Marie Jacquot kredenzt Beethovens Meisterwerk mit Schwung und Esprit

Wiener Symphoniker, Marie Jacquot  Wiener Konzerthaus, 31. Dezember 2024

Marie Jacquot © David Payr

Marie Jacquot, die die Wiener Symphoniker dirigierend durch den Abend führte, verlieh dem zweihundertjährigen Werk eine Frische und Spontanität, die das Publikum die gesamte Aufführungsdauer hindurch fesselte.

Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 9 d-moll op. 125 (1822–1824)

Wiener Symphoniker
Wiener Singakademie

Simone Schneider, Sopran
Ekaterina Gubanova, Mezzosopran
Benjamin Bruns, Tenor
Mika Kares, Bass

Marie Jacquot, Dirigentin

Wiener Konzerthaus, 31. Dezember 2024

von Kathrin Schuhmann

Kann es einen würdigeren Weg geben, das zurückliegende Jahr zu verabschieden als mit den hoffnungsvoll emphatischen Klängen der 9. Symphonie Ludwig van Beethovens? Die Zuhörerschaft, die am Dienstagabend in den Großen Saal des Wiener Konzerthauses geströmt war, war einer Meinung: Beethoven sollte das letzte symphonische Wort des Jahres 2024 gegeben werden.

Heutzutage ist es kaum mehr in Gänze zu begreifen möglich, dass die Symphonie, die heutzutage ein unangefochtener Erfolgsgarant eines jeden Konzertunternehmens ist und zu einem unverzichtbaren Stück kulturellen Erbes und zeremonieller Tradition geworden ist, kurz nach der Wiener Uraufführung 1824 bei ihren Zeitgenossen großen Zwiespalt ausgelöst hat: Eine Symphonie, die sich im Schlusssatz das gesungene Wort einverleibt? Sowas hat es ja noch nie gegeben! Ist das denn überhaupt rechtens? Wo kommen wir denn dahin? Was hat sich der taube Mann denn jetzt schon wieder zusammengereimt?

Die Zweifel über die gattungsästhetische Grenzüberschreitung, die Beethoven gewagt hat, sind längst verflogen. Gerade der letzte Satz ist es doch, das große Finale, das der Symphonie ihren erbauenden Charakter verleiht.

Marie Jacquot, die die Wiener Symphoniker dirigierend durch den Abend führte, verlieh dem zweihundertjährigen Werk eine Frische und Spontanität, die das Publikum die gesamte Aufführungsdauer hindurch fesselte.

Insbesondere der zweite Satz, mit seinen vielen verschachtelten Stimmeinsätzen des dynamischen Hauptthemas, wirkte dank der recht raschen  und somit gewagten Tempowahl spritzig. Rhythmisch und intonatorisch war das Orchester stets auf dem Punkt. Jacquot gelang es, die in sonstigen Interpretationen zumeist etwas im klanglichen Hintergrund verweilenden Holzbläser wiederholt hervorzuheben. Kaum zu glauben, dass es nach all den unzähligen Einspielungen und Aufführungen dieser Symphonie von Weltrang noch immer möglich ist, andere, noch nicht hervorgeholte Facetten zu zeigen, die in dem Werk im Verborgenen schlummern.

Wiener Konzerthaus © Lukas Beck

Der Finalsatz brach nach Abschluss des langsamen dritten Satzes dann wie ein Donnerwerk ein. Jacquot und ihr Orchester zeigten hier mit vereinten Kräften, wie ein Orchestertutti einschlagen kann.

Unter den vier Solisten stellte der Bass Mika Kares seine drei Mitstreiter glasklar in den Schatten. Welch eine Seltenheit, dass man die melodischen Phrasen zu dem Text „O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere“ nicht nur sprachlich einwandfrei versteht, sondern man einem jeden der zahlreichen Schnörkel, welche die reich verzierte Stimmführung schmücken, folgen konnte. Bravo!

Die Sopranistin Simone Schneider konnte mit ihrer zugebenermaßen enorm schwierig zu meisternden Partie leider nur mäßig überzeugen. Die Spitzentöne waren alle ein wenig zu hoch und ihre Stimmfarbe wollte sich nicht so recht mit denen ihrer solistischen Kollegen vereinen.

Benjamin Bruns, der Tenor des Abends, sang mit voller Inbrunst, heldenhaft füllte er den Saal über das Orchester hinweg mit seiner durchdringenden Stimme.

Die Mezzosopranistin Ekaterina Gubanova sang maßvoll und hob sich gegen die teils etwas exaltiert wirkende Gesangsmanier ihrer Kollegin angenehm ab.

Der auswendig singende Chor der Wiener Singakademie schlug sich meisterlich durch den stimmliche Kraft zehrenden Chorsatz und übertrug die von Schiller niedergeschriebene Freude und Zukunftshoffnung auf sämtliche Anwesenden.

© Wiener Singakademie

Das Publikum dankte mit stehenden Ovationen und verließ zufrieden und frohen Gemütes den Saal.

Kathrin Schuhmann, 2. Januar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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