Musik Festival  Bantry House, County Cork, Irland, 6. Juli 2025

Fotos: BC privat

Schwungvolles Abschlusskonzert an einem sonnigen Sonntagabend

Sofia Gubaidulina (1931-2025) – Sieben Sätze aus Musical Toys

Louise Farrenc (1804-1875) –
Sextett für Klavier und Blasinstrumente op. 40

Andrea Tarrodi (*1981)
Streichquartett Nr. 3

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) –
Sonate Nr. 2 für Violoncello und Klavier D-Dur op. 58

Piotr Tschaikowski (1840-1893) – Souvenir de Florence op. 70

Doric Quartet; Pacific Quintet; Ryan McCullough, Klavier; Ella van Poucke, Violoncello; Nathalia Milstein, Klavier; Henning Kraggerud, Violine; Alma Serafin Kraggerud, Violine; Emma Wernig, Viola; Séamus Hickey, Viola; Christopher Marwood, Violoncello

Bantry House, County Cork, Irland, 6. Juli 2025

von Brian Cooper

1995 gegründet, feiert das West Cork Chamber Musik Festival in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Zentraler Ort ist Bantry in West Cork, wo das wunderschöne Landhaus, in dem die meisten Konzerte stattfinden und das ein wenig in die Jahre gekommen ist, idyllisch über der Bucht von Bantry liegt. Es gibt weitere Spielstätten, etwa die umliegenden Kirchen, und es kann durchaus auch sein, dass Sie am Flughafen Cork ankommen und in ein kostenloses Kammerkonzert geraten. Irische Größen wie der Pianist Barry Douglas beehren regelmäßig das Festival, doch auch internationale Stars kommen gern nach Südirland.

Das diesjährige Abschlusskonzert wartete mit einem facettenreichen Programm auf. Der bescheiden auftretende Gründungsintendant Francis Humphrys richtete ein paar Worte an sein Publikum und bat es vor allem darum, die Handys auszuschalten. Solche Ansagen, herzlich vorgetragen, sollte es auch anderswo geben.

Das Konzert wurde live in ganz Europa übertragen, die European Broadcasting Union mischte mit, und der irische Klassiksender Lyric FM entsandte eigens seinen Moderator Paul Herriott, der vom Podium aus mit angenehmer Stimme kurz das Programm vorstellte, Herrn Humphrys als „the founder of the feast“ beschrieb und dann gen Ü-Wagen entschwand.

Kurzfristig war das Programm um sieben Miniaturen von Sofia Gubaidulina ergänzt worden, um die in diesem Jahr verstorbene wichtige Komponistin posthum zu ehren. Pianist Ryan McCullough spielte die geistreichen Musical Toys kontrastreich und virtuos; besonders gefiel der davonfahrende Schlitten, an dem Glöckchen von fern zu vernehmen waren. Zum ersten Mal konnte ich mit der Musik dieser Komponistin etwas anfangen.

 

Es folgte ein selten gespieltes Sextett von Louise Farrenc, das die Musikerinnen und Musiker des 2017 formierten Pacific Wind Quintet mit Hingabe gemeinsam mit Ryan McCullough vortrugen. Nach dem ersten Doppelstrich des ersten Satzes war die Klangbalance ausgewogen, das zarte Andante erinnerte an ein Nocturne von Chopin, und der letzte Satz war ein virtuoser Kehraus, der eine reiche Textur der Stimmen zutage förderte.

Nach der ersten von zwei Pausen spielte das Doric Quartet ein fabelhaftes kurzes Steichquartett der schwedischen Komponistin Andrea Tarrodi. Light scattering kennen die meisten Menschen in Irland aus dem Wetterbericht, Nieselregen ist keine Seltenheit; der Titel kann ebenso auf die verschiedensten, geradezu aleatorischen, Brechungen des Lichts anspielen. Tarrodi schreibt von Farben, Formen und Strukturen von Glas, die sie zu ihrem mit fahlen Flageoletts beginnenden Werk inspiriert haben, sie spricht von Reflexionen des Lichts auf Wasser. Das Ensemble gab die wunderbaren Klangeffekte inspiriert wider. Arpeggien ersterben sul ponticello, und man meint am Ende gar, Möwen zu vernehmen – an diesem besonderen Ort, der aufs Meer schaut, sehr passend.

Hochvirtuos spielten Ella van Poucke und Nathalia Milstein danach Mendelssohns zweite Cellosonate. Der erste Satz strotzte nur so von Lebens-, die Musikerinnen vor Spielfreude. Das humorvolle Scherzo ist ein typischer Mendelssohn, und im Adagio spielte Frau Milstein in der langen Klaviereinleitung aufs Feinste arpeggierte Akkorde, ehe die Cellistin mit ihrem vollem Celloton hinzukam. Im Finale zeigten die Damen keinerlei Scheu vor rasanten Tempi, dennoch ging nichts verloren, der Beifall war zu Recht enthusiastisch.

Tschaikowskis Souvenir de Florence werde ich immer mit Bantry House verbinden, denn es war hier, wo ich das Sextett zum ersten Mal erleben durfte. Und wo nun, bei anbrechender Dunkelheit, im dritten Teil des Konzerts die Kerzen im Kronleuchter brannten und der Steinway vom Podium getragen worden war.

Damals hatte sich das Borodin-Quartett mit dem Bratschisten und Cellisten des Vanbrugh Quartet zusammengetan, dessen Primarius, mein Geigenlehrer Greg Ellis, hinterher mit warmen, kollegialen Worten sein Pendant der Borodins, Ruben Aharonian, mit den Worten „Violin lessons for me!“ beglückwünschte. (Vanbrugh-Cellist Christopher Marwood war damals wie auch an diesem Abend dabei.)

Die Partie des Primarius ist in diesem sonnigen Sextett in der Tat sehr fordernd, lag aber bei Henning Kraggerud in den besten Händen, dessen Tochter Alma Serafin Kraggerud die zweite Violine spielte. Vater Kraggerud, dessen Aufnahmen ich seit geraumer Zeit bewundere, ist ein charismatischer Geiger, der an diesem Abend unbändige Spielfreude an den Tag legte. Alle ließen sich anstecken und spielten mit einem vollen Streicherklang und einer Hingabe, die einige wenige Ungenauigkeiten in der Intonation vergessen machten.

Im Gegenteil: Man wurde hineingerissen in einen Sog herrlichsten Musizierens auf der Rasierklinge. Der lyrische zweite Satz war eine meisterliche Demonstration des aufeinander-Hörens; geisterhaft, schattenhaft, huschte die Musik vorbei. Insbesondere die Soli des Primarius sowie von Ella van Poucke und der Bratschistin des Doric Quartet, Emma Wernig, begeisterten immer wieder. (Die zweite Bratschenstimme spielte Séamus Hickey.) Das Ende des Scherzos sorgte für Schmunzeln, ehe der wie eine harmlose Volksweise beginnende letzte Satz mit atemberaubenden Schwung die verdienten Ovationen hervorrief.

Francis Humphrys und seinem Team kann man zu einem abwechslungsreichen Programm auf konstant hohem Niveau nur gratulieren und für die kommenden Jahrzehnte alles Gute wünschen.

Dr. Brian Cooper, 8. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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