“Die Größe der Romantik” war das Motto des Classics Festivals 2025 am Wörthersee 

WörtherSee Classics Festival  Konzerthaus Klagenfurt, 30. Juni bis 3. Juli 2025

Intendantin Elena Denisova und künstlerischer Leiter Alexei Kornienko © vogus

Die 24. Ausgabe des WörtherSee Classics Festivals brachte an vier Abenden die vier Symphonien von Johannes Brahms, gekoppelt mit jeweils einem romantischen Solokonzert.

Konzerthaus Klagenfurt, 30. Juni bis 3. Juli 2025

 von Dr. Rudi Frühwirth

Das Festival wurde am 30. Juni 2025 mit einem Konzert im Großen Saal des Konzerthauses Klagenfurt eröffnet. Der erste Programmpunkt war das Konzert für Violoncello und Orchester in h-Moll, op. 104 von Antonín Dvořák. Das Konzert ist, wie Wilhelm Sinkovicz in seinem klugen Einführungsvortrag erläuterte, sehr frei aufgebaut.
Trotz zwei klar erkennbar kontrastierenden Themen folgt der erste Satz nicht der klassischen Sonatenform; vielmehr bringt das Cello auch neues Material ins Spiel. Im zweiten und dritten Satz zitiert Dvořák sein Lied “Lasst mich allein” im Andenken an seine Schwägerin, in der er einst verliebt gewesen war.

Der junge Cellist Jeremias Fliedl spielte den Solopart mit beeindruckender Technik und berührendem Ausdruck. Fao Tan war mit dem Changsha Symphony Orchestra ein aufmerksamer Begleiter. Im zweiten Satz mit den von Fliedl berückend vorgetragenen Cellokantilenen hätte er das Orchester allerdings ein wenig zurücknehmen müssen. Fliedl bedankte sich für den überaus herzlichen Beifall mit dem Präludium aus der ersten Cello-Suite von Johann Sebastian Bach.

Jeremias Fliedl © vogus

Nach der Pause folgte die Erste Symphonie in c-Moll von Johannes Brahms. Ich bezweifle nicht, dass die jungen Musikerinnen und Musiker des Orchester hohe technische Fähigkeiten besitzen; allerdings zeigten schon die ersten Takte, dass für den Dirigenten und das Orchester wohl zu wenig Probezeit war, um die für eine Symphonie von Brahms notwendige Stilsicherheit und instrumentale Ausdruckskraft zu erreichen.

Wohl steuerte Tao Fan geschickt die großen dynamischen Entwicklungen, im Detail war die Phrasierung jedoch nicht lebendig genug. Ähnliches gilt für Wahl der Tempi: im Großen angemessen, im Kleinen jedoch etwas starr. Das eine oder andere Rubato, ein gelegentliches subtiles Ritardando und Accelerando verträgt, ja verlangt eine hochromantische Symphonie wie die Erste von Brahms allemal. Freilich ist das Werk auch in einer nicht ganz idealen Interpretation von großer Wirkung; das zeigte sich eindeutig im begeisterten Beifall nach dem grandiosen Schluss der Symphonie. Die Gäste aus China bedankten sich mit zwei Zugaben aus ihrer Heimat.

Fao Tan leitet das Changsha Symphony Orchestra © vogus

Der zweite Abend begann mit der Ouvertüre zur Oper “L’Italiana in Algeri” von Gioachino Rossini. Alexei Kornienko, der künstlerische Leiter des Festivals, stand am Dirigentenpult und inspirierte das Changsha Symphony Orchestra zu einer spritzigen Wiedergabe des von humorvollen Einfällen funkelnden Stücks; ein Beispiel ist die köstliche Parallelführung von Fagott und Piccoloflöte.

Lovro Pogorelić und Alexei Kornienko © vogus

Es folgte das Zweite Klavierkonzert in A-Dur von Franz Liszt. Formal sehr frei angelegt, ist es eher eine Fantasie für Klavier mit Orchesterbegleitung, vorwiegend als Vehikel für die Virtuosität des Solisten komponiert. Als solches gedieh es unter den Händen von Lovro Pogorelić allerdings zu unleugbarer Wirkung. Souverän meisterte der Pianist die beachtlichen Herausforderungen des Klavierparts. Kornienko kennt das Werk auch aus der Sicht des Pianisten und war folglich der richtige Begleiter, stets in feiner Abstimmung mit dem Solisten. Dieser bedankte sich für den stürmischen Applaus mit der Nummer 11 aus Schumanns Symphonischen Etüden.

Nach der Pause hob Alexei Kornienko dann den Takstock zur Zweiten Symphonie in D-Dur von Johannes Brahms. Er hatte mir nach dem Eröffnungskonzert gesagt, dass er die Symphonie erst im Blick auf den Wörthersee und die ihn umgebende Landschaft wirklich verstanden hatte – Brahms hatte sie ja innerhalb weniger Wochen in Pörtschach komponiert.

Und wie anders als am Vorabend klang Brahms unter Kornienkos Leitung! Mit seiner ungemein suggestiven Schlagtechnik führte er das Orchester nahe an den idealen Brahmsklang, vermutlich so nahe wie es den in China ausgebildeten Musikerinnen und Musikern möglich ist. Er gab ihnen Raum zum Atmen, erzeugte zahlreiche dynamische Nuancen und feine Abstufungen im Tempo. Das Resultat war höchst respektabel und zeugte vom exzellenten Rapport zwischen Dirigent und Orchester.

Am Beginn des dritten Abends stand die Ouverture zum “Sommernachtstraum” von Felix Mendelssohn Bartholdy auf dem Programm. Die Holzbläser des Orchesters waren in hörbar guter Abendform, die heiklen Akkorde am Anfang und am Ende gelangen fehlerlos.

Der Dirigent Adrian Schur sorgte für eine ausgewogene und lebendige Interpretation des kleinen Meisterwerks, das Mendelssohn im Alter von nur 17 Jahren komponierte. Die Ouverture war eine passende Einleitung zum folgenden Violinkonzert in e-Molldes Komponisten.

Elena Denisova, die Intendantin des Festivals, war die Solistin. Die virtuose Beherrschung des Instruments ist bei ihr selbstverständlich und die unabdingbare Grundlage für den ihr allein wichtigen musikalischen Ausdruck. So legte sie die Kadenz im ersten Satz durchaus nicht als Demonstration ihrer technischen Meisterschaft an, sonder eher als nachdenkliche Meditation über die vorhergegangen musikalischen Inhalte.

Die Gesangsmelodie des zweiten Satzes, von Wilhelm Sinkovicz treffend als Lied ohne Worte bezeichnet, gestaltete sie mit tief empfundener Innigkeit. Im letzten Satz brach dann endgültig die Spielfreude hervor, und es entstand ein mitreißender Dialog zwischen Solovioline und Orchester, das wie auch in den ersten beiden Sätzen umsichtig von Adrian Schur geleitet wurde.

Elena Denisova © vogus

Nach der Pause folgte die Dritte Symphonie in F-Dur von Johannes Brahms. Schon in den allerersten Takten hatte ich den Eindruck, dass die Pauken und die Blechbläser die Streicher förmlich erdrückten, und auch in der Folge wollte sich die rechte Balance zwischen den Orchestergruppen nicht einstellen, vor allem in den zahlreichen dramatischen Passagen. Der zweite Satz gelang dagegen vorzüglich, und der Beginn des dritten Satzes wurde von den Streichern sehr ausdrucksvoll interpretiert. Im vierten Satz vermisste ich wie im ersten den für Brahms typischen, leicht verschleierten Zusammenklang von Streichern und Holzbläsern, und wieder waren Pauken und Blech an manchen Stellen für mein Gefühl zu dominant.

Obwohl ich nicht von einer rundum gelungenen Wiedergabe berichten kann, machte die Symphonie doch starken Eindruck, der sich in lautstarkem Beifall entlud.

Der vierte und letzte Abend brachte uns zunächst zwei Werke von Carl Maria Weber: die Ouverture zu “Oberon” und das Konzertstück für Klavier und Orchester op. 79. “Oberon” ist so gut wie nie in den Spielplänen der Opernhäuser zu finden, aber die Ouverture hat es immerhin in den Konzertsaal geschafft. Zum Glück, denn sie ist ein Kleinod frühromantischer Musik.

Dirigent Dian Tchobanov animierte das Changsha Symphony Orchestra zu eine präzisen, schwungvollen Wiedergabe. Das Konzertstück ist, wie Sinkovicz in seiner Einführung erzählte, eine symphonische Dichtung, die aber auch ohne Kenntnis des Programms reizvoll ist. Den Klavierpart bewältigte die Pianistin Cong Fan mit Bravour.

Cong Fan und Dian Tchobanov. Foto: privat

Den Abschluss des Konzerts und des Festivals bildete die Vierte Symphonie in e-Moll von Johannes Brahms. Sie entstand nicht an den sonnigen Gestaden des Wörthersees, sondern in der etwas raueren Bergwelt der Steiermark. Mit ihrer herben Schönheit und inneren Geschlossenheit strahlt sie eine einzigartige Faszination aus. In ihr vereint sich Brahms’ Erfindungsreichtum, kontrapunktische Meisterschaft und Kunst der Instrumentierung zu einem bewundernswerten Ganzen. Den vierte Satz, die Passacaglia in e-Moll, betrachte ich als einen Höhepunkt der symphonischen Literatur, dem letzten Satz der Jupitersymphonie und dem der Fünften von Bruckner ebenbürtig.

Das Orchester lieferte unter der Leitung von Dian Tchobanov eine gediegene Leistung. Mit weitgespannter Dynamik und elastischen Tempi entwickelte sich eine spannungsreiche Interpretation, und der Orchesterklang kam dem Brahms’schen Ideal recht nahe. Das Publikum wusste das zu würdigen und bejubelte den Dirigenten ebenso wie die Gäste aus China. Ein großartiger Abschluss eines gelungenen Festivals!

Dr. Rudi Frühwirth, 6. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

9. Gustav Mahler Festival 2025, Teil I Steinbach am Attersee, 18. bis 22. Juni 2025

9. Gustav Mahler Festival 2025, Teil II Steinbach am Attersee, 18. – 22. Juni 2025

Rudis Klassikwelt 7: Cerha, Schönberg, Gemalte Musik klassik-begeistert.de, 13. März 2025

Interview: Rudolf Frühwirth im Gespräch mit Elena Denisova, Violine klassik-begeistert.de, 28. August 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert